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Ann-Kathrin Ludwig und Felicitas Famulla im Porträt

 

„Wir wollen einen unterstützenden Raum für Nachwuchsjurist*innen schaffen."

Ann-Kathrin Ludwig, Associate bei A&O Shearman, und Felicitas Famulla, Doktorandin und Regierungsrätin bei einer Bundesoberbehörde, über die von ihnen gegründete Initiative „Legally Female“ mit einem Mentoringprogramm für Nachwuchsjurist*innen sowie die Vereinbarkeit von Hauptberuf und Ehrenamt.

Liebe Felicitas, von August 2022 bis Dezember 2024 warst Du als Rechtsanwältin im Bereich M&A bei Taylor Wessing (TW), zunächst als Associate und später als Knowledge Lawyer tätig. Zudem promovierst Du im Strafrecht. Wie ist es dazu gekommen?

Felicitas: Während meines Studiums entdeckte ich meine Leidenschaft für das Strafrecht. Die Faszination für menschliche Abgründe und Kriminologie führten mich zur Promotion in diesem Bereich. Gleichzeitig lernte ich in einer Großkanzlei die spannende Welt des Gesellschaftsrechts kennen. Diese Arbeit weckte mein Interesse für wirtschaftliche Zusammenhänge und die rechtlichen Strukturen von Unternehmen. Letztendlich fand ich im Gesellschaftsrecht eine perfekte Balance zwischen intellektueller Herausforderung und persönlicher Erfüllung, während ich mir eine klassische Tätigkeit als Strafverteidigerin nicht vorstellen konnte.

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Liebe Ann-Kathrin, Du arbeitest seit 2023 im Bereich Debt Finance / Leveraged Finance als Associate bei Allen & Overy Shearman. Zuvor warst Du mehrere Jahre als Wissenschaftliche Mitarbeiterin in diesem Bereich tätig. Wie hast Du Finance als Rechtsgebiet für Dich entdeckt?​

Ann-Kathrin: Tatsächlich recht unspektakulär. Nach Tätigkeiten in den Bereichen M&A und Kapitalmarktrecht bot sich mir die Gelegenheit, bei (damals noch) Allen & Overy studentische Mitarbeiterin im Bereich Project Finance zu werden. Ich hatte keine genauen Vorstellungen, aber war neugierig – und habe diese Entscheidung seitdem nie bereut. Mittlerweile bin ich schwerpunktmäßig im Bereich Leveraged & Acquisition Finance tätig und habe großen Spaß an der sehr abwechslungsreichen Tätigkeit.

Wie habt Ihr Euch kennengelernt?

Ann-Kathrin: Wir haben uns parallel auf die Examina (Feli auf das zweite, ich auf das erste Examen) vorbereitet und waren in einer Lerngruppe. Gemeinsames Leid verbindet ja bekanntlich. Wir haben schnell gemerkt, dass wir auch über Jura hinaus viele Gemeinsamkeiten haben und ähnlich ticken.

Wie entstand die Idee zur Gründung von Legally Female als Organisation?

Ann-Kathrin: Ich hatte diese Idee schon seit vielen Jahren, da ich selbst sehr positive Erfahrungen mit Mentoring gemacht habe und diese gern weitergeben wollte. Mein Eindruck verstärkte sich zunehmend, dass insbesondere Frauen es in der juristischen Bubble nach wie vor schwer haben, und ich suchte nach einer Möglichkeit, mich zu engagieren. Da ich auf dem Markt kein „passendes“ Programm fand, entstand die Idee einer Gründung. Alleine habe ich mich aber nie getraut und erzählte im Jahr 2019 Feli als erster Person davon. Ihr sofortiges „Das machen wir!“ gab den Anstoß für unsere gemeinsame Gründung

Was verbirgt sich hinter Legally Female als Initiative?

Felicitas: Das Netzwerk Legally Female wurde gegründet, um Nachwuchsjuristinnen zu unterstützen und zu motivieren, ihre juristische Karriere selbstbewusst voranzutreiben. Kernstück von Legally Female ist das kostenlose 1:1- Mentoringprogramm. Hierbei werden Nachwuchsjuristinnen mit erfahreneren Juristinnen zusammengebracht, um von deren Wissen und Erfahrungen zu profitieren. Die Mentorinnen bieten wertvolle Einblicke in die Praxis, Ratschläge zur Karriereentwicklung und Unterstützung bei beruflichen Herausforderungen. Durch dieses persönliche Mentoring wird nicht nur die berufliche Entwicklung gefördert, sondern auch das Selbstbewusstsein der Mentees gestärkt. Neben dem Mentoringprogramm organisiert Legally Female eine Vielzahl von Workshops und Events, die verschiedene Themenbereiche abdecken, die für junge Juristinnen relevant sind. Dazu gehören Workshops zu den Themen Bewerbungstraining, Karriereplanung und mentale Gesundheit. Diese Veranstaltungen bieten zudem die Möglichkeit, sich zu vernetzen, Erfahrungen auszutauschen und wertvolle Kontakte zu knüpfen. Ein wichtiger Aspekt von Legally Female ist die Schaffung eines sicheren und unterstützenden Raums für die Mitglieder. Die Plattform ermöglicht es Nachwuchsjuristinnen, sich offen über ihre Erfahrungen und Herausforderungen auszutauschen, ohne Angst vor Bewertung oder Kritik. Ein solches Umfeld ist essentiell, um das Selbstbewusstsein und die berufliche Entwicklung der Mitglieder zu fördern. Dadurch setzt sich Legally Female bewusst von internen Mentoringprogrammen ab, wie es sie bereits in einigen Kanzleien und Unternehmen gibt.

Habt Ihr bereits selbst vor der Gründung von Legally Female Erfahrungen als Mentorin oder Mentee gesammelt?

 

Ann-Kathrin: Ich durfte im Rahmen eines Praktikums eine damals frisch gebackene Partnerin kennenlernen, die mich auch im Nachgang als Mentorin betreut hat und von der ich unglaublich viel gelernt habe. Privat engagiere ich mich als Mentorin beim Netzwerk Chancen.

Ihr habt Legally Female bereits bei Events, wie der Juracon, vor einem großen Publikum vorgestellt und seid bei Social Media aktiv (@legally_female). Wie geht Ihr mit Auftritten vor einem größeren Publikum um und bereitet euch darauf vor? 

Ann-Kathrin: Üben, üben, üben. Das Lampenfieber geht nie weg und mir z.B. fällt es nach wie vor sehr schwer, in die Kamera zu sprechen – live geht dafür besser. Zu wissen, dass wir nicht nur ein fantastisches Team, sondern auch eine tolle Community im Rücken haben, macht große Auftritte aber wesentlich leichter. Und letztendlich brennen wir für unser Thema und möchten möglichst viel weitergeben, da lässt sich die ein oder andere Nervosität ganz gut herunterschlucken.

 

Felicitas: Es wäre gelogen, wenn wir sagen würden, dass wir vor größeren Auftritten, wie unseren Vorträgen bei der Juracon oder einem Panel-Talk nicht aufgeregt wären. Was sehr hilft, ist das Feedback, welches wir seit Beginn aus der Community aber auch von Kooperationspartnern und Presse erhalten haben. Das bestärkt uns in unserer Tätigkeit und hilft dabei, auch einmal über den eigenen Schatten zu springen und bspw. Vorträge zu halten – eine Tätigkeit, die eher zu meinen persönlichen Schwächen gehört. Bei Social Media war das Feedback nahezu durchgehend positiv – von „Mensplaining“ an unserem Design als „zu pink“ einmal abgesehen, was wir allerdings nicht ernst nehmen. Schließlich entscheiden wir über das Branding unseres Unternehmens.

Wie schafft Ihr es, die verschiedenen Tätigkeiten, also die Haupttätigkeit in der Kanzlei mit der Promotion und dem Ehrenamt, zu vereinbaren? 

Ann-Kathrin: Niemals still sitzen können ist sehr von Vorteil. Im Ernst: Ich kann nicht gut „nichts“ tun und jegliche Freizeit ist vollgepackt mit Hobbys, Legally Female, Sport etc. In stressigen Zeiten ist das nicht immer einfach und wenn es hart auf hart kommt, muss Legally Female mal hinten anstehen, unsere Berufe haben immer Priorität. Wir können uns gut gegenseitig den Rücken freihalten und planen alle Aktivitäten rund um Legally Female so, dass wir sie möglichst stressfrei in unserer Freizeit erledigen können.

Was sind Eurer Einschätzung nach die Anforderungen an Arbeitgeber*innen der Zukunft, auch bezüglich der Gleichstellung der Geschlechter? 

Felicitas: Mir ist es sehr wichtig, dass alle Geschlechter – nicht nur im Arbeitsmarkt – wirklich gleichberechtigt und geschätzt (!) sind. Bis dahin ist es noch ein langer Weg. Die Anforderungen sind weitreichend und umfangreich, seien es flexible Arbeitszeiten oder keine Diskriminierung von Teilzeittätigkeiten. Aber auch die Ermöglichung einer Rückkehr in Vollzeit bis hin zur Unterstützung von Frauen bei und Ermutigung der Männer, dahingehend dass eine Vereinbarkeit von Familiengründung und Karriereplanung nicht nur Sache der Frau ist, sondern von beiden übernommen werden sollte.

Ann-Kathrin: Wir erleben die Jurist*innen der Zukunft als durchaus leistungsbereiten Nachwuchs, der einen großen Fokus auf sinnstiftendes Arbeiten setzt. Arbeit muss zum jeweiligen Lebensentwurf passen, nicht (mehr) andersherum. Davon kann man halten, was man möchte, wir sehen jedenfalls einen Wandel auf dem Arbeitsmarkt

Wie fördern Eure (ehemaligen) Arbeitgeber Euer jeweiliges Engagement? 

Felicitas: Bei Taylor Wessing (Anm. d. Red.: dem ehemaligen Arbeitgeber von Felicitas) arbeiten ca. 40 % der Equity Partnerinnen in Teilzeit. 55 % der Associates, 59 % der Senior Associates, 32 % der Salary-Partner*innen und 89 % der Knowledge Management Lawyer sind weiblich. Von den Salary Partner*innen arbeiten 56 % und von den weiblichen Senior Associates 42 % in Teilzeit. Das Engagement von Taylor Wessing ist vielfältig und umfasst beispielsweise: Engagement des Diversity Councils, Workshops zum Abbau von Unconscious Bias und Impulsvorträge für alle, International Women’s Leadership Programme, TW Talk „Ungeschminkt“ mit Equity Partnerinnen, Ladies Lunch & Anwältinnen Jour Fixe, Eltern-Kind-Büro, Mentorinnen-Programm, flexibles Arbeiten / Homeoffice Regelung, Mitgliedschaft/Förderung von ALICE - Das Karrierenetzwerk für LGBTIQ+, Charta der Vielfalt, EWMD (European Women’s Management Development, DIS-ERA Pledge Gender Champion Initiative) und Legally Female, Workshop „Female Leadership“ sowie Workshop für Juristinnen: „Starke Stimme, starker Auftritt“.

 

Ann-Kathrin: Ich selbst erlebe meinen Arbeitgeber als großen Förderer von nebenberuflichem Engagement und bin stolz und dankbar, die Möglichkeit zu haben, Legally Female neben meiner Tätigkeit als Rechtsanwältin führen zu können.

 

Was möchtet Ihr anderen Jurist*innen, insbesondere in Ausbildung, mit auf ihren weiteren Weg geben? 

Ann-Kathrin: Weniger stressen, mehr genießen. Meine eigene Erfahrung und die Tätigkeit bei Legally Female bestätigen mich immer wieder darin, dass die beiden Examina und ihre Vorbereitung von Haus aus genug Stress mit sich bringen – und darüber hinaus selbst geschaffener Druck und Stress häufig kontraproduktiv sind. Das System bringt es leider mit sich, dass mittlerweile immer früher begonnen wird, sich um die späteren Berufsaussichten zu sorgen. Das ist nur verständlich, ich finde dennoch, dass das Studium genutzt werden sollte, um sich selbst charakterlich und menschlich weiterzuentwickeln. Bei aller Notwendigkeit für eine disziplinierte Examensvorbereitung: Ggf. bringt Dich ein Erasmus Semester voller Partys und schöner Erinnerungen auf Deinem Lebensweg weiter als 15 Punkte in der kleinen Hausarbeit im Polizeirecht.

Welche Juristin hat Euch so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso? 

Ann-Kathrin: Definitiv Elizabeth Leckie, Partnerin im New Yorker Büro von A&O Shearman. Eine fachlich absolute Spitzen-Juristin, die es nicht nur geschafft hat, Familie und Karriere bravourös unter einen Hut zu bringen, sondern sich (schon immer) leidenschaftlich sozial engagiert und ein unglaublich herzlicher Mensch ist.

 

Felicitas: Meine ehemalige Mentorin und vorherige Associate bei Gleiss Lutz, nun bei Latham & Watkins, Anastasia Dressler. Sie arbeitet in der immer noch sehr männerdominierten Branche Banking and Finance und kam erst im Erwachsenenalter mit einem Master aus der Ukraine, um vor Ort hier in Deutschland Deutsch zu lernen, und mit Bravour das erste und zweite Staatsexamen abzuschließen. Sie ist ein wunderbarer, lebensfroher Mensch und hat mich von Anfang an selbstlos gefördert.

Vielen Dank für das spannende Interview!

Frankfurt am Main, 15. Juli 2024. Ann-Kathrin Ludwig und Felicitas Famulla haben die Fragen schriftlich beantwortet. Die Fragen stellte Carolin Waldmann. Sie ist seit Februar 2022 als Mentorin bei Legally Female ehrenamtlich tätig.

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