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Johanna Wirth

Johanna Wirth, LL.M. im Porträt

 

"Den Wunsch, Partner zu werden, muss man schon klar kommunizieren."

Johanna Wirth, LL.M., Partnerin bei Hengeler Mueller, im Interview über die Herausforderungen zu überzeugen, guten Führungsstil und über Sport als passenden Ausgleich zu ihrer Tätigkeit.

Liebe Frau Wirth, Sie sind seit bald vier Jahren die einzige Partnerin im Berliner Büro von Hengeler Mueller und spielen in Schiedsverfahren in der großen Liga mit - das alles in erstaunlich jungem Alter. Sie hätten wahrscheinlich alles machen können, warum Anwältin und wieso die Schiedsgerichtsbarkeit?

Ich habe früher vermutlich etwas zu viel John Grisham gelesen (lacht). Zu Schiedsverfahren hat mich meine Anwaltsstation bei dem Spin-Off einer internationalen Großkanzlei geführt. Dort hatte ich das Glück, ein sehr spannendes Schiedsmandat begleiten zu dürfen, bei dem es um Schadenskompensation nach den 9/11 Anschlägen ging. Das OLG Düsseldorf hat in diesem Verfahren den mühsam erarbeiteten Schiedsspruch mit einer aus meiner Sicht sehr dünnen Begründung zum rechtlichen Gehör aufgehoben. Das war sehr ärgerlich und zugleich Ansporn, mich näher mit Verfahren dieser Art zu befassen


Warum haben Sie sich für die Rechtswissenschaften entschieden?

Mir war immer klar, dass ich einen Beruf mit Bezug zu Sprachen ergreifen möchte. Damals dachte ich deswegen an Dolmetscherin oder Juristin. Tatsächlich erfordert meine tägliche Arbeit ein gutes Gefühl für Sprache. Einige wenige Kernaussagen aus komplexen und verworrenen Sachverhalten herauszuarbeiten, bereitet mir Freude.

Heute denke ich, es hätte mich mit meiner Berufswahl nicht besser treffen können: Die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Menschen, das Fingerspitzen- und Taktikgefühl und der Wechsel zwischen schneller Mandatsarbeit und Fragen, die ein längeres Nachforschen erlauben und erfordern, sind einmalig.

Sie haben das Studium ohne Auslandsaufenthalt rasant schnell abgeschlossen und waren mit 25 Jahren fertig ausgebildete Anwältin. Würden Sie heute etwas anders machen?

 

Der Weg hat sich, so wie er sich ergeben hat, für mich gut und richtig angefühlt. Die Auslandserfahrung habe ich nach dem Berufseinstieg nachgeholt. Im Einstellungsgespräch habe ich vereinbart, dass ich in meinem zweiten Associate-Jahr in die USA gehen kann, um einen LL.M. zu machen. So bin ich, nachdem ich etwas Geld verdient hatte, nach New York gegangen, habe dort an der NYU studiert und das BAR Exam absolviert. Die Zeit habe ich genossen und viele Erfahrungen gesammelt. Über eine Promotion habe ich auch nachgedacht, aber ich wollte nach der Wahlstation endlich loslegen. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass die Promotion ein wichtiges Plus sein kann. Andererseits hat mich im beruflichen Kontext nie jemand gefragt, warum ich nicht promoviert bin.

Wie wird man denn Partnerin: Kann man eine solche Karriere „planen“ oder irgendwie gezielt angehen?

Ich denke die Vorstellung beim Berufseinstieg, in einigen Jahren Partner zu sein, ist unnötig verengt, schließlich kann sich in sechs oder mehr Jahren vieles ändern, gerade auch im privaten Bereich. Ich selber wusste damals gar nicht, ob und wie lange ich überhaupt bleibe. Als ich aber gemerkt habe, mir macht die Arbeit in der Kanzlei Spaß, habe ich und haben dann auch meine Anbindungspartner mehr darauf geachtet, wie ich vorankomme. Letztlich muss man den Wunsch, Partner zu werden, schon klar kommunizieren. In meinem Fall konnte ich dann offen besprechen, was die nächsten Schritte sind und es hat geklappt. Zu erwarten, dass die Partner einen ohnehin auf dem Schirm haben und von allein die Partnerschaft unterbreiten, ist gewagt.

Sie sind Ihrer Kanzlei seit dem Berufseinstieg, mithin schon 10 Jahre, treu geblieben. Wie haben Sie die Kanzlei ausgewählt? Welche Vorteile hat es, einer Kanzlei die Treue zu halten?

Im Referendariat war ich mit der Auswahl der letzten Station sehr spät dran. Als ich einen Partner in meiner Anwaltsstation fragte, ob er einen Rat hätte, welche der „großen“ man sich mal anschauen könnte, sagte er: „Wenn schon nicht zu uns, geh´ wenigstens zu den Hengelers. Die können was.“ Er dachte damals, dass ich dort sowieso nicht bleiben würde. Aber es hat mir sehr gut gefallen. Die Partner haben mich beeindruckt, ihre juristische Kompetenz ebenso wie das menschliche Auftreten und die allgemeine Kollegialität in der Kanzlei. Nach der Station wusste ich: Hier bin ich richtig. Und das denke ich bis heute. Da ich die Kanzlei nie gewechselt habe kann ich den Vorteil, den es haben mag, immer bei einer Sozietät zu bleiben, nicht beurteilen. Jedenfalls kennen sich die Sozien durch die langjährige Zusammenarbeit sehr gut und ich habe großes Vertrauen zu ihnen.

In Ihrem Arbeitsalltag arbeiten Sie hauptsächlich mit Männern zusammen. Gibt es da einen anderen Umgangston? Was halten Sie von Karriere-Tipps wie: „Lesen Sie sich in die Fußballergebnisse ein, um mitsprechen zu können“? Gibt es so etwas wie falsche Kleidung?

Für die Partner meiner Sozietät, die vorher ihre Meetings unter sich geführt haben, war es vermutlich schon eine Umstellung, als ich dazu gekommen bin. Um sich in solchen Runden gut einzufinden, hilft Humor und vielleicht auch tatsächlich ein gewisses Grundinteresse an den Freizeitthemen, die dort besprochen werden. Das wichtigste ist aber, dass man sich nicht verbiegt oder verstellt, sondern authentisch bleibt.

Falsche Kleidung gibt es im professionellen Kontext gleichermaßen für Männer wie für Frauen. Sie kann von den eigentlichen Themen ablenken und die eigene Souveränität unnötig untergraben. Am Ende muss natürlich jeder selbst entscheiden.

Tritt Ihnen bei Mandaten manchmal Skepsis wegen Ihres Alters entgegen? Wie gehen Sie damit um?

Ich wurde schon das eine oder andere Mal auf mein Alter angesprochen. Eine solche anfängliche Skepsis kann aber durchaus von Vorteil sein, wenn es schnell gelingt, durch sachlich treffende Bemerkungen und Detailkenntnisse zu überzeugen. Gerade als junge Sozia geht es nach meiner Erfahrung darum, dem Mandanten zeigen, dass man das Mandat so gut kennt wie kein anderer und den anderen Gesprächspartnern Paroli bieten kann. Wenn man dazu noch die einzige Frau im Raum ist, bleibt man mit großer Sicherheit in Erinnerung.

Wenn man Mitarbeiter fragt, was die Zusammenarbeit mit Ihnen besonders auszeichnet, haben viele erwähnt, dass Sie Lösungswege nicht einfach starr vorgeben, sondern schätzen, wenn jemand sich eigene Gedanken macht und mit Ihnen diskutiert. Was zeichnet Ihrer Meinung nach außerdem einen guten Führungsstil aus?

(Lacht.) Ja, das ist aus der leidigen Erfahrung heraus entstanden, dass manche Mitarbeiter sonst ausschließlich eine Tendenz prüfen, die ich angedeutet habe, anstatt sich darüber hinaus eigene Gedanken zu machen, was ich selbstverständlich von jedem meiner Mitarbeiter erwarte. Zu einer guten Führung gehört es aber auch, sich an den jeweiligen Associate anzupassen. Manchen kann man schon nach wenigen Monaten viel Freiraum bei der Arbeit geben, andere brauchen etwas länger eine leitende Hand. Außerdem sollte man bei all der Spannung und dem Druck den Spaß bei der Arbeit nie vergessen. Ein humorvoller, unkomplizierter und direkter Umgang ist mir im Team besonders wichtig.

Sie wirken tatsächlich ungemein entspannt, das alles bei einem so herausfordernden Job mit hoher Arbeitsbelastung und entsprechendem Zeitdruck. Was ist Ihr Wundermittel gegen den Stress?

Danke, das gelingt mir natürlich auch nicht immer. Generell sehe ich es aber als Teil meiner Aufgabe als Partnerin, den Stress mit mir selbst auszumachen und nicht ungefiltert an mein Team weiterzuleiten. Gegen den Stress hilft für mich vor allem Sport. Das ist ein wichtiger Ausgleich. Das mache ich regelmäßig morgens vor der Arbeit und kann dadurch mit einem guten Gefühl in den Tag starten.

Was sollte aus Ihrer Sicht jemand mitbringen, der sich für den Bereich streitiger Verfahren in einer Großkanzlei interessiert? Gibt es Anlass dazu, sich von dem Leistungsdruck abschrecken zu lassen?

Wichtig ist Kampfgeist und Durchhaltevermögen, aber vor allen Dingen Spaß daran, Sachen zu verstehen und den Dingen auf den Grund zu gehen. Häufig haben wir es zum Beispiel mit komplexen Zahlenwerken und sehr technischen Sachverhalten zu tun, die bis ins kleinste Detail nachvollzogen und verstanden werden müssen. Außerdem sollte man mit vielen, auch völlig unterschiedlichen Menschen reden können und wollen, das geht vom Mandanten bis zum technischen Sachverständigen. Zuletzt sollte man gerade in streitigen Verfahren kein Problem damit haben, im Scheinwerferlicht zu stehen. Es ist wichtig, dass man seine Position überzeugend vertreten kann, sei es vor Gericht oder in Vergleichsverhandlungen.

Von dem erwarteten Leistungsdruck sollte man sich auf keinen Fall abschrecken lassen, sondern es einfach ausprobieren. Dann wird man sehen, wir arbeiten sicherlich viel, aber leisten auch nicht Unmenschliches.

Hatten Sie Momente des Zweifelns, der gefühlten Niederlagen in Ihrer Laufbahn? Wie haben Sie diese Momente überwunden?

Klar, davon gab es viele: Große oder kleine Niederlagen, sei es in der Sache oder im zwischenmenschlichen Bereich. Solche Momente gehören einfach dazu. Man hat zum Beispiel hart auf einen Gerichtstermin hingearbeitet, ihn perfekt vorbereitet und das Gericht sieht die Sache dennoch anders. Das ärgert dann sehr. Dabei hilft es ungemein, wenn man den Mandanten auf seiner Seite hat, oder sich mit sonst jemandem gemeinsam ärgern kann. Ansonsten heißt es für mich: Erstmal abreagieren und das Beste draus machen. Meistens zeigt sich schon kurz danach, dass aus einem Tiefschlag etwas Positives erwächst.

Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte und wieso?

Ich habe wirklich darüber nachgedacht, aber es gibt einfach zu viele Juristinnen, etwa in meiner Sozietät oder in anderen Kanzleien, aus dem Referendariat oder dem Studium, die ich jetzt aus ganz unterschiedlichen Gründen benennen wollen würde. Die zeichnet aber allesamt aus, dass sie hervorragende und schlagfertige Juristinnen sind, es dabei aber immer schaffen, down-to-earth und ganz natürlich zu bleiben.

Vielen Dank für das spannende Gespräch und die Zeit, die Sie sich dafür genommen haben!

Berlin, 21. Juni 2018. Das Interview führte Clara zu Löwenstein.

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