Inka Müller-Schmäh im Portrait
„Eine gerade Haltung ist Grundlage für die Akzeptanz der Entscheidung.“
Inka Müller-Schmäh, Geschäftsführerin der Vereinigung Sportsponsoring-Anbieter (VSA), Mitglied des geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Sportrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) und ehemalige FIFA- und DFB-Schiedsrichterin über Lehren aus der Schiedsrichterinnentätigkeit für die Juristerei, ihre Tätigkeit im Sportrecht sowie die Chancen, die sich für Juristinnen in dieser noch männerdominierten Branche auftun.
Frau Müller-Schmäh, während Sie 1999 als Schiedsrichterin im DFB-Pokalendspiel der Frauen eingesetzt wurden, waren Sie in der Vorbereitung auf Ihr Erstes Staatsexamen. Als Sie 2001 von der FIFA nominiert wurden, haben Sie gerade das Referendariat abgeschlossen. Was haben Sie in dieser Phase über Zeitmanagement und Prioritätensetzung gelernt?
Es erforderte zwar viel Disziplin, sowohl meine juristische Ausbildung voranzutreiben als auch meinen Aufgaben als Schiedsrichterin gerecht zu werden, aber Leidenschaft trägt. Zeit effizient zu nutzen und klare Prioritäten zu setzen war entscheidend. Außerdem habe ich festgestellt, dass beide Bereiche sich gegenseitig befruchten. Die Schiedsrichterei bot mir einen Ausgleich, sportliche Betätigung, tolle Reisen und den Aufbau inspirierender Kontakte. Ich konnte viel über mich selbst lernen und bin gewachsen.
Warum haben Sie sich ursprünglich für das Jurastudium entschieden und woher kam ungefähr zeitgleich die Idee, Schiedsrichterin zu werden?
Als die Mauer fiel und sich das politische und gesellschaftliche System für uns im Osten komplett veränderte, wollte ich ein profundes Systemverständnis erlangen. Ich wollte verstehen, wie Demokratie und die Bundesrepublik Deutschland funktionieren. Da bot sich das Jurastudium an. Auch mein Gerechtigkeitsempfinden spielte eine Rolle, das nicht zuletzt durch Restriktionen beim Kontakt zu Verwandten im Westen und beim Zugang zu Abitur oder Studiengängen beeinflusst wurde.
Die Idee, Schiedsrichterin zu werden, kam zeitgleich auf, als ich wegen einer Verletzung meine Karriere als Handballspielerin beenden musste. Mein Vater, der selbst Schiedsrichter war, brachte mich auf die Idee, diese spannende und strategisch anspruchsvolle Aufgabe auszuprobieren. Es war ein Impuls, der meine Leidenschaft weckte und mich dazu brachte, mich intensiv mit der Schiedsrichterei auseinanderzusetzen.
Oben betonen Sie, dass sich das Schiedsrichterwesen und die Juristerei gegenseitig „befruchten“. Von welchen (zwischenmenschlichen) Fähigkeiten, die Sie als Schiedsrichterin erworben haben, profitieren Sie heute besonders als Juristin?
Als Schiedsrichterin habe ich eine Vielzahl von Fähigkeiten entwickelt, die mir heute als Juristin sehr zugutekommen. Besonders Durchsetzungskraft und die Fähigkeit, Gegenwind auszuhalten. Der Teamgeist, den ich als Schiedsrichterin erlebt habe, ist auch in der Juristerei wichtig. Zusammenarbeit und die Fähigkeit, effektiv im Team zu arbeiten, sind entscheidend für den Erfolg in beiden Bereichen. Ein weiterer Aspekt ist meine Körpersprache, die ich als Schiedsrichterin bewusst einzusetzen gelernt habe und die auch in juristischen Verhandlungen eine wichtige Rolle spielt. Die Fähigkeit, ständig Situationen zu analysieren, sie neu zu bewerten und meine Strategie anzupassen, habe ich durch meine Erfahrungen als Schiedsrichterin weiterentwickelt. Heute fällt es mir leicht, mich flexibel an unterschiedliche und sich entwickelnde Situationen anzupassen und effektiv zu kommunizieren.
Die Durchsetzungsfähigkeit im Gerichtssaal, bei juristischen Verhandlungen allgemein sowie auf dem Fußballplatz sind ganz wesentlich von gelungener nonverbaler Kommunikation geprägt. An welche Erfahrung „auf dem Platz“ erinnern Sie sich heute in schwierigen juristischen Verhandlungen und wie setzen Sie diese hier ein?
Da fällt mir zuallererst die Bedeutung der nonverbalen Kommunikation ein. Man kann bekanntlich nicht nicht kommunizieren. Es ist wichtig, zu dem Gesagten zu stehen und die Entscheidungen mit der entsprechenden Körperhaltung zu begleiten. Ähnlich wie nach einer Strafstoßentscheidung im Fußball – wer dabei mit hängenden Schultern dasteht, lädt damit die andere Mannschaft zum Protest ein. Eine gerade Haltung ist die Grundlage für die Akzeptanz der Entscheidung. Ähnlich kann auch in juristischen Verhandlungen die nonverbale Kommunikation einen großen Einfluss haben. Einigungsbereitschaft signalisiere ich, indem ich auf mein Gegenüber zugehe und meine Körpersprache offenhalte.
Nach Ihrer langjährigen Tätigkeit als Rechtsanwältin in verschiedenen Kanzleien sind Sie 2012 als Justiziarin bei der Vereinigung Sportsponsoring-Anbieter (VSA) eingestiegen, seit 2014 sind Sie deren Geschäftsführerin. Was ist das Ziel Ihrer Vereinigung?
Das übergeordnete Ziel der Vereinigung Sportsponsoring-Anbieter (VSA) ist es, Sportsponsoring als unverzichtbares Finanzierungsinstrument nicht nur weiterhin zu ermöglichen, sondern auch optimales Wachstum und Dynamik zu fördern. Wir setzen uns dafür ein, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Sportsponsoring stimmen und vertreten die Interessen unserer Mitglieder im politischen Raum.
Wie können wir uns Ihren Arbeitsalltag als Geschäftsführerin der VSA vorstellen?
Mein Arbeitsalltag als Geschäftsführerin der VSA ist abwechslungsreich und vielseitig. Kein Tag gleicht dem anderen. Zu meinen Aufgaben gehören unter anderem die Analyse von Gutachten und Gesetzesentwürfen auf ihre Auswirkungen im Sportsponsoring, die Konzeption und Durchführung von Wirkungsstudien, die die Effekte des Sportsponsoring aufzeigen, sowie die Teilnahme an Gremiensitzungen und -veranstaltungen in verschiedenen Tätigkeitsfeldern. Hinzu kommt die mediale Vertretung unserer Positionen und Interessen. Mein Arbeitsalltag erfordert hohe Flexibilität und ein breites Spektrum an Kompetenzen.
Was empfanden Sie auf dem Weg zu Ihrer heutigen Position als größte Herausforderung?
Die größte Herausforderung war sicherlich, nicht nur den jeweiligen Job erfolgreich zu gestalten, sondern mich gleichzeitig kontinuierlich fortzubilden und weiterzuentwickeln. Eine gute Balance zu finden ist wichtig.
Als Mitarbeiterin der ersten Stunde konnten Sie die Strukturen der VSA wesentlich mitgestalten. Sehen Sie es als Voraussetzung für die juristische Tätigkeit dort an, dass die Mitarbeiter*innen über eine sportliche Expertise verfügen?
Es ist von Vorteil, wenn die Mitarbeiter*innen der VSA über eine sportliche Expertise verfügen. Das hilft beim Verständnis für die zu beeinflussenden Sachverhalte und die komplexen Zusammenhänge in unserem Sportsystem. Eine gute Kenntnis des Sports und des Sportsponsorings ermöglicht es, die juristische Arbeit besser zu verstehen und effektiver in diesem Bereich tätig zu sein. Es geht jedoch auch um das Systemverständnis und die Erfahrung im Umgang mit den unterschiedlichen Akteuren im Sportsponsoring, sowie darum, Gespür für die Bedürfnisse und Herausforderungen im Sportsponsoring zu entwickeln und diese fundiert zu adressieren.
Sie sind zudem Mitglied im geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Sportrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Was sind aus anwaltlicher Sicht derzeit die wichtigsten Themen und Aufgaben in diesem Bereich?
Als Mitglied im geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Sportrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) beschäftigen wir uns mit einer Vielzahl von aktuellen Themen und Aufgaben im Sportrecht. Ein Dauerbrenner ist natürlich das Vereinsrecht, allein schon aufgrund seiner Komplexität und der sich stetig ändernden rechtlichen Rahmenbedingungen. Hinzu kommen spannende Fragen wie beispielsweise die Zulassung von russischen und belarussischen Athleten zu Wettkämpfen. Und die fortschreitende Digitalisierung führt zu neuen Fragen zur Rechteabgrenzung der einzelnen Akteure und deren Umsetzung. Hier geht es darum, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die digitale Sportlandschaft zu schaffen und die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Nutzung von Daten und digitaler Medien im Sportrecht anzugehen.
Schaut man sich die im Sportrecht Tätigen an, fällt auf, dass die Branche stark männlich geprägt ist. Inwiefern ist das in Ihrem beruflichen Alltag spürbar?
Es stimmt, dass die Branche des Sportrechts immer noch stark männlich geprägt ist. In vielen Gremiensitzungen und Veranstaltungen begegne ich mehr männlichen als weiblichen Kollegen. Allerdings kann ich auch sagen, dass sich die Situation langsam, aber stetig ändert. Es gibt immer mehr Frauen, die im Sportrecht tätig sind und auf Augenhöhe agieren und kommunizieren. Ich bin optimistisch, dass sich das Verhältnis weiterhin zum Positiven verändern wird und dass immer mehr Frauen in dieser Branche erfolgreich Fuß fassen können.
Mit welchen Fähigkeiten könnten sich Juristinnen hier noch mehr einbringen?
Ich möchte hier ausdrücklich eine Lanze für das Ehrenamt brechen. Meiner Erfahrung nach können Juristinnen sich durch ehrenamtliche Tätigkeiten noch stärker in der Sportrechtsbranche einbringen. Das Ehrenamt bietet die Möglichkeit, wertvolle Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit anderen, das Aufsetzen von Prozessen, das Verhalten in Gremiensitzungen und Verhandlungsgeschick zu sammeln. Es erweitert den Blick über das reine Studium hinaus und ermöglicht es, Praxiserfahrungen zu sammeln und sich persönlich weiterzuentwickeln. Juristinnen können durch ihr Engagement im Ehrenamt ihre Fähigkeiten und Kompetenzen weiter ausbauen und dadurch einen wertvollen Beitrag zur Weiterentwicklung des Sportrechts leisten.
Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?
Eine Juristin, die mich besonders inspiriert hat, ist Ruth Bader Ginsburg. Als amerikanische Juristin und Richterin am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat sie mit ihrem Engagement für die Gleichberechtigung der Geschlechter und ihren Einsatz für Frauenrechte bahnbrechende Arbeit geleistet. Ihr Mut, ihre Beharrlichkeit und ihre intellektuelle Brillanz haben mich tief beeindruckt. Sie hat den Weg für viele nachfolgende Generationen von Juristinnen geebnet und gezeigt, dass es möglich ist, Barrieren zu überwinden und bedeutende Veränderungen herbeizuführen. Ruth Bader Ginsburg ist ein Vorbild für viele Juristinnen weltweit, einschließlich mir, und ihr Einsatz für soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit ist eine Quelle der Inspiration.
Vielen Dank für das spannende Interview!
Passau / Berlin, 11. Juli 2023. Die Fragen stellte Dr. Marie-Katrin Schaich.
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