Christiane Dahlbender im Porträt
"Folgen Sie Ihrem Kompass, seien Sie mutig und sehen Sie neue Herausforderungen als Chance!"
Christiane Dahlbender, Associate General Counsel Compliance EMEA & Global Sales bei Mars Inc., über die schwierige Planbarkeit von Karriere, den Sprung ins kalte Wasser und über persönliche Ziele als Kompass auf dem Lebensweg.
Frau Dahlbender, Sie sind Associate General Counsel bei Mars Inc. und beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit Fragen des Kartellrechtes. Vorher waren Sie über 12 Jahre bei Sara Lee Inc. tätig und haben dort die Rechtsabteilung für die D-A-CH Region aufgebaut. Wie kam es dazu, dass Sie Unternehmensjuristin geworden sind?
Den Plan Unternehmensjuristin zu werden hatte ich bei meiner Einschulung definitiv noch nicht! Als ich mein Abitur gemacht hatte, wusste ich, dass ich studieren wollte. Damals gab es eigentlich nur drei Studienfächer über die ich und meine Klassenkameraden nachgedacht haben: Medizin, BWL oder Jura. Jura war für mich ein Fach, das nicht nur eine intellektuelle Herausforderung darstellte, sondern bei dem ich mich auch meiner großen Leidenschaft, der Sprache, widmen konnte. Innerhalb der juristischen Ausbildung war sicherlich die Referendarzeit, die interessanteste Zeit - das war Jura "live"! Allerdings wusste man damals überhaupt nicht, welche Möglichkeiten eine juristische Ausbildung bietet. Kontakt zu Unternehmensjuristen gab es nicht. Man bekam nur die "klassischen" juristischen Berufe näher gebracht, wie Richter, Staatsanwalt oder Anwalt - aber tatsächlich gibt es mehr.
Als ich in meiner Gerichtsstage einen sehr spannenden Fall zum Markenrecht begleiten durfte, wollte ich in dieses Rechtsgebiet tiefer einsteigen. Deswegen habe ich meine Anwaltsstage bei einem Rechtsanwalt für Markenrecht absolviert. Nach dem 2. Staatsexamen habe ich mich dann aber nicht bei einer Kanzlei beworben, sondern die Möglichkeit bekommen bei Sara Lee in Deutschland die Rechtsabteilung aufzubauen. Das war ein großes amerikanisches Unternehmen, das Kosmetika und Kaffee produziert und auch vertrieben hat, und sich damals gerade im Aufbau der deutschen Niederlassung befand. Hier brauchte man dringend arbeitsrechtliche Unterstützung (das war mein Schwerpunkt). Ich wollte diesen Job unbedingt und bin ziemlich nervös in das Gespräch gegangen, weil ich ja außer meinem 2. Staatsexamen überhaupt keine Berufserfahrung hatte. Aber das störte den Personalleiter nicht, er hatte von mir den Eindruck, dass ich das "hinbekomme". Und da zeigt sich auch, wie wichtig es ist, in entscheidenden Momenten die richtigen Menschen an seiner Seite zu haben. Wäre er ein anderer gewesen, der vielleicht nur Juristen mit Berufserfahrung einstellt, hätte ich keine Chance gehabt. So bin ich an meinen ersten Job gekommen. Ich habe dann anfänglich tatsächlich insbesondere die Personalabteilung beraten. Nach kurzer Zeit kamen immer mehr Fragen aus anderen Abteilungen dazu, so dass man mir nach kurzer Zeit die Gesamtverantwortung übertrug. Ich arbeitete generalistisch und das machte mir viel Spaß, sodass ich meine Herausforderungen auch in der Zukunft fast immer in der Vielfältigkeit gesucht habe. Aber natürlich hatte ich auch meine Zweifel, gerade in der Anfangszeit bei Sara Lee. Da gab es schon die eine oder andere schlaflose Nacht, in der ich mich gefragt habe, ob ich das heute alles so richtig gemacht habe!
Aber den Weg habe ich nie bereut, ich habe alles schon einmal selbst gemacht, was man als Justitiar wissen muss. Als ich anschließend zu Mars gewechselt bin, habe ich weiter einen generalistischen Ansatz verfolgt und dann sehr viel Erfahrung auf internationaler Ebene gesammelt. Das Kartellrecht wurde übrigens auch schon zu Sara Lee-Zeiten immer mehr mein Schwerpunktgebiet, heute bin ich in dieses Thema global involviert.
Was war für Sie prägend im Hinblick auf Ihren beruflichen Erfolg?
Ich habe eine sehr starke und positive Prägung durch meinen Vater in meiner Kindheit erfahren. Rückblickend muss ist sagen, dass er mich überhaupt nicht "mädchenhaft" erzogen hat (nach dem Motto: "sei schön brav und pass auf"), sondern derjenige war, der mich immer dazu ermutigt hat, meinen Weg zu gehen und auch nach Niederlagen wieder aufzustehen.
Im Übrigen ist Familie, wenn sich das ergibt, toll, aber auf keinen Fall der Anlass, den eigenen beruflichen Weg nicht weiterzugehen.
Associate General Counsel, General Legal Counsel, Senior Legal Counsel - dies sind alles Positionen, die Sie bisher bekleidet haben. Was verbirgt sich konkret hinter diesen Begrifflichkeiten?
Das ist extrem schwierig zu verallgemeinern, da in jedem Unternehmen die Positionsbezeichnungen ganz unterschiedlich sind oder ähnlich, aber einen ganz anderen Job beschreiben. Der einzige Begriff, der meistens gleich ist, ist der VP Legal - das ist der Kopf der Rechtsabteilung. Alle anderen Begriffe geben bestimmte Erfahrungsstufen wieder. Ein General Counsel hat in der Regel über 10 Jahre Berufserfahrung, ein Senior Legal Counsel etwa 5 bis 6 Jahre Berufserfahrung, aber verallgemeinern kann man das, wie gesagt, nicht. Mars verfolgt jedenfalls das Ziel, Karrierestufen sichtbarer und damit auch erreichbarer zu machen, das ist sicherlich eine große Motivation für alle Kollegen und Kolleginnen der Rechtsabteilung.
Was wäre Ihrer Meinung nach denn eine sinnvolle Methode, um Karrierewege von Frauen zu fördern?
Ich glaube nicht, dass es da die eine richtige Methode gibt. Frauenförderung um jeden Preis ist unglaubwürdig. Eine Quote ist gut, um Türen zu öffnen, beweisen muss sich aber jede Frau wie jeder Mann, langfristig hilft da keine Quote. Meiner Meinung nach ist es viel wichtiger, die richtige Mentalität im Unternehmen verankert zu haben. Ist die Unternehmensphilosophie darauf ausgelegt, Männer und Frauen gleich zu behandeln, so wird dies für jeden Entscheidungsprozess die Grundlage sein. Das soll nun nicht heißen, dass es reicht, sich eine bestimmte Philosophie auf die Fahne zu schreiben. Diese muss vielmehr von allen Mitarbeitern im Unternehmen verinnerlicht werden.
Bei uns im Unternehmen wird jede Stelle in der Rechtsabteilung, die neu zu besetzen ist, für alle Mitarbeiter transparent gemacht. Jeder kann sich auf die Stelle bewerben. Nach dem Einreichen der Unterlagen, Vorgesprächen etc. kann es dann eine Einladung zu einem sogenannten Panel geben, das aus Juristen und Nicht-Juristen, Männern und Frauen besteht, bei dem die Bewerber (meist drei oder vier) einen Business Case bearbeiten müssen und damit ihre Herangehensweise an bestimmte Themen unter Beweis stellen . Das Panel trifft dann auch gemeinsam die Entscheidung, wer den Job bekommen soll.
Ist Karriere Ihrer Ansicht nach denn überhaupt planbar?
Nein, meiner Meinung nach ist sie das nicht. Dafür spielen einfach zu viele Faktoren eine Rolle, die man persönlich gar nicht planen kann: die Menschen, mit denen man zusammenarbeitet, die Themen, die man zu bewältigen hat, die Herausforderungen, die einem gestellt werden und denen man sich stellt, Entscheidungen, die zu treffen sind und Chancen, die man bekommen muss.
Ich glaube, es ist viel wichtiger persönliche Ziele zu haben, weil Karriere für jeden auch etwas anderes bedeutet. Man sollte eine bestimmte Vorstellung von seinem Weg und seinen Wünschen haben, wissen, dass man manchmal einen Schritt zur Seite gehen muss, um danach einen nach vorne zu gehen. Außerdem sollte man Geduld haben und Dinge aushalten können, die einen im Moment überhaupt nicht zufrieden machen. Hat man aber seine persönlichen Ziele verinnerlicht, so kann man diesen wie einem inneren Kompass folgen.
Ich wusste beispielsweise immer, dass ich Verantwortung übernehmen möchte und dass mein Arbeitsumfeld ein internationales sein sollte. Das konnte ich an Tag 1 meines Berufseinstieges natürlich nicht sofort umsetzten. Man muss dann eben gucken wie man dahin kommt und sich dementsprechend entwickeln. Man sollte mutig und empathisch sein - und vor allem gut zuhören. Ganz wichtig ist es auch, immer offen für neue Herausforderungen zu sein.
Als ich vor circa 8 Jahren von einem Headhunter für die Stelle bei Mars angesprochen wurde, war ich seit 12 Jahren für Sara Lee tätig und wusste, wie das Unternehmen funktioniert und kannte dort sehr viele Kollegen. Eigentlich eine ganz angenehme Situation. Zudem hatte ich ein halbes Jahr zuvor meine Zwillinge bekommen. Also diese Situation schrie ja nun nicht unbedingt nach Veränderung! Trotzdem reizte mich die Aufgabe, ich bin zu dem Gespräch gefahren, habe weitere Gespräche geführt und hatte dann plötzlich das Jobangebot auf dem Tisch. Natürlich haben mich alle für wahnsinnig erklärt! Der neue Arbeitsplatz bedeutete ein neues Umfeld, einen wesentlich längeren Arbeitsweg, mehr Dienstreisen und die Ungewissheit, ob das alles gut gehen wird. Inzwischen bin ich ja schon einige Jahre bei Mars und es ist tatsächlich alles gut gegangen, aber auch wenn ich gescheitert wäre, hätte ich diesen Schritt gehen müssen. Hätte ich nämlich diese Stelle nicht angenommen, wäre mein innerer Kompass total durcheinander gekommen. Ich wollte mehr Verantwortung, mehr Internationalität und bei Sara Lee zu bleiben, wäre einfach nicht richtig gewesen. Auch wenn ich mich dort wahnsinnig wohl gefühlt habe und mich heute noch sehr mit meinen Kollegen von damals verbunden fühle.
In einem Interview haben Sie mal gesagt, dass man als Frau nicht unbedingt lernt Zeit außerhalb der Arbeitszeit einzufordern, die man sodann die Karriere steckt. Als Folge daraus lernt Frau dann auch nicht die Spielregeln des Unternehmens kennen. Was meinen Sie damit genau?
Damit ist nicht nur der Drink abends an der Bar gemeint, sondern einfach dass Frauen lernen müssen zu "netzwerken". Das fängt damit an, dass man nicht immer nur mit der eigenen Abteilung oder dem gleichen Kreis Kollegen Mittag essen geht. Oder dass die Mittagspause immer am Schreibtisch verbracht wird, um alles abzuarbeiten, damit man abends früher nach Hause gehen kann. Das ist nicht nur ungesund, sondern isoliert einen Menschen auch. Klar, manchmal muss man das manchmal machen, weil man unter Zeitdruck steht, aber als Dauereinrichtung ist das auf jeden Fall falsch.
Als ich bei Mars angefangen habe, gab es keine Abteilung, zu der ich gehörte, da es damals in Europa nur ganz wenig Juristen gab, die sich um verschiedene Regionen kümmerten. Das war schon nicht ganz so einfach, aber diese Herausforderung bot die Chance alle kennenzulernen. Ich habe mit vielen Kollegen aus den unterschiedlichsten Abteilungen zusammengearbeitet und bin mit allen abwechselnd Kaffeetrinken und Mittagessen gegangen. Dadurch habe ich das Unternehmen und auch seine Arbeitsabläufe wesentlich besser verstanden und konnte mir auch viel Hilfe und Ratschläge einholen, wenn ich mal nicht weiter wusste. Natürlich bin ich ab und an abends möglichst früh nach Hause gefahren, um bei meinen Kindern zu sein und habe dafür auch mal die Mittagspause ausgelassen. Aber eben nicht immer. Und auch beim letzten Cocktail (ich mag kein Bier!) an der Bar war ich nicht immer dabei, ab und zu aber schon! Wichtig ist es aber vor allem, immer offen für andere Menschen zu sein und ein ehrliches Interesse für ihre Themen zu haben. Das kann ich auch als generellen Tipp geben: gehen Sie auf andere Menschen zu, sei es im direkten beruflichen Umfeld, bei Vorträgen oder im Rahmen von Konferenzen. Alle freuen sich darüber angesprochen zu werden.
Sie sind im Bundesverband der Unternehmensjuristen (BUJ) aktiv, haben dort die Fachgruppe All4Women gegründet und sind auch deren Leiterin. Als Ziel hat die Fachgruppe sich das Folgende auf die Fahne geschrieben: "Encouraging, empowering and supporting strong women to become great leaders".Wie kam es zur Gründung dieser Fachgruppe?
Sieht man sich Zahlen zu Führungskräften in Rechtsabteilungen an, so muss man ernüchtert feststellen, dass es gerade einmal 10 Prozent weibliche General Counsels gibt. Als ich das las, war ich wirklich überrascht, da man irgendwie das Gefühl hat, dass es gerade in Rechtsabteilungen von Unternehmen viele Frauen gibt. Das ist auch so, die Leitung dieser Abteilung liegt aber einfach überwiegend bei Männern. Mich hat ganz persönlich die Frage nach dem "Warum" umgetrieben und so habe ich angefangen Vorträge zu diesem Thema zu halten. Und nach einem dieser Vorträge zu "Women in Leadership Positions" bei einem Kongress des BUJ wurde ich von vielen Frauen angesprochen, die sich in all ihren Zweifeln und Wünschen in meiner Darstellung wiedergefunden hatten. Es war ganz offensichtlich, dass es ein echtes Bedürfnis gab, ein Medium einzurichten, das junge Juristinnen nach vorne bringt. Deshalb hat der BUJ die Fachgruppe all4women eingerichtet. Wir beschäftigen uns in einem Kernteam mit der Entwicklung von Workshops (z.B. Erfolgreich verhandeln - aber wie?, Personal Branding etc.), die bundesweit für BUJ-Mitglieder angeboten werden. In 2019 werden wir auch einen Kongress zum Thema "ich WILL - Women In Legal Leadership" veranstalten. Wir sind ein Netzwerk innerhalb des BUJ für Frauen, vermitteln Speakerslots bei Konferenzen (das ist so wichtig zu üben!), stellen sicher, dass Frauen in der Verbandszeitschrift ausreichend zu Wort kommen und stehen auch sonst mit Rat und Tat jeder Kollegin zur Seite.
Was mich heute immer noch etwas ratlos macht, ist der Umstand, dass das klassische Rollenbild (Frau steht am Herd und Mann geht arbeiten und macht Karriere) in unserer Gesellschaft noch so sehr präsent ist. Anders ist das beispielsweise in Frankreich. Aber ich denke, dass langsam ein Veränderungsprozess in Gang kommt, da die jungen Männer heute nicht mehr 24/7 arbeiten wollen und es ihnen auch wichtig ist, sich mit ihren Kindern zu beschäftigen. Dieser Umstand wird die Unternehmen meiner Meinung nach langfristig zu einem Umdenken zwingen.
Sie selbst sind Mutter von fünf Kindern. Wie haben Sie Ihre Berufstätigkeit und die Organisation der Familie vereinbart?
Interessanterweise wird meinem Mann diese Frage nicht gestellt, da heißt es nur "Ach, Sie haben 5 Kinder, das ist ja toll!" (lacht) Aber im Ernst: es bedarf einer riesigen Organisation, um Kinder und Berufstätigkeit unter einen Hut zu bekommen. Als die Kinder noch kleiner waren, hatten wir immer Hilfe. Manchmal hatte ich das Gefühl, ich arbeite nur, um die Betreuung meiner Kinder zu ermöglichen, was ein wenig paradox ist. Aber das ist dann einfach eine Investition in die Zukunft!
Was mich immer irritiert hat, war das schlechte Gewissen, das mir andere einreden wollten. Ja, ich habe oft das Laternenbasteln in der Schule verpasst, habe aber dafür abends noch eine extra Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen. Und auch für das Kuchenbuffet habe ich selten einen Kuchen gebacken, dafür aber am Samstag auf dem Sommerfest der Schule super den Kuchen der anderen verkauft. Was ich damit sagen will: man braucht ein dickes Fell. Es tut gut Gleichgesinnte zu finden, die genauso unperfekt sind, wie man selbst! Und das tut dann gut.
Sicherlich muss ich für mich selbst oft zurückstecken, Zeit für mich ist rar. Man muss versuchen, sich feste Inseln zu etablieren. Sonntagmorgens vor allen aufstehen, um Sport zu machen oder mal in Ruhe die Zeitung zu lesen. Immer mit den Freunden in Kontakt bleiben - und wenn es der Anruf aus dem Taxi auf dem Weg zum Flughafen ist, Qualität vor Quantität. Meine Familie ist für mich sicherlich das höchste Gut und Wichtigste im Leben. Ich selbst bin Einzelkind und wollte immer viele Kinder haben und als dann nach drei Kindern die Zwillinge kamen, waren es plötzlich fünf. Soviel auch hier zum Thema "Planbarkeit"!
Alle fünf Kinder habe ich übrigens während meiner Zeit bei Sara Lee bekommen und wurde dort immer super unterstützt. Sonst hätte das alles auch nicht so gut funktioniert. Wenn mal ein Kind krank war und ich früher nach Hause gehen musste, um es aus dem Kindergarten abzuholen oder einfach alle ins Bett zu bringen, war das nie ein Problem. Dafür habe ich auch viel abends gearbeitet, nachdem die Kinder im Bett waren. Insgesamt war das einfach ein Geben und Nehmen und das hat wunderbar funktioniert. Heute sind meine Kinder größer und sehr selbständig, sehr interessiert und offen für die Welt. Das macht mich stolz.
Gibt es einen Rat in Bezug auf die Familienplanung, den Sie jungen Juristen und Juristinnen geben möchten?
Ich glaube, dass das jeder für sich selbst entscheiden muss. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass Familie und Kinder nicht unbedingt planbar sind. Es kommt einfach darauf an, was für einen selbst passt. Manch einer ist schon während des Studiums bereit, Kinder zu bekommen, während andere erstmal im Job Fuß fassen wollen. Hier muss man vielleicht aber aufpassen, dass man nicht immer auf die nächste Stufe der Karriereleiter starrt und auf den "richtigen Zeitpunkt" wartet. Den gibt es nämlich nicht. Man sollte mehr auf seine innere Stimme hören, dann passt das schon! Und wenn diese sagt, dass es für einen besser passt keine Kinder zu bekommen, dann ist das auch völlig in Ordnung. Ich finde es immer unglaublich, dass sich Freundinnen von mir rechtfertigen müssen, die diese Entscheidung für sich getroffen haben.
Eine Kollegin sagte mal zu Ihnen, dass, wenn Sie Ihre Berufstätigkeit mit fünf Kindern vereinbaren können, sie selbst das auch mit einem Kind hinzubekommen hoffe. Ein großartiges Kompliment! Außerdem halten Sie auch Vorträge zu "Women in Leadership Positions". Sehen Sie sich selbst als Vorbild?
Kann man das überhaupt von sich selbst sagen? In vielerlei Hinsicht würde ich mich überhaupt nicht als Vorbild sehen. Ich bin sehr gerne "Mutmacherin" und helfe den Frauen, die auf mich zukommen und um Rat fragen mit Freude weiter. Vielleicht gibt ihnen das manchmal den nötigen Schubs in die richtige Richtung. Ob ich dann ein Vorbild für sie war, müssen Sie sie schon selbst fragen!
Wie nehmen Sie die Förderung von Frauen allgemein (egal ob mit und ohne Kinder) in Unternehmen wahr?
Ich war nur in amerikanischen Unternehmen tätig und dort habe ich nie erlebt, dass Männer und Frauen nicht gleich behandelt wurden. Gute Frauen wurden genauso gefördert wie gute Männer und das ist ja auch nur gerecht.
Haben Sie selbst in Ihrer beruflichen Laufbahn Unterstützung durch andere, vielleicht auch erfahrenere Frauen erhalten? Oder hätten Sie sich eine solche Unterstützung gewünscht?
Ich wurde in meiner beruflichen Laufbahn eigentlich nur von Männern unterstützt, was aber insbesondere daran lag, dass es in meinem Umfeld im Unternehmen in Führungspositionen kaum Frauen gab. Es gab eine externe Anwältin, mit der ich zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn viel zusammengearbeitet habe. Sie war sicherlich ein Vorbild für mich: immer freundlich, immer forsch, immer auf den Punkt und immer transparent. Sie hat mir viel beigebracht, obwohl sie wusste, dass mit diesem Wissenstransfer automatisch weniger Mandate für sie verbleiben. Sie hat es dennoch gemacht und mir nie Informationen vorenthalten. Ihre ganze Art der Zusammenarbeit habe ich mir deshalb immer zum Vorbild genommen.
Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?
Frau Dr. Andrea Lensing-Kramer, Partnerin bei Freshfields Bruckhaus Deringer, aus den oben genannten Gründen.
Vielen Dank für das spannende und offene Gespräch!
Köln / Frankfurt, 8. November 2018. Das Interview führte Karen Kelat.
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