Anahita Thoms, LL.M., im Porträt
"Seid mutig."
Anahita Thoms, LL.M., Partnerin bei Baker McKenzie, im Interview mit breaking.through über die Fähigkeiten, die man als Partnerin bzw. Partner einer Wirtschaftskanzlei benötigt, Pro-bono-Arbeit und darüber, wie sich die Tätigkeit für eine international tätige Wirtschaftskanzlei in den USA von einer Tätigkeit für eine solche in Deutschland unterscheidet.
Frau Thoms, Sie sind Partnerin bei Baker McKenzie mit einer beachtlichen Reputation in den Bereichen des Außenwirtschaftsrechts und des Datenschutzrechts. Wann haben Sie gewusst, dass beiden Rechtsgebieten Ihre Leidenschaft gilt?
Ich habe schon sehr früh ein Interesse an Compliance-Fragen entwickelt, sei es im Bereich Außenwirtschaftsrecht, sei es in anderen Bereichen. Besonders fasziniert hat mich dabei, an der Schnittstelle zwischen Recht, Politik und Wirtschaft zu arbeiten. Ich kann Unternehmen helfen, im Einklang mit dem Gesetz, aber auch ökonomisch sinnvoll zu agieren.
In Ihrer Sozietät sind Sie verantwortlich für die Leitung der deutschen Abteilung für International Trade Practice. Außerdem sind Sie Co-Vorsitzende des Exportkontroll- und Wirtschaftssanktionskomitees der American Bar Association. Was hat Sie zu diesem beachtlichen Karriereweg motiviert und encouragiert?
Die Leitung der außenwirtschaftsrechtlichen Praxis bei Baker McKenzie zu übernehmen war für mich ein natürlicher Schritt - ich berate seit einem Jahrzehnt große deutsche und internationale Unternehmen in diesem Bereich. Verantwortung zu übernehmen und ein Team auszubauen und zu leiten sehe ich nicht als Bürde, sondern als spannende Aufgabe. Den Co-Vorsitz des Exportkontroll- und Wirtschaftssanktionskomitees der American Bar Association habe ich nach drei Jahren als Vize-Vorsitzende angeboten bekommen. Ich bin jetzt gerade zum dritten Mal in Folge als Co-Vorsitzende wieder gewählt worden und es macht mir große Freude, über den Tellerrand zu schauen, und im Team die Belange der ABA voranzutreiben. Das liegt sicherlich auch an meinem großen Interesse an der transatlantischen Beziehung. Ich engagiere mich seit Jahren bei der Atlantikbrücke, zunächst als Young Leader und jetzt als Mitglied.
In Ihrer Vita fallen Ihre vielzähligen Auszeichnungen auf, etwa als Rising Star des New York durch das Law Journal, als Young Practitioner of the Year im Rahmen der WorldECR Awards oder die Ehrungen von ILO, Legal 500 US und Who’s Who Legal. Welche Bedeutung kommt solchen Ehrungen zu?
Natürlich freut man sich über die Anerkennung, am meisten, wenn die Auszeichnungen auf Feedback meiner Mandanten basieren.
Neben Ihrer beruflichen Karriere haben Sie die Initiative United Against Modern Slavery mitbegründet. Was hat Sie zu dieser Initiative veranlasst?
Bürgerschaftliches Engagement und Pro-bono-Arbeit sind mir sehr wichtig. Die Flüchtlingskrise einerseits und die Tatsache, dass die Problematik der sogenannten Modernen Sklaverei vollkommen unterschätzt wird, haben uns zu dieser Initiative bewegt. Sie müssen wissen, dass Millionen Menschen weltweit Opfer moderner Sklaverei werden. Die Formen können unterschiedlicher kaum sein: Wir sehen Menschenhandel, Kinderarbeit, Rekrutierung von Kindersoldaten, Zwangsprostitution uvm. Die Flüchtlingskrise hat zu einer Verschärfung beigetragen. Anwälte können hier viel tun: sei es durch Pro-bono-Arbeit, sei es durch Beratung von Unternehmen im Hinblick auf ihre Supply-chain-Risikoanalyse.
Sie haben sowohl in Deutschland als auch in den USA gearbeitet. Welche Unterschiede haben Sie im Arbeitsalltag festgestellt?
Lunch vor dem Computer und permanente Erreichbarkeit sind sicherlich in den USA ein Teil des Arbeitsalltags, wobei wir diesen Trend mehr und mehr auch in Deutschland sehen.
Konnten Sie insbesondere Unterschiede bei der Karriereentwicklung von Juristinnen erkennen? Falls ja, welche?
Ich habe während meiner Zeit in den USA mein zweites Kind bekommen. Es war gar keine Frage, dass ich zurückkomme. Im Gegenteil: Es gab klare Richtlinien, wann man wieder einsteigt. Das passte mir sehr gut. Alle wussten, ich bin bald wieder da, und haben auf mich gezählt. Schwieriger wäre es gewesen, wenn man die Zeit nach der Geburt individueller gestalten wollte, beispielsweise länger in Elternzeit zu bleiben oder in Teilzeit zurückzukommen.
Haben Sie ihre Karriere als Anwältin mit dem Ziel gestartet, Partnerin zu werden? Haben Sie dafür eine bestimmte „Strategie“ verfolgt?
Nein, ich konnte mir zwar nach einigen Jahren als Associate gut vorstellen, diesen Schritt zu gehen, aber es gab dieses Ziel nicht von Beginn an und auch später nicht "die eine Strategie". Ich wollte immer exzellente Leistungen zeigen, die "Beste" sein in meinem Bereich. Und irgendwann, wenn die Zeit reif und das Feedback seitens der Mandanten exzellent ist, weiß man, dass man es kann und seinen Weg gehen wird.
Was raten Sie jungen Anwältinnen, die dieses Ziel verfolgen?
Nur Mut. Ihr könnt das! Mut, harte Arbeit, Neugier, Leidenschaft. Und vergesst das Netzwerken nicht - die Bedeutung eines guten Netzwerks habe ich anfangs unterschätzt.
Ihre beruflichen Stationen in den letzten Jahren haben Sie durch drei namhafte Großkanzleien geführt. Noch gibt es weniger Frauen als Männer auf den Partnerebenen. Welche Entwicklungen konnten Sie dazu beobachten?
Wir machen Fortschritte, nur viel zu langsam. Als ich anfing gab es kaum Frauen in Teilzeit. Jetzt haben wir immerhin diverse Associates in Teilzeit und alternative Karrierewege. Das läuft alles gut. Wenn man sich aber die Großkanzleien in Deutschland anschaut, stellt man eines fest: es gibt kaum weibliche Partner, geschweige denn in Managementfunktionen.
Was könnte man unternehmen, damit mehr Frauen Partnerin werden können?
Bessere Kommunikation und die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, mit klaren Prozessen und Zielen, und insbesondere einen offeneren und gelasseneren Umgang mit Teilzeitmodellen und mobilem Arbeiten. Gebt den Frauen die Zeit, die sie brauchen oder sich nehmen wollen, weil sie etwa in einer bestimmten Lebensphase mehr Zeit mit ihren Kindern oder ihren Eltern verbringen möchten bzw. müssen.
Welche Fähigkeiten braucht man als Partnerin im Gegensatz zum Associate? Wie gut lassen sich diese erlernen?
Unternehmerisch handeln und Personalverantwortung tragen. Vorträge halten, Interviews geben, meine Ansicht in Publikationen kundtun, Budgetverantwortung übernehmen, ein Team führen, Mitarbeitergespräche führen - in Ansätzen macht man das auch als Associate oder Counsel. Als Partner liegt darauf ein stärkerer Fokus der Arbeit, wobei ich weiterhin sehr viel reine Mandatsarbeit mache.
Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?
Es gibt sehr viele herausragende Juristinnen. Da würde ich ungern eine hervorheben. Allgemein würde ich sagen, dass die Frauen mich besonders beeindrucken, die über den klassisch juristischen Bereich hinausschauen, sei es durch ihr Engagement im Bereich Corporate Social Responsibility und ProBono oder ihr politisches Engagement, wie beispielsweise Christine Lagarde, ehemalige Chair unserer Kanzlei.
Vielen Dank für das spannende Interview!
Düsseldorf, 12. November 2018. Frau Thoms, LL.M., hat die Fragen schriftlich beantwortet. Die Fragen stellte Nadja Harraschain.
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