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Dr. Judith Sawang, LL.M. im Porträt

„Diversität müssen wir noch viel größer denken.“

Dr. Judith Sawang, LL.M., Partnerin im Bereich Litigation / Arbitration bei Ashurst in Frankfurt, über ihren Weg zur Position als Partnerin, ihre berufsbegleitende Promotion und warum wir Diversität noch breiter fassen sollten.

Judith, Du bist Partnerin bei Ashurst im Bereich Litigation / Arbitration. Wann hast Du Dich für den Partner-Track entschieden?

Tatsächlich relativ spät. Ich habe erst spät erkannt, dass ich Anwältin werden möchte. Das hat sich erst im Referendariat durch die Anwaltsstation ergeben. Nach dem Referendariat habe ich dann noch berufsbegleitend promoviert. Aber ich hatte zunächst keine konkrete Ambition für die Partnerlaufbahn. DerBeruf hat mir einfach sehr viel Spaß gemacht. Dass ich Partnerin werden möchte, habe ich erst entschieden, als ich bereits Mutter war. Ich würde allerdings auch nicht sagen, dass es ein feststehendes Berufsbild "Partner*in" gibt. Das kann sehr vielseitig und unterschiedlich ausgestaltet sein. Es kommt auf den Einzelfall an, beispielsweise auf die Kanzlei oder die Zeit, in der man Partner*in wird.

 

Was bereitet Dir Freude an Deiner Tätigkeit?

Die Möglichkeit, meine Neugier auszuleben, die Sachverhalte und Themen der Mandantinnen und Mandanten, zu verstehen und strategisch zu denken. Mir bereitet auch das Entwerfen und Schreiben von Schriftsätzen Freude, auch wenn ich das inzwischen nicht mehr so oft mache. Auch das Auftreten vor Gericht macht mir Spaß. Also beispielsweise einen langatmigen Sachverhalt verständlich zusammenfassen oder Zeugen zu vernehmen.

Was hat Dir dabei geholfen, im Bereich Schiedsgerichtsbarkeit erfolgreich zu werden?

Eine erste Orientierung war hier sicher meine Dissertation. Zu der Zeit, als ich in diesem Bereich promoviert habe und als Anwältin angefangen habe, gab es in meiner damaligen Kanzlei noch vergleichsweise wenige Schiedsverfahren. Viele Anwält*innen kannten sich in dem Bereich weniger aus und es fehlte Grundlagenwissen. Daher landete dann nahezu jedes Mandat mit schiedsrechtlichem Bezug bei mir auf dem Schreibtisch. Dadurch konnte ich viel Erfahrung sammeln. Sicherlich half aber auch hier meine Neugier.

Du hast erwähnt, dass Du nach einem Wechsel der Kanzlei meist mit Kollegen und Kolleginnen zusammengearbeitet hast, die Du schon aus früherer Tätigkeit kanntest. Was war Dein Gedanke dabei?

Das menschliche Umfeld, in dem ich arbeite, war mir immer sehr wichtig. Dazu gehört für mich, innerhalb des Teams gut miteinander klarzukommen, ähnliche Vorstellungen zu haben, z.B. auch hinsichtlich der Qualität der Arbeitsprodukte. Um das zu verifizieren, hilft es, wenn man bereits miteinander gearbeitet hat. Und es entsteht über die Zeit ein Vertrauen untereinander. Das kann man sich natürlich auch mit „neuen“ Kollegen erarbeiten, aber es dauert eben länger.

Sofern man in einer Großkanzlei arbeiten möchte: Was sind Deines Erachtens wichtige Kriterien, die man bei der Auswahl der Kanzlei beachten sollte?

Das kommt ganz darauf an, was man möchte. Möchte man eher international arbeiten oder nicht? Möchte man in einem großen oder eher in einem kleinen Team arbeiten? Wie erwähnt ist auch das soziale Umfeld meines Erachtens sehr wichtig. Das Kriterium Gehalt würde ich ans Ende stellen. Ich glaube, man sollte sich nicht von der Idee täuschen lassen, dass alle Großkanzleien gleich seien, und es in der einen einfach mehr Gehalt als in der anderen gebe. Vielmehr sollte man darauf achten, dass das Umfeld und die Kanzlei zur eigenen Person passen. Kriterium kann auch sein, wie die Work-Life-Balance in der Kanzlei gelebt wird. Dazu kann man sich beispielsweise den UBT, den Umsatz pro Berufsträger*in, anschauen oder prüfen, in welchen Bereichen die Kanzlei über ein Lippenbekenntnis hinaus Geld investiert, etwa bei Family Policies. Auch die Kultur einer Kanzlei ist ein wichtiges Kriterium – wobei es zugegebenermaßen schwer ist, diese im Vorhinein festzustellen.

Wichtig ist für mich, dass man über alles miteinander sprechen kann. Das Leben verläuft nicht immer gleich, es kommen neue Themen auf wie Kinder, Teilzeit aus Familien- oder anderen Gründen oder ein Sabbatical. Über diese Themen muss man offen sprechen können und dann für die Phase gemeinsam das passende Modell finden.

Deine Dissertation hast Du zum Thema Geheimhaltung und Rechtliches Gehör in der Schiedsgerichtsbarkeit geschrieben. Wie verlief Dein Promotionsprozess?

Ich habe berufsbegleitend promoviert. Das hat für mich sehr gut funktioniert. Ich habe grundsätzlich drei Tage gearbeitet und drei Tage an der Dissertation geschrieben. Das hat für Abwechslung und weniger Monotonie gesorgt. Und ich glaube, es hat auch weniger Zweifel aufkommen lassen. Wenn ich bei einer Sache nicht weiterkam, hat es mir geholfen, das auch mal drei Tage ruhen zu lassen. Gedankliche Entwicklungen brauchen Zeit, um zu reifen. Ich war aber grundsätzlich auch sehr flexibel. Manchmal habe ich mandatsbedingt mehrere Wochen am Stück in der Kanzlei gearbeitet. Um die Dissertation abzuschließen, habe ich dann noch drei Monate in Vollzeit daran gesessen.

Was würdest Du jungen Promovierenden raten?

Ähnlich wie bei der Berufswahl hilft es auch hier, wenn man sich für etwas entscheidet, wofür man sich ohne Mühe begeistern kann. Aus diesem Grund ist die Wahl des Themas sehr wichtig und individuell. Ich sehe es daher eher kritisch, wenn Doktoranden sich von jemandem ein Thema vorgeben lassen. Im Übrigen ist es auch hier wichtig, sich im Vorfeld Gedanken zu machen, was man erreichen möchte: Möchte man sich den Weg für eine akademische Karriere bahnen,  in Ruhe einem Thema widmen, das möglicherweise Synergieeffekte für eine andere spätere Berufswahl hat, oder möchte man einfach aus Lust an einem bestimmten Thema promovieren, ohne dass dies einen konkreten Berufsbezug hat? Je nachdem sollte man auch entscheiden, wie umfangreich und anspruchsvoll das Thema sein soll. Gerade bei berufsbegleitenden Promotionen oder wenn die Finanzierung zeitlich begrenzt oder zeitlich aufwendig ist, liegt es natürlich nahe, die Fragestellung stärker einzugrenzen und vielleicht nicht unbedingt das allerdickste Brett zu bohren.

Du bist in Deutschland geboren und hattest die indonesische Staatsbürgerschaft. Deine Familie stammt aus China bzw. Indonesien, der Schweiz und Österreich. Inwiefern spielt das in Deinem beruflichen Leben eine Rolle?

 

Ich glaube, ich besitze dadurch eine kulturelle Offenheit und ein Bewusstsein für kulturelle Unterschiede, beispielsweise in der Kommunikation mit Mandant*innen aus anderen Kulturen. Das hat mir in manchen Mandaten auch schon geholfen, die Sichtweise oder Bedürfnisse meiner Mandant*innen besser zu verstehen.

Wie wichtig ist Dir das Thema Diversität?

Diversität ist ein sehr wichtiges Thema, das wir noch viel größer denken müssen; weit über das Geschlecht hinaus. Beispielsweise umfasst Diversität auch Jurist*innen aus bildungsfernen, finanziell unsicheren Elternhäusern mit einem nicht-akademischen Hintergrund, aus anderen Ländern oder mit LGBTQ-Hintergrund. Hier braucht es noch viel mehr Vorbilder. Die Welt ist bunt. Und es ist ja auch wissenschaftlich bewiesen, dass Diversität zu besserer Leistung und mehr Kreativität führt. Auch die Arbeitgeber*innen haben also etwas davon.

Du bist Mutter von zwei Kindern im Alter von zehn und sieben Jahren. Wie war der Wiedereinstieg nach der Elternzeit? 

Ich habe anfangs in Teilzeit drei volle Kanzleitage gearbeitet, aber daraus wurden schnell vier oder viereinhalb Tage. Der erste Tag vom ersten Kind getrennt war hart. Aber die Arbeit war auch fast schon erholsam. Sich einfach in Ruhe im Büro mal einen Kaffee machen zu können. (lacht) Kleine Kinder zu haben kann auch ein harter Job sein. Inzwischen arbeite ich wieder Vollzeit.

Gibt es spezielle Frauenthemen, mit denen sich Frauen aus Deiner Sicht mehr beschäftigen sollten als männliche Kollegen?  

Da kann ich natürlich nur für mich sprechen, nicht für alle Frauen pauschal. Aus meiner Erfahrung kann beispielsweise ein Verhandlungstraining sehr sinnvoll sein. Da tun sich Frauen tendenziell schwerer. Ich halte weniger davon, den Stil von Männern zu imitieren. Das kann für manche funktionieren, aber ich finde es sehr wichtig, authentisch zu sein. Ansonsten fällt mir bei jungen Kolleginnen auf, dass sie häufig weniger selbstbewusst sind als ihre männlichen Kollegen. Das kommt sicherlich auch mit der Berufserfahrung. Im Übrigen ist erwiesen, dass dasselbe Sozialverhalten bei Frauen und Männern unterschiedlich bewertet wird. Auch dessen muss man sich als Frau durchaus bewusst sein.

Haben Vorbilder in Deiner Karriere für Dich eine Rolle gespielt?

Zu meinem Berufseinstieg gab es wenige bis keine weiblichen Vorbilder in meinem Umfeld. Mittlerweile sind viele meiner Kolleginnen – auch in anderen Kanzleien und anderen Fachbereichen – Vorbilder für mich.

​Wie hast Du für Dich herausgefunden, was Du möchtest? Beruflich und privat?

Das ist in der Tat nicht so leicht. Ich denke, es hat viel mit ausprobieren zu tun.

Worauf freust Du Dich gerade am meisten?

 

Ich werde heute Abend eine Freundin besuchen, die Mutter geworden ist. Ich werde versuchen, ihr etwas Gutes zu tun. Darauf freue ich mich sehr.

 

Welche Juristin hat Dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

 

Ihr habt schon viele von ihnen interviewt. Eine Person, die mir noch einfällt, ist Wies Bratby, eine Coach aus den Niederlanden. Sie hat sich mit ihrem Unternehmen Women in Negotiation auf Gehaltsverhandlungen spezialisiert und versucht so etwas gegen Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen zu tun.

Vielen Dank für das spannende Interview!

Frankfurt am Main, 07. November 2022. Das Interview führte Laura Nordhues.

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