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Iris Plöger im Porträt

„Am Besten ist man in dem Rechtsbereich, der den Neigungen entspricht.

Iris Plöger, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des BDI, im Interview über ihren Weg von der Großkanzlei zum BDI, die Mitgründung von „SheTransformsIT“ und die Gefahr eines „digitalen Analphabetismus".

Liebe Frau Plöger, nach dem Abschluss der juristischen Ausbildung haben Sie angefangen als Rechtsanwältin in einer Magic Circle Kanzlei zu arbeiten. Heute sind Sie Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands Deutscher Industrie e.V. (BDI), wo Sie vorher einige andere Positionen innehatten. Haben Sie sich Ihre juristische Karriere zu Beginn Ihres Studiums so vorgestellt?

Ich hatte ehrlicherweise keine klare Vorstellung, was ich mit dem Studium anfangen werde. Hätte ich aber gewusst, wie das Ergebnis am Ende aussieht, hätte ich mich sicherlich gefreut. Mir war allerdings klar, dass ich mich als Typ nicht unbedingt zur Richterin oder Staatsanwältin eigne. Wie übrigens bei vielen anderen auch war mein eigentlicher Berufswunsch, Journalistin zu werden.

Rechtlich gesehen haben Sie Ihren Berufsweg erst mit dem Medien- und Telekommunikationsrecht begonnen und haben beim BDI dann auch die Themen Kartellrecht, gewerblichen Rechtsschutz und Patentrecht abgedeckt. Später wurde die Digitalisierung ein Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit. Woher kam das Interesse für diese (Rechts-)gebiete?

Wie bereits gesagt, mein Berufswunsch war lange Journalistin zu werden. Ich komme aus einem Haushalt, in dem die Medien eine große Rolle gespielt haben. Es lag damit in der Natur der Sache, dass ein Interessenschwerpunkt meinerseits hier verankert war. Mein Vater war lange Zeit Journalist beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Daraus ergab sich ein starkes politisches Interesse. Das Referendariat habe ich dann möglichst eng an meinem ursprünglichen Berufswunsch ausgerichtet.

 

Mitte der 1990er kam das Internet in die breitere Anwendung. Es war damals noch etwas Besonderes, dass wir als Lehrstuhlmitarbeiter*innen bereits über eigene Internetzugänge verfügten und somit in die Welt der E-Mails und Online-Recherche eintauchten. Mit meinem damaligen Professor habe ich viel über Regulierungsfragen z.B. für „Videotelefonie“ und „video on demand“ diskutiert. Damals waren es noch eher abstrakte Zukunftsszenarien, heute sind sie als Videokonferenzen und Streamingdienste aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Bei meinem Berufseinstieg im Jahr 2000 waren wir mitten in der ersten, später gern auch bezeichnet als „Internetbubble“. Ich habe in einer Großkanzlei im Bereich TMT (Anm. der Red.: Telecommunication Media Technology) angefangen zu arbeiten. Neben den Regulierungsfragen kamen dann neue Rechtsgebiete wie IT-Recht, u.a. E-Commerce und Softwareverträge, dazu.

 

Sicherlich ist man in dem Rechtsbereich am besten, der den eigenen Neigungen am nächsten kommt. Ich bin immer meinen Interessen gefolgt und habe nie etwas am berühmten Reißbrett geplant.

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Wie sind Sie zum BDI gekommen und was macht der BDI?

 

Ich habe während meiner Ausbildung zweimal bei einer Außenhandelskammer gearbeitet, einmal in Los Angeles und einmal in Sydney. Die Wirtschaftsvertretung im Ausland fand ich ausgesprochen spannend. Also habe ich beim BDI in der Hoffnung angeheuert, dort mit vielen interessanten Menschen zusammenzuarbeiten und abwechslungsreiche Tätigkeiten auszuführen. Diese Hoffnung ist sicherlich nicht enttäuscht worden.

 

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Wie darf man sich einen typischen Arbeitstag bei Ihnen vorstellen?

Nach Corona fast wieder wie vor Corona (lacht): Er beginnt meist nicht vor 9 Uhr und findet in der Regel in Berlin statt. Das ermöglicht mir, morgens mit der Familie den Tag zu planen. Normalerweise habe ich wenig stundenlange Papierarbeit, dafür aber viele Termine: Interne Fachsitzungen in den Ausschüssen, Termine mit ausländischen Wirtschaftsdelegationen, mit wissenschaftlichen Einrichtungen und natürlich mit der Politik (insbesondere der Bundesregierung und dem Bundestag).

 

Und dann gibt es die Dienstreisetage, die sich viel glamouröser anhören, als sie es tatsächlich sind. Ich bin öfter in Brüssel, was ich wirklich besonders spannend finde, weil politische Entscheidungsprozesse dort anderen Regeln folgen als in Deutschland. Ein Großteil der Gesetzgebung kommt heute von der EU und wird bei uns nur noch umgesetzt – man kann also gar nicht oft genug in Brüssel oder Straßburg sein. Ich empfinde es übrigens als großes Privileg, dass ich regelmäßig mit gut ausgebildeten, höflichen, sachlichen Menschen zu tun habe, was die Tätigkeit sehr angenehm macht. Da kommt es selten zu Konfrontationen und gleichzeitig darf ich zwischen zwei Welten vermitteln: Der Politik und der Wirtschaft.

Corona hat wirklich den Boost für die Digitalisierung und den Einstieg in eine virtuelle Welt gebracht. Technisch möglich war das schon länger, die Transition hat also gut funktioniert. Die Beständigkeit von internen Teams und Gremien hat geholfen, dennoch leidet auf Dauer die soziale Komponente. Es ist wichtig, wieder in die – neue – Normalität zurückzukehren. Mir fehlten nämlich schon die äußeren Anreize und Einflüsse, die persönliche Begegnung und die andere Arbeitsumgebung.

Im Rahmen Ihrer aktuellen Tätigkeit treffen Sie viele Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft. Was ist die größte Herausforderung bei der Vorbereitung auf diese Treffen?

Ich würde das nicht grundsätzlich als Herausforderung bezeichnen. Die meisten Gesprächspartner*innen kenne ich und gehe in die einzelnen Situationen gut vorbereitet hinein. Bei der Komplexität der Materien ist besonders wichtig, sehr komplexe Sachverhalte auf das Wesentliche zu reduzieren und das auf den jeweiligen Empfängerhorizont zuzuschneiden. Dabei geht es darum, wie ich bei meinem Gegenüber eine persönliche Betroffenheit für das Thema schaffe. Die wichtigsten Botschaften sollte man für den berühmten „Elevator Pitch“ möglichst immer im Kopf haben.

Allzu abstrakte Debatten helfen niemandem und schaffen nicht die erforderlichen Verantwortlichkeiten. Das wird zunehmend zu einem Problem. Mein Tipp, wie man die Leute am besten abholt: Man muss sich auf wenige Kernbotschaften konzentrieren und diese möglichst mit einer persönlichen Relevanz versehen.

Gab es einen wegweisenden Moment bzw. eine wegweisende Entscheidung im Rahmen Ihrer Karriere?​

Nein, den gab es nicht, überhaupt nicht. Das Einzige, was mir an der Stelle einfällt, ist, dass wenn ein herausforderndes Angebot kommt, man dieses immer annehmen sollte. 2015 bin ich aus dem Rechtsbereich in die Digitalisierung gewechselt. Das war für mich bis dato wenig technikaffine Juristin ein großer Sprung. Also: Immer mutig springen. In der Regel kann man nur gewinnen und selten etwas verlieren!

Eigentlich wollten Sie Journalistin werden, haben dann aber doch Jura studiert. Was war ausschlaggebend für diese Entscheidung?​ 

Die Vielfalt an beruflichen Möglichkeiten nach einem Jurastudium. Der Studiengang Journalismus war damals, als ich angefangen habe zu studieren, noch recht neu und damit ein sehr enges Terrain. Ich wollte mit meinem Studium eine gute Grundlage für mehrere Themen, insbesondere Politik, Verfassung und Wirtschaft, schaffen. Gefühlt die absolute Mehrheit meiner Generation hat entweder Jura oder BWL oder Medizin studiert. Nicht sehr originell, aber ich befand mich dann mit meiner Entscheidung in guter Gesellschaft. Auf die Zeit nach der Schule hat einen die Schule leider damals nicht gut vorbereitet und tut dies übrigens heute auch noch viel zu wenig.

Während Ihres Jurastudiums haben Sie bemerkt, dass viele Ihrer Kommilitoninnen sehr gute Klausurergebnisse erzielten und Begeisterung für das Fach aufbrachten. Im Laufe Ihres Karriereweges wurde der Frauenanteil in Ihrem Umfeld weniger. Müssen Frauen Karriere anders planen als Männer?

Ich meine, dass jede*r bei seiner*ihrer Karriereplanung überlegen sollte, ob er*sie die berufliche Tätigkeit mit Familie vereinbaren möchte.

 

Bei jungen Frauen glaube ich nicht, dass fehlende Planung die Hürde darstellt, sondern eher, dass junge Frauen zu viel planen, auch wenn es um das Berufsleben geht. Die jungen Frauen von heute stehen im Leben, haben eine eigene Meinung und gute Noten – das ist aber nicht allein ausreichend, sondern genügt vielleicht nur für den Einstieg.

 

Frauen, so meine Erfahrung, trauen sich oft nicht zu springen – sie unterschätzen sich und ihre Fähigkeiten. Es sind also nicht unbedingt die „alten weißen Männer“, die den Frauen keine Chancen geben, sondern oft genug auch Frauen, die Chancen, die sich ihnen bieten, nicht am Schopfe ergreifen. Die Chancen sind aber da!

Im Gespräch haben Sie außerdem berichtet, dass Sie die „Gefahr der gläsernen Decke“ früher nicht gesehen haben. Hat sich Ihr Blick darauf geändert?
 
Ich habe ehrlicherweise mit dem Begriff nie viel anfangen können. Ich finde, dass das ein Schuh ist, den sich viele Frauen selbst anziehen, gewissermaßen als Entschuldigung für liegen gelassene Chancen. Das klingt erstmal hart. Ich bin überzeugt, dass es mittlerweile einen ganz großen Willen gibt, Frauen in Führungspositionen zu bringen.
Ich sehe das Problem eher in der Arbeitskultur. In der bestehenden Arbeitskultur finden sich Frauen oft zu wenig wieder und somit auch nicht ihre Rolle und ziehen sich dann zurück. Diesen Mechanismus sehen sie dann als gläserne Decke. Die Herausforderung eines männlich geprägten Arbeitsumfelds ist übrigens im technischen Bereich noch sehr viel ausgeprägter als im juristischen.
Sie sind Mitgründerin der Initiative „SheTransformsIT“. Zu der Gründung dieser Initiative kam es, da Ihnen gemeinsam mit anderen Frauen auffiel, dass Frauen in dem Bereich unterrepräsentiert sind. Was wollen Sie mit der Initiative konkret erreichen?
Wir haben die Initiative aus zwei Gründen gegründet: In der Arbeitswelt ist die Digitalisierung in allen Bereichen angekommen und nimmt immer mehr zu. Wenn da Frauen von vorneherein fehlen, wird das mit einer ausgeglichenen digitalen Teilhabe nichts. 17 Prozent Frauen in Digitalberufen ist eine erschreckende Zahl. Wir brauchen verbesserte Anreize für Mädchen in MINT-Berufen, aber auch eine gemeinsame Kraftanstrengung, damit mehr Frauen den Quereinstieg in digitale Berufe wagen.
 
Zudem sollte sich das aktuelle Gesellschaftsbild auch in der digitalen Welt wiederfinden. Das wird insbesondere mit dem Stichwort „Gender Bias“ deutlich. Die Fragen, die anfallen, lauten: „Sind die verwendeten Daten genderneutral bzw. ausgewogen? Und auf Grundlage welcher Gewohnheiten und Logiken trainiere ich die KI?“ Das ist kein Exotenthema, sondern betrifft nahezu alle Lebensbereiche – von den Daten in der Gesundheitsversorgung bis zum berühmten Airbag-Beispiel.
 
Selbst wenn sich Frauen dafür entscheiden, sich für eine Zeit mehr der Kindererziehung zuzuwenden, sollten sie trotzdem Teil der digitalen Welt bleiben, um nicht abgehängt zu werden. Unter dem Stichwort „digitaler Analphabetismus“, den wir gerade in der älteren Bevölkerungsgruppe sehen, lässt sich gut zusammenfassen, warum Frauen stets Treiber*innen der Digitalisierung bleiben sollten. Ich sehe die Digitalisierung als Gestaltungsauftrag für die Zukunft an uns alle.
Auf Ihrem Karriereweg wurden Sie nicht nur durch Frauen, sondern auch durch Männer gefördert. Wie sehen Sie die Rolle der Männer in den jetzigen Führungsebenen bezüglich der Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere in Bezug auf zukünftige Führungsebenen?
Ich habe Männer nie als Verhinderer wahrgenommen, sondern als respektvolle und fördernde Personen, die in der Regel wohlwollend mit mir umgegangen sind.
 
Hingegen kann ich meine Aufforderung, dass Frauen auch mal mutig ins Unbekannte springen müssen, nur wiederholen. Ich habe oft genug mitbekommen, dass „umworbene“ Frauen zu den angebotenen Stellen „nein“ gesagt haben, weil sie es sich entweder nicht zutrauten oder meinten, dass es nicht in ihre aktuelle Lebenssituation passte. Mir wurden beispielsweise schon in der Vergangenheit flexible Lösungen für eine Stellenausschreibung angeboten. Dies ist aus meiner Sicht heute eigentlich Standard, wird zunehmend auch Männern angeboten und – was mich freut – von diesen auch immer mehr angenommen.

Sie sind selbst Mutter. Wie haben Sie sich als Familie organisiert, um Beruf und Familie zu vereinbaren?

 

Manchmal denke ich gar nicht. (lacht) Meiner Meinung nach ist das nicht nur eine Frage der Organisation, denn es geht nicht nur um Arbeitsprozesse und Schulpläne. Mit Kindern lässt sich nicht immer alles planen. Es braucht vielleicht nicht immer das berühmte Dorf, um Kinder großzuziehen, aber ganz sicher verlässliche Betreuungsstrukturen und Ausweichmöglichkeiten. Die Durchstrukturierung des Alltags führt zu weniger persönlichen Freiräumen. Es ist eine Illusion, dass man neben Familie und Beruf noch drei Hobbies und einen großen Freundeskreis pflegen kann. Und im Übrigen gilt das neue Leitmotto: Die Karriereplanung beginnt mit der richtigen Partnerwahl. Schließlich ist die Gleichstellung nicht nur im Berufsalltag, sondern eben auch bei der Verteilung der sogenannten Care-Arbeit zu Hause entscheidend.

Für Sie ist Familie ein zentraler Bestandteil des Lebens. Was würden Sie einem jungen Menschen raten, der mit dieser Einstellung Karriere und Familie meistern will?

Ich glaube, es kommt auf ein ausgewogenes Verhältnis von Herz und Verstand an und die nötige Portion Gelassenheit. Man sollte vorher nicht so viel Angst davor haben, wie das alles funktionieren kann. Es ist toll, Teil beider Welten zu sein und durch die gewonnenen Erfahrungen bereichern sich am Ende Beruf und Familie gegenseitig.

Man gewinnt – trotz all der „Doppelbelastung“, die damit einhergeht, ein Mehr an Fähigkeiten. Erfahrungen mit Kindern lassen sich erstaunlich gut auf den beruflichen Alltag übertragen. So ist vielleicht die Situation mit dem berühmten frühkindlichen Aufstand vor dem Süßigkeitenregal im Supermarkt durchaus vergleichbar mit manch einer beruflichen Situation. Und somit auch die dort erworbenen Kompetenzen an anderer Stelle sinnvoll einsetzbar. Im Ergebnis wächst man immer mit seinen Aufgaben und das gilt eben auch für die Vereinbarkeit von Familie und Karriere.

Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Nicola von Holleben, General Counsel MBition GmbH (Mercedes Benz), die für mich auch ein wunderbares Beispiel ist, immer wieder mutig in neue berufliche Herausforderungen zu springen.

 
Vielen Dank für das spannende Interview!

Hamburg / Berlin, 29. Oktober 2021. Das Interview führte Karen Kelat.

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