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Julia Hambüchen

Julia Hambüchen im Porträt

„Es ist wichtig, zu seiner Meinung zu stehen.“

Julia Hambüchen, Legal Counsel bei Borussia VfL 1900 Mönchengladbach GmbH, über ihre Erfahrung als weibliche Legal Counsel bei einem Bundesligisten und die Familiengründung während des Referendariats.

Frau Hambüchen, Sie sind Head of Legal bei der Borussia VfL 1900 Mönchengladbach GmbH (Borussia). Wie sieht der berufliche Alltag einer Juristin bei einem Bundesligisten aus?

Einen geregelten Arbeitsalltag gibt es eigentlich nicht. Kein Tag ist wie der andere. Das ist aber ehrlich gesagt auch das Interessante und Wunderbare an meinem Job. Wenn ich morgens ins Büro fahre, habe ich in der Regel eine Agenda für den Tag. Wenn ich abends dann nach Hause fahre, sind es jedoch ganz andere Dinge, die ich am Tag erledigt habe. Jeden Tag treten an allen Stellen des Vereins neue rechtliche Fragestellungen auf. Das macht es zwar schwer planbar, aber umso abwechslungsreicher und spannend.

Die konkreten Aufgaben sind im Übrigen sehr vom zeitlichen Punkt der Saison abhängig. Wenn es beispielsweise zum Ende der Saison um den Einstieg neuer Sponsoren geht, dann kommen viele Fragen rund um die vertragliche Gestaltung und zu beachtende Werberichtlinien. Beim Thema Merchandise tauchen viele markenrechtliche Probleme auf. Ein Problem kann zum Beispiel sein, dass Produkte auf dem Markt auftauchen, die ohne Absprache mit uns die Marke „Borussia“ nutzen. Und natürlich, für viele sicherlich der spannendste Bereich, sind während der Transferperioden die Spielertransfers das dominante Thema.

Immer wieder tauchen vertrags- und arbeitsrechtliche Probleme auf und natürlich gilt es darum, unterschiedlichen Erwartungen und Ansprüchen gerecht zu werden, dabei aber die maximale rechtliche und kaufmännische Sicherheit für den Verein zu gewährleisten. Insgesamt ist es ein buntes Potpourri an Aufgaben.

Sie sind die einzige Juristin bei Borussia. Inhaltlich sind Sie daher für die verschiedensten Bereiche verantwortlich und müssen so, wie gerade geschildert, täglich Fragen u.a. im Arbeitsrecht, Markenrecht und Vertragsrecht bearbeiten. Gefällt Ihnen diese Tätigkeit als Generalistin oder fehlt Ihnen die Möglichkeit sich zu spezialisieren?

Nein, die Möglichkeit mich zu spezialisieren fehlt mir nicht. Im Gegenteil, die Tätigkeit als Generalistin gefällt mir sehr gut. Das ist für mich genau das Richtige! Natürlich verlangt diese Form der Tätigkeit ein hohes Maß an Flexibilität. Es kann passieren, dass mich während der ausführlichen Auseinandersetzung mit einer Frage und einem speziellen Rechtsgebiet eine andere Anfrage aus einem anderen Rechtsgebiet erreicht, die prioritär zu behandeln ist. Ich muss dann schnell umschalten und mich in das jeweils neue Rechtsgebiet einarbeiten. Mir macht das große Freude, weil man so natürlich auch einen guten Überblick über Rechtsthemen und das Geschehen im Klub hat.

Über eine Spezialisierung habe ich natürlich gerade zu Beginn nachgedacht, muss aber ehrlich sagen, dass ich nicht wüsste, in welchem Bereich ich mich spezialisieren sollte. Fragen zum Arbeitsrecht, Vertragsrecht, Markenrecht, Mietrecht und Compliance geben sich wirklich die Hand bei mir, so dass eine Spezialisierung in einem dieser Bereiche eher Kapazitäten in den anderen Bereichen einfordern würde. Eine Spezialisierung auf Sportrecht lag für mich am Anfang auf der Hand, heute denke ich, dass es gut ist, wenn spezialisierte Kanzleien die Details übernehmen. Derzeit bin ich daher so zufrieden, wie es ist.

Darüber hinaus muss ich sagen, dass ich natürlich viele Fortbildungen, insbesondere im Arbeitsrecht und Compliance-Bereich, wahrnehme. Als Compliance Officer bin ich, ähnlich einem Fachanwaltslehrgang, verpflichtet mich fortzubilden, um den Titel weiter tragen zu können.

Vor Ihrem Jurastudium haben Sie eine Banklehre absolviert und einige Zeit als Bankkauffrau gearbeitet. Profitieren Sie in Ihrem heutigen Berufsalltag noch von dieser Ausbildung?

Jein. Die Erfahrungswerte, die ich damals gesammelt habe, sind natürlich unbezahlbar und von diesen profitiere ich. Ich bin durch meine Lehre und die Tätigkeit in der Bank gereift und auf persönlicher Ebene zehre ich noch ganz klar von dem Gelernten. Auf der sachlichen und materiellen Ebene haben die Kenntnisse von damals allerdings keinen großen Mehrwert mehr für mich. Dafür ist mein jetziger Arbeitsbereich zu verschieden vom damaligen.

Nach Ihrer Banklehre waren Sie auch kurz als Bankkauffrau tätig. Wieso haben Sie sich dann für ein Jurastudium entschieden?

Ich wollte eigentlich schon immer Jura studieren. Nach meinem Abitur war es aber so, dass alle Freund*innen sich auf Lehrstellen bewarben. Davon ließ ich mich inspirieren und entschied mich ebenfalls für eine Lehre. Dadurch dass meine Ausbildung auch nur zwei Jahre in Anspruch nahm, dachte ich, dass es ein einfacher Weg sei, um einen Berufsabschluss in der Hand zu haben. Mir hat die Tätigkeit in der Bank so gut gefallen, dass ich nach meiner Lehre zunächst mit einer zusätzlichen Fortbildung anfing. Während der Fortbildung merkte ich dann aber, dass der ursprüngliche Wunsch Jura zu studieren immer wieder aufflammte.

Ich hatte das große Glück, dass meine Eltern mich bei meinem zweiten Ausbildungsweg, dem Studium, unterstützen konnten. Ich war zu dem Zeitpunkt ja eigentlich bereits finanziell selbstständig, war im Studium dann aber plötzlich wieder auf die Unterstützung meiner Eltern angewiesen. Ich hatte damals sehr viel Respekt vor dieser Entscheidung, meinen festen Job und meine Selbständigkeit aufzugeben, da der Wechsel ins Studentenleben ein "Sprung ins Ungewisse" bedeutete. Schlussendlich bin ich aber sehr froh, dass ich diese Entscheidung so getroffen habe.

Sie waren sicher etwas älter als Ihre durchschnittlichen Kommiliton*innen an der juristischen Fakultät in Köln, wo Sie studierten. Wie hat sich dies auf Ihr Studium ausgewirkt?

(Lacht.) Ich weiß noch ganz genau, dass zu Beginn des Studiums genau dieser Aspekt ein Dauerthema für mich war. Ich habe mich durchaus öfter wie eine Außerirdische gefühlt. Es war aber alles nur eine Kopfsache. Den meisten Kommiliton*innen ist es überhaupt nicht aufgefallen, dass ich älter war. Sobald ich dies gemerkt hatte, war das Thema auch gegessen.

Auf das Studium selber hat es sich derart ausgewirkt, dass ich reifer war und dadurch etwas zielstrebiger. Ich habe das Studentenleben genossen, aber nicht exzessiv ausgelebt. Ich hatte das Ziel, schnell mein Studium hinter mich zu bringen. Etwas schade ist vielleicht, dass ich durch die Ausbildung nicht das Gefühl hatte, zeitlich noch einen Auslandsaufenthalt während oder nach dem Studium machen zu können. Ich wusste nämlich auch, dass ich eine Familie gründen wollte und nach meinem Referendariat direkt ins Berufsleben starten möchte.

Präsidium, Geschäftsführung und Aufsichtsrat der Borussia sind, wie bei vielen Bundesligisten, männlich besetzt. Ihr Berufsumfeld ist also eher männerdominiert. Wie macht sich das in Ihrem Berufsalltag bemerkbar?

Ich habe schon das Gefühl, dass ich mich als Frau, insbesondere in meiner Position als Legal Counsel, anders durchsetzen muss, als ein männlicher Kollege es vielleicht müsste. Ich denke aber auch, dass mögliche Unterschiede stark vom jeweiligen Charakter abhängig sind. Im Fußball-Geschäft ist es sicher nicht zuträglich, einen zu introvertierten Charakter als Frau zu haben. Zu ihrer Meinung stehen müssen aber sowohl männliche als auch weibliche Kolleg*innen. Im Übrigen betrachte ich es als eine interessante Herausforderung, dass ich mich in einigen Situationen vielleicht mehr beweisen muss, als es ein männlicher Kollege müsste.

Daneben merke ich, dass auch im Fußball-Geschäft mehr und mehr Frauen arbeiten. Ich halte das für eine gute und wichtige Entwicklung. Ich kann dies insbesondere im Arbeitskreis Recht verfolgen, in dem alle Legal Counsel der Bundesligisten zusammenkommen. Dieser Arbeitskreis wird von der DFL ausgerichtet und trifft sich ein- bis zweimal im Jahr. Es ist ein tolles Forum, um mit Kolleg*innen verschiedenste Themen auszutauschen. Aus meiner Erfahrung dort kann ich sagen, dass die Dynamik eindeutig erkennbar ist, dass ein Mehrwert von gemischten Teams erkannt wird. Nach und nach werden immer mehr Frauen als Juristinnen eingestellt.

Sie sind nicht nur die einzige, sondern auch die erste Juristin bei Borussia. Die Strukturen in Ihrem Arbeitsalltag mussten Sie daher zum Großteil erst schaffen. Wie gelingt es Ihnen, die vielen Aufgaben zum einen als juristische Generalistin, zum anderen als Systemschafferin zu vereinbaren?

Naja, das erste Jahr war absolut turbulent. Zu dem von Ihnen angesprochenen Spannungsfeld zwischen Generalistin und Systemschafferin kam noch hinzu, dass ich Berufsanfängerin war. Bis auf die kurze Arbeitserfahrung bei der Bank und im Referendariat hatte ich also keinen Erfahrungsschatz. Rückblickend muss ich sagen, dass es vor allem eine tolle Herausforderung für mich war, mich beweisen zu können. Ich habe die für mich notwendigen Strukturen schaffen können und mir und meinem Umfeld bewiesen, dass ich mich in diesen Strukturen zurechtfinde. Ich habe manchmal darüber nachgedacht, ob es leichter gewesen wäre, in einem bestehenden strukturellen System anzufangen zu arbeiten. Sicher hat es seine Vorteile, konkrete Vorgaben zu bekommen und feste Strukturen erlernen zu können. Zum jetzigen Zeitpunkt bin ich aber wahnsinnig stolz auf mich, dass ich so weit gekommen bin als Berufsanfängerin. Ich konnte mich selbst verwirklichen. Ich glaube auch, dass meine Akzeptanz im Unternehmen durch diese anfängliche Situation und mein Schaffen eine andere ist. Ich kann wirklich sagen, dass Borussia und ich gemeinsam gewachsen sind. Und das passt wiederum hervorragend zur Philosophie des Klubs, jungen Kräften eine Chance zu geben sich zu beweisen. Das gilt auf und neben dem Platz.

Wie viel Fußballexpertise braucht ein Legal Counsel eines Bundesligisten?

 

Also ich kann nur von mir berichten: Ich habe Fußball schon immer gerne geschaut, war aber keine Fußball-Expertin. Ich hatte keine vertieften Kenntnisse – obwohl ich Ihnen immer ein Abseits hätte erklären können (lacht)!

Vor meinem Vorstellungsgespräch hat mich diese Frage aber auch beschäftigt. Die Frage, wie sehr ich mich für Fußball interessiere, ist dann auch während des Vorstellungsgesprächs aufgekommen. Unser Geschäftsführer, der damals das Gespräch mit mir führte, sagte aber sehr schnell: "Wir suchen ja auch eine Juristin und keinen Trainer". Den Satz werde ich nicht vergessen, denn damit hat er mir das Unwohlsein mit diesem Thema ein für alle Mal genommen.

Im Übrigen kann ich sagen, dass man sich die Fußball-Expertise, die von einem Legal Counsel eines Bundesligisten benötigt wird, schnell aneignet - denn es ist ein wahnsinnig spannendes Feld und das tägliche Geschäft bringt das notwendige Wissen mit sich.

Sie sind auch Mutter von zwei Kindern, die Sie während des Referendariats zur Welt gebracht haben. Was sind aus Ihrer Sicht die Vor- und Nachteile dieses Zeitpunkts der Familiengründung?

Die Frage des Zeitpunkts der Familiengründung ist sehr individuell zu beantworten. Jedes Paar muss für sich entscheiden, wann und wie eine Familiengründung und das Familienleben gestaltet werden. Für mich war wichtig, dass ich direkt nach dem Referendariat anfangen kann zu arbeiten. Daher war der Zeitpunkt während des Referendariats für mich und meinen Mann günstig.

Ein Vorteil hiervon ist, dass Kinder den Blickwinkel auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben verändern. Beim Lernen für das erste Staatsexamen war ich sehr verbissen und habe mir nur wenig Ruhe gegönnt. Ich habe wenig nach links und rechts geschaut, sondern war sehr fokussiert auf mich. Als mein Sohn während des Referendariats auf die Welt kam, hat sich das schlagartig geändert. Mit einem Kind muss man sich die Lernzeiten anders einteilen und kann sicher nicht von 6 bis 22 Uhr lernen.

Der Nachteil ist, dass es zuweilen sehr anstrengend ist. Die Examensvorbereitung auf das zweite Staatsexamen, neben dem Referendarsdienst und mit zwei Kleinkindern, war eine große Herausforderung. Ohne unser sehr unterstützendes System aus meinen Eltern und Schwiegereltern hätten mein Mann und ich das so nicht geschafft. Mein Sohn wurde in der Regel von einem Großelternteil aus dem Kindergarten abgeholt, damit ich noch etwas Zeit zum Lernen hatte. Sobald unser Sohn abends im Bett war, habe ich mich dann noch einmal an den Schreibtisch gesetzt.

Ich würde die Entscheidung aber immer wieder so treffen und bin den Großeltern für die Betreuung unendlich dankbar. Nur so konnte ich mein Ziel erreichen. Ich muss auch sagen, dass ich während des Referendariats am Landgericht Aachen sehr verständnisvolle Ausbilder hatte.

Sie haben Ihr erstes Kind schon kurz nach dem ersten Staatsexamen bekommen und waren bei der mündlichen Prüfung schwanger. Wie haben Sie beide Staatsexamina mit Kindern absolvieren können?

Bei meinem Sohn war ich hoch schwanger – die mündliche Prüfung war vier Wochen vor der Geburt. Das war körperlich natürlich eine ganz andere Hausnummer. Bei der mündlichen Prüfung zum zweiten Staatsexamen hatte ich dann zwei kleine Kinder. Da war die Herausforderung eher, direkt vor der Prüfung etwas Ruhe zu bekommen. In der Summe ist es aber absolut machbar!

Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Ich möchte eine Frau vorschlagen, die ich selber noch nicht kennenlernen durfte, aber die ich aufgrund ihrer juristischen und politischen Laufbahn sehr interessant und bemerkenswert finde. Es ist Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie hat im Rahmen ihrer politischen Laufbahn an ihren Werten festgehalten. Auch setzt sie sich gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und gegen Antisemitismus ein – Werte, die mir als Mensch und Mutter ebenfalls wichtig sind.

Vielen Dank für das Gespräch und die Zeit, die Sie sich dafür genommen haben! 

 

Mönchengladbach / Düsseldorf, 27. Mai 2020. Das Interview führte Dr. Ilka Beimel.

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