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Charlotte zu Knyphausen

Charlotte zu Knyphausen im Porträt

Meine Mission ist es, das Verhandeln für Frauen zu normalisieren.“

Charlotte zu Knyphausen, Rechtsanwältin, Verhandlungscoach und Wirtschaftsmediatorin, über ihren Weg von einer Unternehmensjuristin in die Selbständigkeit, ihr Erfolgsmodell „shegetsit“ und Gründe, warum sich Frauen beim Verhandeln oft immer noch schwer tun.

Charlotte, du bist selbständige Rechtsanwältin, Mediatorin und Verhandlungscoach für Frauen. Warum hast du beschlossen, nach deiner langjährigen Tätigkeit als Syndikusanwältin, Frauen und insbesondere Anwältinnen im Verhandeln und Konfliktlösung zu coachen?

Ich bin seit Jahren stark unter Frauen vernetzt und habe diesen Frauen sehr genau zugehört und eine Interviewreihe mit Frauen verschiedenster Karrierelevel geführt. Dabei habe ich festgestellt: Verhandeln für uns selbst ist etwas, das Frauen gar nicht tun oder sehr wenig geübt haben. Und das, obwohl es da draußen so viele fantastische Frauen gibt, die ihre jeweiligen Bereiche mitgestalten können und sollen und deshalb die Fähigkeiten dafür brauchen. Und genau das mache ich heute schwerpunktmäßig: Ich helfe Frauen dabei für sich zu verhandeln und ich möchte das Verhandeln für Frauen normalisieren.

 

Für Anwältinnen finde ich es deshalb wichtig, weil das Verhandeln immer noch eine sehr männerdominierte Branche ist und es doch als Juristin täglich relevant ist. Verhandlungs- und Konfliktfähigkeit ist nicht nur für das Vertreten von Mandant*innen essentiell, sondern auch weil eben jene Anwältinnen irgendwann Führungskräfte werden und das Verhandeln für sich selbst brauchen, denn als Führungskraft verhandeln wir ja nicht nur unsere eigenen Arbeitsbedingungen wie das Gehalt, sondern auch Budgets, Verantwortung, Mitarbeiterzahl, Work-Life-Balance und so vieles mehr. Und all das findet im Anwaltsberuf unter hohem Leistungs-, Qualitäts- und Zeitdruck statt. Gerade dort ist es also wichtig, sich selbst genauso wie andere gut vertreten zu können.

 

Themen im Studium spielen kaum eine Rolle, obwohl wir so eine hohe Verantwortung tragen.

Nach deinem Studium hast du zunächst lange als Syndikusanwältin u.a. in einem DAX-Konzern gearbeitet, bevor du dich als Verhandlungs- und Konfliktcoach selbständig gemacht hast. Hattest du Angst vor dem Schritt in die Selbständigkeit? Wie bist du diese Veränderung angegangen?

Ich hatte schon immer eine große Motivation für unternehmerische Themen und habe schon früh gespürt, dass mich antreibt. Generell hatte ich keine Angst vor dem Schritt in die Selbständigkeit. Einerseits, weil ich eine starke innere Motivation für die Themen hatte, die ich angehen wollte und andererseits, weil mir klar war, dass ich als Coach ausschließlich selbständig arbeiten kann - denn wir müssen unabhängig sein, wenn wir wirklich unterstützen wollen. Deshalb gab es einen klaren Rahmen für mich.

 

Was zusätzlich geholfen hat, war, dass ich zu dieser Zeit sowieso aufgrund eines familiären Umzugs gekündigt hatte und ich daher aus einem Leerlauf gegründet habe und so auch „frei“ in jeglicher Hinsicht war. Gleichzeitig gab es natürlich kleinere Situationen, in denen ich mit meiner eigenen Verletzlichkeit und Unsicherheit in Kontakt kommen durfte und daraus Stärke entwickelte: so war es z.B. am Anfang sehr aufregend für mich, über mich und mein Angebot zu sprechen. Auch weil ich plötzlich in einer Branche unterwegs war, die ich gar nicht so gut kannte und ich mich erst positionieren musste. Dabei hat mir geholfen, mich extrem viel zu vernetzen,auf so viele Veranstaltungen wie möglich zu gehen, immer wieder über mein Angebot zu sprechen und mich darüber hinaus viel mit mir und der Frage zu beschäftigen: Wofür stehe ich selbst ganz authentisch und was brauchen meine Coachees wirklich, um voranzukommen? ​

Wie unterscheidet sich deine Arbeit von damals zu der von heute? Gibt es etwas, das ganz anders ist bzw. war, als du es dir vorgestellt hast?

Ich hatte mir gar nicht so viele Vorstellungen gemacht, aber es gab einige Dinge, die mich im Nachhinein überrascht haben, Dinge, die ich heute klarer sehe oder solche, die mich vielleicht am Anfang an einer bestimmten Sache haben zweifeln lassen und sich am Ende sehr positiv auswirken. 
Was meine heutige Arbeit so besonders macht, ist die gewonnene Kreativität und Flexibilität. Ich kann z.B. ohne Weiteres in der Natur oder von zu Hause arbeiten und gerade die konzeptionellen Phasen so gestalten, wie es für meine Denkprozesse ideal ist
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Mich hat sehr überrascht, wie toll ich die Selbständigkeit finde, denn ich bin eigentlich ein Teamworker, der viel ehrlichen und offenen Austausch braucht. Das ist mir wirklich sehr wichtig. Ich brauche diesen Austausch und diesen habe ich durch meine Selbständigkeit nicht verloren, sondern sogar weiter ausgebaut, indem ich stark vernetzt mit anderen Gründer*innen und Selbständigen arbeite, aus ganz unterschiedlichen Branchen.

Was mich auch begeistert, ist das herzliche und persönliche Verhältnis, das ich zu meinen Kund*innen aufbauen darf und die wirksamen Prozesse und Trainingsprodukte, die ich mit ihnen gestalten kann. Das gibt mir wahnsinnig viel Energie.

Du schreibst auf deiner Website, dass du früher nur zwei Verhandlungsmethoden kanntest: „Mit dem Kopf durch die Wand“ oder „Mund halten“. Wann bzw. wie hast du erkannt, dass das nicht alles ist und dass du dich auf diesem Bereich weiterbilden möchtest?

Das war nicht ein einziger Moment, sondern ein sehr langer Prozess, bestehend aus vielen kleinen Situationen. Ich bin bei meinem alten Arbeitgeber durch Trainings und ein Leadership Training extrem gefördert worden und konnte dabei viel über Kommunikation, Konflikte und Verhandlung lernen. Mit der Mediationsausbildung habe ich außerdem ein ganz tolles System an die Hand bekommen, wie Konfliktlösung Hand in Hand gelingen kann. Grundsätzlich arbeite ich sehr gerne mit Systemen und Strukturen, aber das Erleben und Erspüren ist für mich mindestens genauso wichtig. Und zwar das Erleben, wie wir die Möglichkeiten für gute Lösungen in Konflikten vergrößern und unsere Beziehungen stärken können. Ich wusste irgendwann einfach, dass mich die persönliche und psychologische Seite von Verhandlungen noch viel mehr interessiert als die reinen Normen und Regeln. Denn Verhandeln ist auch eine emotionale Sache und es geht darum, sich selbst und den anderen zu verstehen und gleichzeitig eine harte Forderung durchzusetzen. Darüber wollte ich dann einfach mehr erfahren und die Neugierde hält auch weiterhin an - es ist ein endloses Entwicklungsfeld.

„she gets it“ ist dein Erfolgsmodell für Frauen in Verhandlungssituationen. Was ist das für ein Projekt und was macht es als Methode so besonders?

Meine Mission ist es, das Verhandeln für Frauen zu normalisieren und sie darin erfolgreich zu machen. Und zwar mit dem Ziel, dass Frauen gestalten und nicht gestaltet werden. Es geht nämlich nicht ums Gewinnen um jeden Preis, sondern ums Gestalten. Das Besondere an der Methode ist: Es geht neben einer guten Vorbereitung und starken Verhandlungstechniken vorwiegend um Empathie, um Klarheit und wahrhaftigen Kontakt. Das bedeutet: Wir dürfen auch in harten Verhandlungen uns selbst treu bleiben und gerade deshalb erfolgreich dabei sein. Genau dafür steht auch she gets it. Was mir dabei sehr wichtig ist, ist das Konzept nicht zu überfrachten. Es geht nicht um seitenlange Leitfäden, sondern um wenige Punkte, die man sich merken und dann auch real anwenden kann. Dabei hat natürlich alles, was ich mit der Methode nutze, einen wissenschaftlichen und bewährten Hintergrund. 

Als Unternehmensjuristin warst du selbst regelmäßig am Verhandlungstisch. Was hast du für dich aus diesen Situationen zum Thema „erfolgreiches Verhandeln“ mitgenommen?

Es ist schwer, das in wenigen Sätzen zusammenzufassen. Es gibt aber zwei Punkte, die ich besonders für Unternehmensjurist*innen relevant finde. Erstens: Eine gute Vorbereitung und ein gutes Team, das ist essentiell. Und dazu gehört auch ein guter Draht zu den Entscheidungsträgern im Unternehmen selbst, so z.B. zur Geschäftsführung. Zweitens: Es geht beim Verhandeln durch Jurist*innen nie nur ums Recht, es geht insbesondere um wirtschaftliche Zusammenhänge, versteckte Bedürfnisse und verdeckte persönliche Ziele der beteiligten Personen am Verhandlungstisch. Wenn man das erkannt hat, ist man in der Lage, die Verhandlung in die richtige Richtung zu lenken.

Ist die Arbeit als Unternehmensjuristin empfehlenswert, um Verhandlungserfahrung zu sammeln? Vielleicht sogar empfehlenswerter als die Arbeit einer klassischen Rechtsanwältin?

Das kann ich so pauschal nicht sagen. Es hängt sicherlich von der Tätigkeit ab, von der Größe der Kanzlei und der Organisation des Unternehmens. Oft sind nämlich Jurist*innen gar nicht an vorderster Front an den entscheidenden Verhandlungen beteiligt. Bei mir war es wiederum so, dass ich doch oft für die Verhandlungen zuständig war, weshalb ich in meinem Fall die Frage in jedem Fall mit „ja“ beantworten würde.

 

Eine Empfehlung meinerseits für jede Leserin: Man sollte möglichst viel im Alltag verhandeln, vom Müll rausbringen, über die Urlaubsregelung, bis hin zum Ehevertrag und im Job darum bitten bei Verhandlungen mitkommen zu dürfen. Denn Erfahrung sammeln ist immer das beste Training.

Warum glaubst du, tun sich nachweislich Frauen noch immer so schwer, wenn es ums Thema Verhandeln geht? Wieso fällt es ihnen so schwer, für sich und das, was sie wollen, einzustehen?

Hier möchte ich unbedingt differenzieren: Zunächst ist es mir wichtig zu sagen, dass Frauen hervorragende Verhandlerinnen sind, wenn sie tatsächlich verhandeln! Und trotzdem haben alle guten Verhandlerinnen und Verhandler individuelle Knöpfe, die dazu führen dass wir zu schnell ja oder nein sagen. Und genau darum geht es im Verhandeln, diesen Punkt rauszuzögern und lernen damit umzugehen.

 

Der Unterschied besteht häufig darin, dass Frauen weniger geübt haben, starke Forderungen auf den Tisch zu bringen. Laut einer amerikanischen Forschungsstudie initiieren Männer viermal häufiger Verhandlungen als Frauen. Und Frauen werden in einer fordernden Verhandlungsrolle immer noch negativer wahrgenommen als Männer - und zwar sowohl durch Frauen als auch Männer, meistens sogar durch sich selbst. Es gibt häufig von allen Seiten die Erwartung, dass sich Frauen mehr um die Beziehung innerhalb der Verhandlung kümmern sollten. Und das halten viele, auch die Frauen selbst, für eine Schwäche. Das stimmt aber gar nicht. Genau genommen ist es sogar eine Stärke, denn es geht in einer Verhandlung ja gerade darum, eine Beziehung aufzubauen - man will ja schließlich danach zusammen arbeiten. Beziehung bedeutet aber eben nicht nur auf den anderen zu schauen, sondern sich auch gut selbst zu vertreten. Ganz generell ist deshalb mein Ansatz zu allen Herausforderungen, dass wir unsere vermeintlichen Schwächen zu Stärken machen. Genau dafür gibt es Methoden. Letztlich ist das eine Form von Selbstmanagement an der Stelle und das dürfen und können Frauen lernen. 

Würde es, deiner Meinung nach, der juristischen Ausbildung gut tun, wenn sie insgesamt mehr Gewicht auf Mediation und Verhandlungstraining legen würde? Wenn ja, warum? 

Ja, unbedingt. Wir Jurist*innen tragen eine große Verantwortung für unsere Mandanten und sind oft selbst in Führungspositionen tätig. Für all diese Rollen sind Konflikt- und Verhandlungsfähigkeiten essentiell. Es sollte deshalb auf jeden Fall für alle Studierenden Trainings geben zum Thema „Verhandeln“, damit man schon früh anfängt es zu üben.

Du bist auch Mutter von zwei Kindern. Wie bekommst du all deine Verpflichtungen in so vielen Bereichen unter einen Hut?

Unsere Kinder sind ja schon recht groß (12 und 14 Jahre). Meine Tochter habe ich kurz nach dem zweiten Examen bekommen und der Berufsstart mit Baby war schon oft sehr hart. Aber es wird alles leichter und einfacher mit der Zeit. 
Heute sind drei Dinge hilfreich: Erstens, ich kann mir meine Arbeit sehr gut frei einteilen und ich versuche mir regelmäßig Auszeiten für mich selbst zu nehmen. Der zweite Punkt ist die Beziehung zwischen mir und meinem Mann. Wir unterstützen uns wirklich auf Augenhöhe und sehr wertschätzend im Hinblick auf beide unserer Jobs. Das hilft uns gegenseitig Termine zu familienunfreundlichen Zeiten wahrzunehmen oder zu reisen. Aber es ist natürlich sehr wichtig diese Themen je nach Lebensphase und Alter der Kinder immer wieder neu auszuhandeln, das ist letztlich DIE Form von agiler Verhandlung. Wir machen das eigentlich sehr gut. Der letzte Punkt ist, dass wir unsere Kinder zu sehr viel Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit erziehen, weshalb wir nicht so viel unterstützen müssen, wenn es um Hobbys, Freunde usw. geht. Wir coachen sie da eher als mit dem Helikopter über ihnen zu schweben
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Wendest du auch zu Hause gegenüber deiner Familie deine Verhandlungsskills an? Ist das hilfreich? Oder kennen alle schon deine Tricks?

(lacht) Klar wende ich die auch zu Hause an und es ist mir eine große Freude zu sehen, wie viel sich unsere Kinder dabei abschauen und welche Fähigkeiten sie dadurch entwickeln, um uns als Eltern wieder zu überzeugen. Das hilft ihnen natürlich auch dabei, Konflikte mit Mitschülern oder Lehrern selbst zu klären. Im Endeffekt ist das reines Empowerment, das allen Beteiligten hilft.

Hast du ganz spontan einige Tipps parat, die unsere Leser*innen ad hoc umsetzen können, um ihren persönlichen Erfolg beim Verhandeln im Arbeitsalltag oder im Privaten zu steigern?

 

Ich habe drei Tipps, die ich wichtig finde: Erstens, lerne dich selbst und andere besser zu verstehen und dich darüber mitzuteilen. Wertschätzung für Unterschiedlichkeit ist sehr schwierig, aber im Ergebnis absolut lohnend und alles was du in der Richtung tust, wird dich in der Verhandlung stärken. Der zweite Tipp: Bereite dich gut auf jede Verhandlung vor und bleibe dann innerlich offen für Überraschungen. Hier hilft dir der erste Tipp standfest zu bleiben, wenn etwas anders läuft als erwartet. Der dritte Tipp ist: Lerne die Technik des Ankerns. Nenne nach Möglichkeit zuerst eine Zahl (z.B. einen Preis), denn danach kann dein Gegenüber nur noch Umgebungsinformationen um diese Zahl wahrnehmen.

Zum Abschluss, bekommst du durch deine vielen Verhandlungsskills am Ende immer was du willst?

(lacht) Zu Hause sicherlich nicht, aber im beruflichen Kontext fühlen sich meine eigenen Verhandlungen tatsächlich gar nicht mehr wie eigene harte Verhandlungen an, auch wenn es um Preise oder ähnliches geht. Am Ende fühlen sich die Verhandlungsergebnisse immer sehr zufriedenstellend an. Und gleichzeitig kreiere ich gute Kundenbeziehungen und das ist mir das Wichtigste.

Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Nadja von Saldern inspiriert mich sehr. Sie ist ausgebildete Volljuristin und heute Familienmediatorin, Paartherapeutin und Autorin des Buches „Glücklich getrennt“. Ich bewundere ihre Haltung, ihr echtes Interesse und eine große Ruhe, mit denen sie Menschen begegnet und durch schwierige Situationen begleitet.

Vielen Dank für das spannende Interview! 

Potsdam/Heidelberg, 26. April 2021. Das Interview führte Alicia Pointner.

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