Dr. Henriette Norda im Porträt
"Wertschätzung ist ein unverzichtbares Element für ein gutes Miteinander."
Dr. Henriette Norda, Partnerin bei DLA Piper, über die Brücke zwischen Kompetenz und Sympathie, die Wichtigkeit einer wertschätzenden Kultur und das Finden der eigenen Stärken im Kanzleikontext.
Henriette, Du bist seit Mai 2019 mit 37 Jahren nach nur sieben Jahren Partnerin bei DLA Piper – eine der größten internationalen Wirtschaftskanzleien – geworden. Wie war es für Dich, diesen Weg erfolgreich zu beschreiten?
Ich bin sehr stolz, diese große Herausforderung gemeistert zu haben. Bei DLA Piper durchläuft man einen mehrstufigen Prozess, bei dem immer wieder überprüft wird, ob man wirklich das Zeug hat, Partnerin zu werden. Mir hat geholfen, dass ich neben dem Business Case auch viele Menschen inner- und außerhalb der Kanzlei hatte, die mich unterstützt und an mich geglaubt haben. Dazu gehören Kolleginnen und Kollegen, Mandanten und Mentoren. Wenn man es dann geschafft hat, ist das ein besonderes Gefühl von Dankbarkeit und zu wissen, an dieser Aufgabe sehr gewachsen zu sein.
Was braucht es, um auf dem „partner track“ zu überzeugen?
Es gibt keine allgemein gültige Formel dafür, Partnerin in einer internationalen Kanzlei zu werden. Dennoch glaube ich fest daran, dass man bei uns nur Partner(in) wird, wenn man unsere Werte lebt und verkörpert. Das ist das Wichtigste, noch wichtiger als ein Business Case, sei er auch noch so gut. Den braucht man natürlich auch, aber alleine reicht das nicht. Denn es ist wichtig, neben seiner Kompetenz auch seine Persönlichkeit einzubringen, authentisch zu sein und an beidem immer weiter hart zu arbeiten.
Welche Erkenntnisse hattest du während des Prozesses in Bezug auf Dein Auftreten und Deine Wirkung auf andere?
Schon ganz am Anfang meiner Karriere habe ich gewusst, dass ich nur als Team Player Erfolg haben kann. Das ist bereits ein wichtiges Einstellungskriterium und wird auch bei der weiteren Entwicklung immer wichtiger. Im Partnerprozess geht es aber auch darum, die Werte der Kanzlei, die eigene Kompetenz und die besondere individuelle Verantwortung zu verkörpern, die es mit sich bringt, Partnerin zu sein und weitreichende Verantwortung über die eigene Tätigkeit hinaus zu übernehmen.
Welche Vorurteile sind Dir als Frau begegnet? Welche Ratschläge gibst Du zur Überwindung dieser?
Als Frau musste ich mir oft viel aktiver Respekt verschaffen, um genauso kompetent wie männliche Kollegen wahrgenommen zu werden. Dabei schließen sich Freundlichkeit und fachliche Kompetenz eigentlich ja gar nicht aus. Das zu vermitteln, war aber teilweise eine echte Herausforderung. Es ist umso wichtiger, auf seine ganz eigene Art zu überzeugen und sich dabei als Frau Gehör zu verschaffen. Ich glaube, es geht nach hinten los, wenn man versucht, sich z.B. einen typisch männlichen Verhandlungsstil anzueignen, um „mithalten“ zu können. Man muss sich selbst treu bleiben und einen eigenen Weg innerhalb der eigenen Stärken finden. Darüber hinaus empfehle ich, über Erfolge zu sprechen. Auf diese Weise macht man auf sich aufmerksam.
Welche Deiner Stärken machen Dich zu einer außerordentlichen Anwältin?
Die meisten guten Anwälte sind analytisch stark. Ich versuche darüber hinaus, die Zusammenarbeit mit dem Mandanten und mit dem Team so angenehm und pragmatisch wie möglich zu gestalten und dadurch eine Brücke zwischen Kompetenz und Sympathie zu schlagen. Auf mein Gegenüber einzugehen, Synergien auch verschiedener Ansätze zu suchen und so gemeinsam passende Lösungen zu finden, halte ich für eine besondere Stärke von mir. Gleichzeitig ist es mir wichtig, dass das Team untereinander gut funktioniert. Jeder ist wichtig, damit es gut klappt, und sollte das auch spüren können.
Wertschätzung ist in jedem Umfeld ein wichtiger Faktor, damit sich die Beteiligten wohl fühlen. Wie etabliert man eine entsprechende Kanzleikultur?
Für mich ist Wertschätzung ein unverzichtbares Element für eine angenehme und motivierende Arbeitsatmosphäre. Natürlich steigt die Motivation, wenn ich mich gesehen und wertgeschätzt fühle – das gesamte Klima verbessert sich. Dadurch nimmt auch die Qualität der Arbeit zu und die Zusammenarbeit bereitet insgesamt mehr Freude. Warum also nicht einfach mal mit der Assistenz essen gehen, die Referendarin auf einen Kaffee einladen oder häufiger mal schlicht Danke sagen? Darüber hinaus finde ich es wichtig, dass jedes Teammitglied auch die größeren Zusammenhänge versteht. Ich lasse zum Beispiel nicht einfach abstrakte Rechtsfragen von meinen Associates recherchieren, sondern erzähle ihnen von dem zugrundeliegenden Fall und erläutere, welche Auswirkungen die Beantwortung dieser Fragestellung hat.
Dabei mache ich schon während der Ausbildung und Einarbeitung neuer Teammitglieder klar, dass ein gutes Miteinander neben den fachlichen Aspekten steht: Kommunikation, Wertschätzung und Feedback gehen weit über den guten Ton in jedem funktionierenden Team hinaus – sie gehören fest dazu für jede(n) und auf allen Ebenen.
Du hast erwähnt, dass Du über die Jahre viel Unterstützung erfahren hast. Welche Rolle hat dieser Rückenwind auf Deinem Weg gespielt?
Einige meiner heutigen Kolleginnen und Kollegen sind schon seit Studientagen meine Weggefährten und das schätze ich sehr. Sie haben mich auf der Karriereleiter begleitet, gefordert und auch gefördert. Ich empfinde es wahrlich als Privileg, dass mir von Anfang an viel zugetraut wurde. Diese Art der Kollegialität macht für mich einerseits eine tolle Arbeitsumgebung aus, in der ich gerne Leistung erbringe und spornt mich andererseits noch mehr dazu an, anderen diese Chancen zu eröffnen und sie entsprechend zu fördern. Dann führt schnell eins zum anderen, ich baue mir ein starkes Netzwerk auf, das mir Türen öffnet und in welchem ich selbst Türen für andere öffnen kann. Nur so kam es dazu, dass ich gelernt habe, auch einen nicht juristischen Blick gewissermaßen „von außen“ zu entwickeln: Wie denken Mandanten, was ist ihnen wichtig und was schätzen sie besonders? Das ist nicht immer das, was wir Juristen glauben. Ich hatte das Glück, einen Vorstand eines börsennotierten Unternehmens als Mentor zu haben. Er hat mir geholfen zu verstehen, wie sich Führungskräfte in der Wirtschaft mit Themen wie Unternehmenssteuerung, Personalentwicklung oder auch Präsentation beschäftigen. Dadurch verstehe ich das Geschäft meiner Mandanten besser und kann gezielte Lösungskonzepte für sie erarbeiten.
Apropos Chancen nutzen – wie ist Deine Herangehensweise?
Ich empfehle jeder und jedem, nicht zu lange zu zögern, wenn sich die Möglichkeit bietet, sich zu präsentieren und zu vernetzen – auch wenn sie auf den ersten Blick gar nicht so vielversprechend klingt. Mein Eindruck ist, dass sich durch jede Chance mindestens zwei neue auftun. Wenn ich beispielsweise an einem anderen Standort unserer Kanzlei bin, plane ich immer Zeit für Gespräche mit Schlüsselpersonen ein. Man sollte nicht denken, dass man nicht wichtig genug für die andere Person ist. Die meisten freuen sich, wenn man den Kontakt mit ihnen sucht und sie um Rat fragt. Es ist außerdem wichtig, die Komfortzone zu verlassen. Indem man sich proaktiv für neue Projekte und Aufgaben bewirbt, sammelt man wertvolle Erfahrungen und Erkenntnisse. Dadurch kann man sein Potential viel besser zeigen.
Welche Fertigkeiten und Erfahrungen sind Deiner Auffassung nach Voraussetzung für einen langfristigen Erfolg in einer Position wie Deiner?
Die Mischung aus Kompetenz als notwendiges given gepaart mit Sympathie als Übersetzungsinstrument ist, wie zuvor erwähnt, nicht immer ein Selbstläufer. Ist diese Hürde erst einmal genommen, ist sie auf lange Sicht die beste Voraussetzung für konstant überzeugende Leistungen gegenüber Mandanten und Mandantinnen. Dazu kommt die Kultur der Wertschätzung innerhalb des eigenen Teams und am Standort innerhalb der Bürogemeinschaft. Gepaart mit authentischem Auftreten und Handeln als ein Teil der Partnerschaft stehen die Chancen für anhaltenden Erfolg in meinen Augen sehr gut.
Wie stehst Du zu dem Thema (gezielter) Frauenförderung in Kanzleien? An welchen Stellen muss hier noch mehr geschehen?
Ich finde es wichtig, durch gezielte Programme auf verschiedenen Ebenen Frauen auf ihrem Karriereweg Unterstützung zu bieten: Auch bei uns gibt es Programme wie flexible Arbeitszeitmodelle, Unterstützung bei der Kinderbetreuung, Fortbildungs- und Coachingangebote speziell für Frauen und das Frauennetzwerk LAW (Leadership Alliance for Women). Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird nicht nur für Frauen sondern auch für Männer immer wichtiger, weshalb ich einen verstärkten Dialog dazu unterstütze.
Trotz dieser Förderprogramme muss jeder seinen eigenen Beitrag für eine erfolgreiche Karriere leisten. Es ist wichtig, motiviert zu sein, an sich zu glauben und seine Ziele zu verfolgen.
Fällt Dir eine schwierige Situation ein, aus der Du besonders viel gelernt hast?
Als ich vor einigen Jahren spontan eine Krankheitsvertretung übernommen hatte, konnte ich mich nicht so ausführlich wie üblich vorbereiten und im Rahmen des Gütetermins vor Gericht nicht überzeugen. Ich war aufgeregt und meine Stimme hat sich überschlagen. Da der im Anschluss stattfindende Kammertermin unbedingt glücken musste, habe ich die schwierige Lage direkt bei dem damals zuständigen Partner angesprochen, anstatt die Situation in ein besseres Licht zu rücken. Die direkte, offene Kommunikation hat dazu geführt, dass ich durch ein prompt von der Kanzlei organisiertes Stimm- und Präsentationstraining mental bestens auf den Kammertermin vorbereitet war und das Blatt wenden konnte. Das Gericht hat für uns entschieden. In einer solchen Situation ehrlich zu sein und gut zu kommunizieren, erfordert zwar Mut und Stärke, wird sich aber stets lohnen.
Arbeitsrecht als Betätigungsfeld ist bekanntlich nicht unumstritten. Wie gehst Du mit diesem Konflikt um?
Das stimmt: Arbeitsrecht in Großkanzleien ist gewissermaßen verschrien. Alle denken hier nur an eiskalt durchgezogene Massenentlassungen. Kein Fall, kein Deal, keine Kündigung ist eine abstrakte Angelegenheit – es geht immer um Menschen. Also gilt es dies im Blick zu haben und stets mit Respekt handzuhaben – in formeller und persönlicher Hinsicht. Dieser Würde der Betroffenen muss man sich stets bewusst sein und dementsprechend im Namen der Mandanten und Mandantinnen handeln. Ein Schwerpunkt meiner Tätigkeit liegt in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten. Einen Betriebsrat über den Tisch zu ziehen, lohnt sich nicht. Das rächt sich schon im nächsten Verfahren. Für mich sind Verhandlungen auf Augenhöhe wichtig. Gemeinsam werden die besten Ergebnisse erzielt.
Welche Juristin hat Dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?
Dr. Gesa Beckhaus, Notarin in Hamburg, Mutter, Superjuristin, total nett, einfach mega.
Vielen Dank für das Gespräch und die Zeit, die Du Dir dafür genommen hast!
Hamburg, 19. November 2019. Das Interview führte Anna Sophie Eckers.
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