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Helene Bubrowski

Dr. Helene Bubrowski im Porträt

"Man muss für die Themen brennen, über die man recherchiert und schreibt."

Dr. Helene Bubrowski, Korrespondentin in der Parlamentsredaktion der F.A.Z., über gutes journalistisches Handwerkszeug, den Umgang als Frau mit missverständlichen Situationen und die kleinen Zufälle, die manchmal hilfreich sind.

Dr. Bubrowski, Sie haben sich nach Ihrer Promotion für einen Beitritt in die politische Nachrichtenredaktion der F.A.Z. entschieden. Wann wussten Sie, dass es Sie in den Journalismus zieht?

Der Journalismus war schon immer ein Traum von mir, weshalb ich mit etwa 16 Jahren eine Schülerzeitung gegründet und nach dem Abitur mehrere Praktika in den Redaktionen lokaler Zeitungen absolviert habe. Während des Jurastudiums habe ich mich allerdings doch ganz darauf konzentriert: Ich war während des Studiums zwei Jahre in Paris, habe meine Examina absolviert und meine Doktorarbeit geschrieben. Plötzlich war ich 30 Jahre alt und die Akte meiner Veröffentlichungen war ziemlich dünn. Es gibt unterschiedliche Wege in den Journalismus, das zeigt mein Beispiel ganz gut.

Seit 2018 sind Sie Korrespondentin in der Parlamentsredaktion der F.A.Z. in Berlin. Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Typisch ist allenfalls, dass es einen typischen Arbeitstag nicht gibt. In der Regel fangen meine Arbeitstage damit an, dass wir morgens im Team besprechen, welche Themen anliegen. Im Berliner Büro spielt natürlich das aktuelle Tagesgeschehen eine wichtige Rolle, das ist häufig nicht planbar. Wichtig sind mir aber auch die eigenen Geschichten, die nicht der Aktualität vorgegeben werden. Hier ist Flexibilität gefragt: In letzter Zeit hat die Berliner Politik oft meinen Plan durchkreuzt, mich mal einen ganzen Tag auf eine eigene Recherche zu konzentrieren.

Sie haben in der internationalen Investitionsschiedsgerichtsbarkeit promoviert. Wie hilfreich sind ein Doktortitel oder die intensive Befassung mit einer juristischen Fragestellung in Ihrem Beruf?

Im Alltag spielt der Titel keine große Rolle. Unter Journalisten werden die Titel fast immer weggelassen und abgesehen von der Aufregung um TTIP habe ich mit dem Thema meiner Doktorarbeit in meiner täglichen Arbeit kaum zu tun gehabt. Trotzdem habe ich diesen Schritt, der ja auch mit Entbehrungen verbunden war, nie bereut: Ein Thema richtig zu durchdringen, eine große Arbeit gut zu strukturieren, das ist auch für vieles andere eine gute Vorbereitung.

Wie geht man eine Karriere im Journalismus praktisch am besten an?

In der Theorie gibt es viele Wege, die in den Journalismus führen. Am sinnvollsten ist aus meiner Sicht ein Praktikum zum Einstieg. So kann man für sich selbst herausfinden, ob der Beruf das richtige ist. Texte proaktiv anzubieten, ist in der Regel schwieriger. Redaktionen wollen aus guten Gründen wissen, wer für sie schreibt.

Was zeichnet gutes Handwerkszeug im Journalismus aus?

Jurist*innen und Journalist*innen benutzen dasselbe Handwerkszeug, die Sprache. Es gibt jedoch Unterschiede. Die juristische Fachsprache grenzt aus, da sie für die Masse der Bevölkerung nicht verständlich ist. Journalist*innen nehmen die Rolle von Übersetzern ein. Die wichtigste Aufgabe ist es, Sachverhalte verständlich darzustellen, Zusammenhänge zu erklären. Jede Übersetzung bringt Unsauberkeiten mit sich, das liegt in der Natur der Sache. Es geht daher immer um die Abwägung zwischen Verständlichkeit und Richtigkeit. Die Devise muss aus meiner Sicht lauten: so viel Übersetzung wie nötig, so viel Genauigkeit wie möglich.

Wie baut man sein Netzwerk so auf, dass man medialer Ansprechpartner für Personen des politischen Geschehens wird?

Hier in Berlin passiert das im Grunde genommen von selbst, da es etliche zwangsläufige Kontakte mit Sprecher*innen und Politiker*innen bei Pressekonferenzen und Hintergrundgesprächen gibt. Mit bestimmten Politiker*innen, Spitzenbeamt*innen und Wissenschaftler*innen aus meinem Zuständigkeitsbereich stehe ich im regelmäßigen Austausch.

Geht man für bestimmte Beiträge bisweilen auch unkonventionelle Wege?

Es gibt unzählige Wege, um an Informationen zu kommen, darunter natürlich auch unkonventionelle. Da stammen die Informationen auch mal von Personen, die man privat eher meiden würde. Es ist in jedem Fall wichtig, die Informationen genau zu prüfen, eine zweite Quelle zu dienen und dann abzuwägen, ob man die Information tatsächlich veröffentlicht. Das Zuspielen von Informationen erfolgt nie ohne Hintergedanken. Journalisten dürfen sich nicht instrumentalisieren lassen.

Was war der bisher unkonventionellste Weg, den Sie selbst für ein Interview oder einen Beitrag auf sich genommen haben?

Als ich noch relativ neu in Berlin war, wollte mit einer Person aus den Sicherheitskreisen sprechen, die schwer ans Telefon zu bekommen war. Irgendwann fiel mir auf, dass der Mann am selben Tag wie mein Sohn Geburtstag hat und denselben Vornamen trägt. Nur zehn Minuten nachdem ich dies in einer E-Mail ihm gegenüber erwähnte, rief er zurück. Manchmal sind es die kleinen Zufälle, die eine persönliche Verbindung schaffen.

Frauen sind in den Medien, insbesondere in führenden Positionen, durchschnittlich seltener vertreten. Welche Ursachen sehen Sie dafür? 

In Berlin gibt es etwa so viele Journalistinnen wie Politikerinnen im Bundestag, also etwa ein Drittel. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass der Journalismus nicht besonders familienfreundlich ist: Die Arbeitstage sind nicht geregelt, man muss auf aktuelle Ereignisse flexibel reagieren, viele Termine finden früh morgens oder abends statt.

Als zweite Erklärung wird oft genannt, dass viele Frauen nicht robust genug für diesen Beruf seien. Natürlich darf man keine Angst haben, einflussreichen Politiker*innen kritische Fragen zu stellen, und man muss Widerspruch aushalten. Ich glaube nicht, dass das Frauen schwerer fällt als Männern. Diese Erklärung scheint mir eher ein altes Vorurteil zu sein. Tatsächlich ist es aber – für Männer wie für Frauen – wichtig, sich eine Schutzschicht zuzulegen. Auch Journalisten werden in jüngerer Zeit Opfer von Hass und Hetze, gerade in den sozialen Medien.

Glauben Sie, dass sich der geringere Frauenanteil in Führungspositionen in den Medien auf die Berichterstattung auswirkt und falls ja, inwiefern?

Ich glaube nicht, dass es spezielle Frauen- oder Männerthemen in der Politik gibt. Auch glaube ich nicht, dass Frauen politisch weniger interessiert sind. Auch das sind Vorurteile.

Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern, damit mehr Frauen in journalistischen Berufen erfolgreich wären?

Das ist nicht ganz einfach zu beantworten. Die Rahmenbedingungen lassen sich nicht ohne Weiteres ändern, da vieles in der Natur des Journalismus begründet ist –jedenfalls bei Tageszeitungen. Ich persönlich habe trotz Familie immer in Vollzeit gearbeitet, aus Überzeugung. Viele Frauen in Teilzeit arbeiten mehr als im Arbeitsvertrag steht. Wichtiger ist es nach meiner Erfahrung, die Freiräume zu nutzen, die es gibt. Und das Privatleben gut zu organisieren.

Wie sind Sie als Familie organisiert?

 

Mein Mann und ich haben unsere Tätigkeiten zu Hause im Wesentlichen hälftig aufgeteilt. Aber wir sind auch auf Unterstützung durch Babysitter und eine Ersatzoma angewiesen, da wir viel auf Dienstreise sind, zum Teil auch über Nacht. Organisatorisch ist das eine Herausforderung. Kontrollzwang und übertriebener Perfektionismus sind hinderlich. Dann ist vieles möglich – was nicht heißt, dass es einfach ist.

In juristischen Kreisen wird insbesondere jüngeren Juristinnen regelmäßig geraten, missverständliche Situationen mit männlichen Kollegen zu vermeiden, indem man sich zum Lunch statt zum Dinner verabredet. Gibt es ähnliche Verhaltenstipps für Journalistinnen?

Natürlich ist das auch ein Thema im Journalismus, schließlich begann die #Aufschrei-Debatte auch mit dem Erfahrungsbericht einer Journalistin. Die Grundregel lautet: Verstand einschalten. Ich würde nicht in ein Hotelzimmer mitgehen. Das ist etwas anderes, als jemanden an einem öffentlichen Ort zu treffen. Wichtig ist, dass man, wenn nötig, unmissverständlich und sofort die Grenzen aufzeigt. Hiermit habe ich immer gute Erfahrungen gemacht.

Gibt es bestimmte Eigenschaften, die man als erfolgreiche Journalistin im Besonderen mitbringen sollte?

Das Wichtigste ist Neugier. Man muss für die Themen brennen, über die man recherchiert und schreibt. Dann ist Journalismus ein Beruf, der viel Spaß macht und sehr erfüllend ist. Man muss aber auch Kritik und Widerspruch aushalten können.

Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Dr. Eda Tekin, eine selbstständige Strafverteidigerin in Berlin. Sie hat vor kurzem eine eigene Kanzlei eröffnet. Die Strafverteidigung ist immer noch ein stark männlich dominierter Bereich Dr. Tekin ist eine sehr gute Juristin und hat mit dem Schritt zur Selbstständigkeit Mut bewiesen.

Vielen Dank für das Gespräch und die Zeit, die Sie sich dafür genommen haben! 

Berlin / Frankfurt am Main, 27. Januar 2020. Das Interview führte Dr. Nadja Harraschain.

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