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Dr. Berit Völzmann

Dr. Berit Völzmann im Porträt

 

"Vorbilder sind enorm wichtig."

Dr. Berit Völzmann, Habilitandin an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt und Aktivistin bei Pinkstinks, im Interview über den Wert von Professorinnenprogrammen, die besondere Vereinbarkeit von Habilitation und der Familiengründung sowie die ungewöhnliche Praxisrelevanz ihrer Promotion über geschlechtsdiskriminierende Werbung.

Berit, Du habilitierst Dich derzeit im Verwaltungsprozessrecht und arbeitest als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechtsvergleichung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Was hat für Dich den Ausschlag gegeben bei der Entscheidung in die Wissenschaft zu gehen?

Ich habe die Promotionszeit sehr genossen, aber damals noch nicht auf dem Schirm gehabt, dass die Wissenschaft tatsächlich einmal mein Beruf werden könnte. Das Referendariat hat es dann - trotz spannender Stationen - nicht geschafft, mich für einen der klassischen juristischen Berufe - oder auch die Arbeit in einer NGO - zu begeistern. Mir wurde immer klarer, dass ich weiter forschen und lehren will, mich intensiv mit Themen beschäftigen - vor allem auch mit Ungleichheiten in der Gesellschaft -, Recht analysieren, kritisieren, weiterentwickeln möchte. Daher gab es für mich nur einen Weg: In die Wissenschaft.


Professorinnen in den Rechtswissenschaften sind noch immer spärlich gesät, obwohl es inzwischen mehr weibliche als männliche Jurastudenten gibt. Welchen Beitrag können Professorinnenprogramme zu einem ausgewogeneren Verhältnis beitragen?

Ich habe mein Studium an einer Universität begonnen, dessen juristische Fakultät bis heute keine einzige Professorin beheimatet - der Universität Greifswald. An den meisten anderen Universitäten ist der Anteil an Professorinnen zwar höher - aber nirgendwo ist das Geschlechterverhältnis auch nur annähernd ausgeglichen. Ich habe daher selbst erfahren, was Studien seit langem belegen: You can´t be it, if you can´t see it. Vorbilder sind enorm wichtig. Ich glaube, dass die Wissenschaft als Beruf auch deshalb so lange außerhalb meines Fokus lag, weil sie für mich sehr stark männlich geprägt war. Professorinnenprogramme sind ein - vorübergehendes - Mittel, ein wenig an diesem Verhältnis zu ändern. Tatsächlich geht es dabei aber nur um wenige Stellen. Die Veränderung muss in den Köpfen stattfinden - in denen der Studentinnen und Doktorandinnen, die vielfach noch vor dem Weg in die Wissenschaft zurückschrecken, und in denen der Mitglieder von Berufungskommissionen.

Siehst Du ein Risiko, dass über die bestehenden und weiter geförderten Frauenförderungsprogramme Männer zunehmend den Eindruck gewinnen, selbst benachteiligt zu werden? Falls ja, wie sollte man damit umgehen?

 

Es mag Männer geben, die das so sehen. So anstrengend es auch ist, Förderungsmaßnahmen unterliegen stets dem Rechtfertigungsdruck, dass sie noch immer notwendig und nicht obsolet geworden sind. Aus meinen bisherigen Erfahrungen in Berufungsverfahren und zahlreichen Berichten aus solchen durch Kolleg*innen spricht aber nichts dafür, dass es die Männer sind, die benachteiligt werden.

Ein oftmals genannter Grund im Kontext des geringen Professorinnen-Anteils lautet, dass die langen Jahre der Promotion und Habilitation für Frauen ungünstig mit den Jahren der Familiengründung zusammenfallen. Du bist während Deiner Habilitationszeit Mutter geworden. Welche Vorteile siehst Du darin, in diesem Lebensabschnitt Kinder zu bekommen?

Die Habilitations- und in noch größerem Maße die Promotionsphase sind aus meiner Sicht eine sehr gute Zeit für die Familiengründung. Nachteilig ist zwar sicherlich, dass der Beruf (in diesem Fall die Berufung) und damit auch der Ort, an dem man sich letztlich niederlassen wird, zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststehen. Allerdings gilt das heute für viele andere Berufe auch. Dafür ist gerade die Wissenschaft aber grundsätzlich bestens für die Vereinbarkeit mit der Familie geeignet: Wann ich lese und schreibe, ist an keinen speziellen Ort und keine spezielle Zeit gebunden. Natürlich spielt aber die Ausgestaltung des jeweiligen Arbeitsverhältnisses eine große Rolle - ich habe großes Glück und kann überwiegend von zu Hause aus arbeiten.

Welches sind demgegenüber in Deinen Augen die größten Herausforderungen, die sich bei einer Habilitation mit Kind stellen? Kommst Du seither noch viel zu Deiner Habilitation?

Eine der größten Herausforderungen bei einer Habilitation ist aus meiner Sicht ohnehin schon, sich für dieses Mammutprojekt genügend Zeit zu nehmen und sich (neben Lehrstuhlarbeit und Lehre) nicht zu sehr in anderen kleineren, spannenden Projekten zu verlieren. Ein Kind verknappt schlicht die vorhandene Zeit - es ist quasi ein weiteres spannendes kleines Projekt. Die Organisationsfähigkeit und Selbstdisziplin, die es für eine wissenschaftliche Tätigkeit ohnehin braucht, sind mit Kind noch einmal in ganz besonderem Maße gefordert. Und ja, ich komme auch zum Arbeiten an meiner Habil.

In Deiner Dissertation hast Du die Rechtmäßigkeit eines Verbots geschlechtsdiskriminierender Wirtschaftswerbung untersucht. Sie wurde anschließend von Pinkstinks für eine bundesweite Kampagne für ein Verbot sexistischer Werbung aufgegriffen. Damit gibt es wohl wenige Dissertationen, die so viel Aufmerksamkeit in der Praxis erregen wie Deine. Wie kam es zu diesem Promotionsthema?

Es war der Vorschlag meines Doktorvaters (Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer, Universität zu Köln). Aus dem langen Gespräch über meine Interessen, das wir zur Themenfindung führten, hat er offenbar genau die richtigen Schlüsse gezogen. Ich war am Anfang gar nicht sonderlich begeistert von diesem Vorschlag. Nicht, dass mich das Thema nicht interessierte - ich glaube im Nachhinein, dass ich unbewusst davor zurückschreckte, weil es auch ein feministisches sowie ein politisch und emotional sehr umkämpftes Thema ist. Jetzt kann ich sagen: Es war genau richtig für mich.

Hast Du von Anfang an damit gerechnet, dass dem Thema eine solche Aufmerksamkeit zukommen würde?

Nein, absolut nicht. Das liegt zum einen daran, dass ich selbst erst meinen Weg zu diesem Thema finden musste (zum Beispiel habe ich es nach einer Weile von dem sehr umfangreichen Thema "Diskriminierende Werbung" auf "Geschlechtsdiskriminierende Werbung" eingeschränkt). Zum anderen wurde das Thema, als ich mit meiner Dissertation anfing, gesellschaftlich nicht so stark diskutiert, wie es in den letzten Jahren der Fall war (und ist).

Nachdem das Justizministerium der letzten Großen Koalition unter Heiko Maas zunächst angekündigt hatte, einen Gesetzesentwurf gegen sexistische Werbung vorzulegen, wurde bis dato lediglich ein Monitoring sexistischer Werbung bis 2019 umgesetzt. Glaubst Du, dass die neue Große Koalition das Vorhaben umsetzen wird?

Das ist schwer zu sagen. Viel wird vom Ergebnis des Monitorings abhängen. Jedenfalls hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Durch Pinkstinks ist eine gesellschaftliche Diskussion angestoßen worden. Parteien, Städte, Behörden, Gleichstellungsbeauftragte und zahlreiche NGOs, aber auch Unternehmen und Werbeagenturen haben sich dem Thema gewidmet - und teils eigene Zugänge und Lösungen gefunden.

Du warst während Deines Studiums aktive Mitarbeiterin im Autonomen Schwulen- und Lesbenreferat an der Universität zu Köln. Wie steht es um Vorbilder für Homosexuelle in Führungspositionen bestellt?

Schwierige Frage. Da Menschen ihre sexuelle Orientierung deutlich weniger anzusehen ist als ihre geschlechtliche Identität, habe ich mir darüber tatsächlich bisher eher weniger Gedanken gemacht.

Welche Juristin hat Dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Meine Habil-Mutter, Prof. Dr. Ute Sacksofsky: Sie war eine der ersten Professorinnen für Öffentliches Recht in Deutschland - und das alleinerziehend mit Kind, welches sie auch während ihrer Habilzeit bekommen hat. In ihrer Dissertation hat sie eine Dogmatik für Art. 3 Abs. 2 GG entwickelt und damit richtungsweisend den verfassungsrechtlichen Diskurs um Gleichstellung geprägt. So frustrierend heute noch manches ist, ihre Kämpfe und Erfahrungen machen deutlich, wie weit wir schon gekommen sind - und wie viel wir unseren Vorkämpferinnen zu verdanken haben.

Und wenn ich noch eine zweite Juristin nennen darf: Meine Habil-Schwester, PD Dr. Anna Katharina Mangold: Tatsächlich ist sie in den letzten Jahren zu einem großen Vorbild für mich geworden. Wenn ich irgendwann nicht nur so klug bin wie sie, sondern dabei auch so eine herzliche, Kraft spendende, unterstützende, empowernde Kollegin und Forschungsschwester, dann bin ich sehr zufrieden mit mir.

Herzlichen Dank für das spannende Interview!

Bonn, 28. April 2018. Dr. Völzmann hat die Fragen schriftlich beantwortet. Die Fragen erstellte Nadja Harraschain.

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