Dr. Julia von Buttlar, LL.M. im Porträt
"Trau Dich: es ist Dein Leben!"
Dr. Julia von Buttlar, LL.M., Leiterin FPCI bei der BaFin und Lehrbeauftragte an der EBS Law School, im Interview über Chancen und Risiken von Aufsicht und Regulierung in einer digitalisierten Finanzwelt, über internationale Arbeitsmöglichkeiten bei der BaFin, über Frauen zwischen Vereinbarkeit und Motivation zur Veränderung und über den Mehrwert von LL.M. und Doktorarbeit.
Frau von Buttlar, Sie sind stellvertretende Referatsleiterin im Referat für Ordnungswidrigkeiten bei der BaFin. War Ihnen von Anfang an klar, dass Sie im Bereich des Kapitalmarktrechts arbeiten möchten?
Ich bin hierzu eher durch Zufall als durch Planung gekommen. Mir war von Anfang klar, dass ich promovieren möchte. Mein Wahlfach war sowohl im ersten als auch im zweiten Staatsexamen das Besondere Verwaltungsrecht, und hier insbesondere das Umweltrecht. Bei der Wahl des Promotionsthemas hatte ich die Wahl zwischen einem umweltrechtlichen Thema und einem kapitalmarktaufsichtsrechtlichen Thema. Letzteres war mir völlig neu. Da mich neue Aufgabenstellungen meistens herausfordern, habe ich mich spontan für das kapitalmarktrechtliche Thema entschieden. Ich habe dann schnell gemerkt, wie spannend die Materie ist, aber auch, wie viel ich noch lernen muss. Das war unter anderem ein Grund für mein Aufbaustudiums im Rahmen eines LL.M.-Programms an der Duke University, um meine Expertise im Finanz- und Kapitalmarktrecht zu vertiefen.
Bei der BaFin war ich zunächst in der Fachaufsicht-, dann im Internationalen Referat und momentan bin ich im Referat für Ordnungswidrigkeiten. Nach der Geburt meines ersten Sohnes war dies eine gute Lösung, um zügig wieder in das Berufsleben einsteigen zu können. Denn zu Beginn wären viele Reisetätigkeiten für mich mit meiner Rolle als Mutter nicht vereinbar gewesen. Mit der Zeit habe ich das Kapitalmarktstrafrecht mehr und mehr schätzen gelernt. Und inzwischen finde ich es sogar richtig faszinierend.
Wie können wir uns einen normalen Arbeitstag von Ihnen bei der BaFin vorstellen?
Die Tätigkeit ist sehr abwechslungsreich. Im Großem und Ganzen geht es darum, Sachverhalte zu erfassen, zu bewerten und getroffene Entscheidungen umzusetzen. An meiner Aufgabe reizt mich insbesondere die Vielfalt der Themen und Möglichkeiten. Meine Aufgabe ist es, mich querbeet mit all den Aspekten zu beschäftigen, die in irgendeiner Weise bedeutende und schwierige Bußgeldverfahren vor allem für den Sektor Wertpapieraufsicht / Asset-Management einschließlich Prozessführung in diesen Verfahren betreffen - und nicht nur damit. Zusätzlich gilt es bei der Erarbeitung sowie Aktualisierung von Bußgeldnormen auf nationaler und internationaler Ebene mitzuwirken, wo sich momentan unglaublich viel bewegt.
Viele der Veränderungsprozesse, die wir aktuell auf den Finanzmärkten erleben, sind offensichtlich getrieben von dem digitalen Wandel. Deshalb tun Regulierung und Aufsicht gut daran, sich möglichst frühzeitig um Antworten und Konzepte für die Fragen zu kümmern, die sich im Zusammenhang mit technischen Innovationen stellen werden.
Hinzu kommt die persönliche Ebene. Ich finde es sehr spannend, mit so vielen unterschiedlichen Kollegen zu tun zu haben, die mit Einsatzbereitschaft und Freude bei der Sache sind. Mich mit ihnen auszutauschen und so gegenseitig voneinander zu lernen, empfinde ich als besonders bereichernd.
Welche Fähigkeiten sind bei Ihrem Job essentiell?
Von Bedeutung sind zunächst ausgezeichnete Kommunikationsfähigkeiten in deutscher und englischer Sprache sowie gute analytische Fähigkeiten. Neben Jurastudium ist es wichtig, Zusammenhänge gesamtwirtschaftlich betrachten zu können und zwischenmenschlich als Teamplayer agieren zu können. Man muss viel mit anderen zusammenarbeiten und auch wissen, wie man zum Beispiel ein Projekt leitet. Beispielsweise haben wir 2017 unter meiner Leitung die Grundsätze, nach denen die BaFin Geldbußen in der Wertpapieraufsicht zumisst, nun in WpHG-Bußgeldleitlinien niedergelegt. In der Wertpapieraufsicht ahndet die BaFin Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen – etwa zur Ad-hoc-Publizität, zu den Stimmrechten und zur Bilanzkontrolle – mit Geldbußen. Ein Projekt zu leiten erfordert nicht nur eine konzeptionelle Stärke, sondern auch andere Fähigkeiten. Der Umgang mit den verschiedenen Stakeholdern eines Projektes erfordert ein hohes Maß an sozialer Kompetenz und Empathie. Menschenkenntnis und Personalführung sind von herausragender Bedeutung. Als Projektleiterin muss ich in der Lage sein, die sich teils widersprechenden Interessen zu managen. Ich benötige Augenmaß, konsequentes Handeln - und den Mut, falls erforderlich, in schwierigen Situationen Entscheidungen zu treffen.
Früher haben Sie als Anwältin in einer Großkanzlei gearbeitet. Weshalb haben Sie sich für einen Wechsel zur BaFin entschieden?
An der BaFin hat mich besonders gereizt die Möglichkeit, in der Aufsicht nicht nur national, sondern auch international gestalten und regulieren zu können. Durch meinen Doktorvater Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Schneider, Direktor des Instituts für internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz - bin ich mit der Bafin damals in Kontakt gekommen. Das Thema lautete "Vom Grauen zum weißen Kapitalmarkt". Die Arbeit behandelte unter anderem die Aufsicht über Finanzdienstleistungsvermittler und ist immer noch aktuell. Die Bundesregierung hat ausweislich des Koalitionsvertrags vom 7. Februar 2018 anerkannt, dass die im deutschen Recht angelegte Ungleichbehandlung von WpHG-Wertpapierfirmen und Finanzanlagenvermittlern abgestellt werden soll, indem die Aufsicht über die Finanzanlagenvermittler sukzessive auf die BaFin übertragen wird.
Dies ist folgerichtig, denn die BaFin ist nicht nur zentraler Kompetenzträger für Wertpapieraufsichtsthemen. Sie ist in das Europäische System der Finanzaufsicht, insbesondere die Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA, eingebettet, was für eine einheitliche Anwendung des vornehmlich europäisch geprägten Kapitalmarktaufsichtsrechts von Vorteil ist. Somit kann die BaFin aufgrund ihrer Aufsichtspraxis und Fachkompetenz eine einheitliche sowie wirksame Kontrolle aller Anbieter von Finanzinstrumenten und damit auch des Finanzmarktes gewährleisten. Insgesamt ist dies ein gutes Beispiel, weshalb ich meine Arbeit bei der BaFin als sehr sinnvoll und erstrebenswert empfinde. Unsere Aufgabe ist es, die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes zu fördern und damit die Anleger zwar nicht individuell, jedoch aber in ihrer Gesamtheit zu schützen.
Inwiefern haben Sie im Rahmen Ihrer Karriere die Möglichkeiten, international zu arbeiten, genutzt?
Zu Beginn war ich im Internationalen Referat der BaFin tätig. Ich war im vorletzten Jahr für ein Secondment bei der Securities and Exchange Commission (SEC) in den USA und wurde dabei von der BaFin gefördert. Dort habe ich im Internationalen Office gearbeitet, das zuständig für die weltweite Zusammenarbeit ist.
Darüber hinaus bin ich als Vertreterin der BaFin im ESMA Enforcement Network seit über zwei Jahren aktiv. Wir haben unter meiner Leitung eine Task Force gebildet, um die Auswirkung der Sanktionszumessung nach dem neuen europäischen Sanktionsregime auf das Verhalten im Kapitalmarkt zu messen und streben eine Angleichung der Aufsichtspraktiken an. Es interessiert mich sehr, mich auch wissenschaftlich damit auseinanderzusetzen, wie Sanktionen das Verhalten beeinflussen. Weitgehend anerkannt ist, dass die staatliche Reaktion auf Fehlverhalten angemessen ausfallen sollte. Einerseits gibt es ein ausgeprägtes und an den Ahndungszwecken Abschreckung und Spezialprävention ausgerichtetes Bedürfnis dafür, dass gravierende Verstöße verfolgt und ggfs. hart sanktioniert werden. Im Hinblick auf weniger schwerwiegendes Fehlverhalten darf aber nicht aus den Augen verloren werden, dass durch die Verfolgung und ggfs. Sanktionierung derjenigen, die sich sehr um die Einhaltung ihrer Pflichten bemüht und dennoch Fehler gemacht haben, kaum regelgetreueres Verhalten ausgelöst würde. Dabei spielen Möglichkeiten zur Verhaltenssteuerung und ethischen Selbstverpflichtung des Management, aber auch des Einzelnen im Unternehmen zur Verhinderung von Verstößen eine große Rolle (Compliance).
Die Nutzung von Künstlicher Intelligenz wirft auch in diesem Zusammenhang viele neue und komplexe Herausforderungen für Finanzaufsicht und –regulierung auf. Der zunehmende Einsatz von Künstlicher Intelligenz löst komplizierte Haftungsfragen aus. Die Letztverantwortung für Entscheidungen darf nicht an den Computer oder an Algorithmen abgewälzt werden, sie muss beim Menschen bleiben. Hierbei ergeben sich Rechtsprobleme insbesondere hinsichtlich der Zurechnung des Verhaltens autonomer Systeme. Herausforderungen, die ein einzelner nationaler Gesetzgeber oder gar eine einzelne nationale Aufsichtsbehörde allein nicht schultern kann. Regulierung und Aufsicht müssen voraussichtlich in Zukunft noch stärker auf europäischem oder vielfach gar globalem Feld stattfinden.
Sie haben sowohl einen Doktortitel als auch einen LL.M. erworben. Wie wichtig waren diese beiden Titeln für Ihren persönlichen Karriereweg?
Für viele Tätigkeiten – sei es in der Verwaltung, der Justiz, der Anwaltschaft oder freien Wirtschaft ist eine Promotion ein „Nice-to-have“, aber keine Bedingung. Inwieweit eine Promotion sinnvoll ist oder nicht, lässt sich kaum verallgemeinern.
In jedem Fall helfen die hierdurch erworbenen Fähigkeiten. Ich habe durch die Doktorarbeit gelernt, mich mit Ausdauer und Willen allein einem Thema zu widmen, dieses zu erforschen und auch zu Ende zu bringen. Die Promotion ist daher auch unter Juristen und bei einigen Arbeitgebern nach wie vor eine gern gesehene Zusatzqualifikation. Wer sich über einen längeren Zeitraum intensiv mit einem Thema beschäftigt hat, stellt seine analytischen Fähigkeiten unter Beweis und dokumentiert zugleich ein gewisses Maß an Organisationstalent und Durchhaltevermögen.
Beim LL.M. fand ich neben der Sprache auch den internationalen Austausch sehr bereichernd. Ich habe in vielen Case Studies verschiedene kulturelle Herangehensweisen an Probleme kennengelernt. Das ist etwas, was man auch im Alltag immer noch nutzen kann. Und natürlich habe ich dadurch ein großes lebenslanges Netzwerk.
Wie sieht es bei der BaFin mit weiblichen Führungskräften aus?
Die BaFin ist da auf einem guten Weg. Wir haben eine stellvertretende Präsidentin, zwei Direktorinnen, einige Abteilungsleiterinnen und viele Referatsleiterinnen.
Viele Frauen arbeiten in Teilzeit. Wie stehen Sie zu diesem Konzept?
Teilzeit ist in betreuungsintensiven Phasen eine tolle Errungenschaft. Gerade als die Kinder kleiner waren, war ich glücklich, dass ich in Teilzeit arbeiten konnte. Ich bin sehr dankbar, dass die BaFin anstrebt, die Arbeitsbedingungen familienfreundlich zu gestalten, indem sie – im Rahmen der gesetzlichen und betrieblichen Möglichkeiten – die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienleben vereinfacht. So bietet die BaFin etwa individuelle Teilzeitregelungen, eine moderne, gleitende Arbeitszeitvereinbarung und ein Kontingent von Telearbeitsplätzen. Gerade die Telearbeit bietet ein Arbeitsmodell, das mir die Wahrnehmung von interessanten Aufgaben auch von zu Hause aus ermöglicht.
Allerdings kann sich Teilzeit auch zu einer Falle entwickeln. Ich beobachte, dass nicht nur Juristinnen, sondern unabhängig von dem jeweiligen Beruf und Arbeitgeber Frauen, die in Teilzeit arbeiten, sich selbst mehr und mehr rausnehmen. Hinzu kommt, dass in Deutschland immer noch nicht gerne gesehen wird, dass Frauen ihre eigenen Interessen und Wünsche gegenüber der Erziehung des Kindes und der Hausarbeit vorziehen. Zuweilen wird man daher immer noch als Rabenmutter angesehen, so dass man glaubt sich rechtfertigen oder ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. In der Altersklasse von 30 bis 54 Jahren arbeitet derzeit jede zweite Frau in Teilzeit und zwar im Durchschnitt 21,5 Stunden. Ein Großteil dieser Teilzeitfrauen will daran auch bis zur Rente nichts ändern. Das hat das Bundesfamilienministerium gemeinsam mit dem Delta-Institut für Sozial- und Ökologieforschung in einer Studie kürzlich festgestellt. Angesichts des Fachkräftemangels liegt in den teilzeitbeschäftigten Frauen jedoch ein riesiges Potential.Frauen investieren viel Zeit und Geld in ihre Ausbildung. Doch kaum sind die Kinder da, ziehen sich viele in die Teilzeit zurück, bleiben dort und riskieren damit ihre Altersvorsorge. Ich würde deshalb raten: Frauen, traut Euch zur Vollzeit und lasst Euch dafür auch gerecht und angemessen bezahlen!
Welche Erfahrungen haben Sie im Hinblick auf Ihr Geschlecht als stellvertretende Referatsleiterin gemacht?
Nur gute. Ich habe nie Benachteiligungen aufgrund meines Geschlechts wahrgenommen.
Gleichberechtigung ist auch für Sie außerhalb Ihres Berufs ein Thema. Wie setzen Sie sich dafür ein?
Ich engagiere mich im Rahmen des Stipendiums, das ich während des Studiums erhalten habe. Die Unterstützung, die ich bekommen habe, möchte ich auch weitergeben. Wir sind Ehemalige Stipendiatinnen der Förderwerke und organisieren eine "Elefantinnenrunde". Hierbringen wir einmal im Jahr erfolgreiche Frauen und Frauen mit großem Potential zusammen und zeigen Wege zur Verwirklichung der Gleichberechtigung im Beruf auf. Dazu gibt es Diskussionsrunden und Workshops. Wir wollen dadurch zu gleichberechtigter Teilhabe beitragen und schaffen ein Netzwerk der gegenseitigen Unterstützung und des Austauschs. Als kommende Themen haben wir uns Digitalisierung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie vorgenommen.
Frau von Buttlar, Sie haben drei Söhne. Wie lassen sich bei Ihnen Beruf und Familie vereinbaren?
Der größte Unterstützer für meine berufliche Karriere ist mein Mann, weil er bereit war und ist, neben seinem Beruf einen großen Teil der Familienarbeit zu übernehmen. Ich genieße die Möglichkeit mich beruflich und privat entwickeln zu können. Ich bin eine gute Juristin, weil ich eine Frau und Mutter bin; und ich bin eine gute Mutter und Frau, weil ich Juristin bin. Meine drei Söhne haben mich enorm bereichert und haben zumeist viel Verständnis für ihre arbeitende Mutter. Natürlich ist es mein Ziel, meinen Kindern Geborgenheit zu geben und für sie da zu sein. Dafür muss man aber nicht rund um die Uhr da sein. Andere Einflüsse als nur durch mich fördern auch die Selbstständigkeit meiner Kinder. Für deren gute Förderung lohnt es sich in Eigeninitiative Lösungen zu suchen und den beispielsweise aufgrund einer Vollzeitarbeit erzielten Mehrerlös in eine gute Kinderbetreuung zu investieren.
Wichtig ist auch zwischen Arbeit und "Leben" im Sinne einer Work-Life-Balance nicht zu unterscheiden. Allein dieser Begriff unterstellt, dass man nur lebt, wenn man nicht arbeitet und umgekehrt. Ich liebe meinen Beruf und es macht mir Freude die Früchte meiner Arbeit zu sehen. Bei aller Freude, die die Aufgabe macht, darf man sich selbst allerdings nicht ganz vergessen.
Langfristig ist es von großer Bedeutung, das innere Gleichgewicht zu behalten. Immer nur Arbeiten führt irgendwann zum "Leerlaufen der Batterien". Wie sie am besten "regelmäßig" geladen werden, ist individuell sehr unterschiedlich. Für mich ist es regelmäßiger Sport, manchmal auch Musik oder auch einfach "nichts tun". Gerade bei einer Doppelbelastung durch Familie und Beruf kann dies zeitlich schwierig werden. Ich halte es aber für sehr wichtig, dass man sich solche persönlichen Freiräume schafft.
Wann haben Sie sich entschieden, zusätzlich eine Lehrtätigkeit anzunehmen und was bedeutet das für Sie?
Ich habe meine erste Lehrtätigkeit zwei Monate nach der Geburt meines ersten Sohnes an der Fachhochschule Wiesbaden mit Vorlesungen im Europarecht und Einführung in die Juristische Methodik angetreten. Ich wollte das schon immer mal machen, und dachte, dass die einjährige Elternzeit hierfür eine gute Gelegenheit wäre. Daraus sind dann 6 Jahre geworden und meine Elternzeit war schon lange wieder vorbei. Später habe ich dann auch an der Fachhochschule Aschaffenburg eine Vorlesung im Börsen- und Kapitalmarktrecht gehalten. Derzeit unterrichte ich an der EBS Universität in Wiesbaden.
Mir macht es vor allem Spaß, mit den jungen Leuten zusammenzuarbeiten und versuche alles, was ich in der Lehre tue, aus dem Blickwinkel des Studierenden zu betrachten. Studenten einfach nur eineinhalb Stunden vollzutexten, bringt gar nichts. Vor allem, wenn sie frisch von der Schule kommen und noch keine großen Kenntnisse haben. Gerade dann ist es wichtig, dass man trotz großem Expertenwissen auf dem richtigen Niveau anfängt.
In der Ausbildung geht es ja nicht nur um juristisches Wissen, sondern auch die Vermittlung von Fähigkeiten, z.B. zur Analyse und Durchführung von Konfliktgesprächen. Wir simulieren diese Situationen, was sehr gut angenommen wird. Ich finde die Diskussion gut, die daraus entsteht, man wird hinterfragt und muss alles erklären. Man wird ja während seiner langjährigen Arbeit zum Experten und durch die Lehre muss man dann wieder zum Anfang zurück, das Wissen aufbereiten und kann sich dadurch selbst manche Dinge besser erschließen.
Gibt es etwas, das Sie jungen Juristinnen mit auf den Weg geben möchten?
Dass man bereit ist, auch neue Wege zu gehen, ist mir sehr wichtig. Ich muss meinen Weg erkennen und aufhören, auf die Weganweisungen anderer, seien es Eltern, Freunde oder Bekannte, zu hören. Es gibt auch viele Ausreden, nicht meinen eigenen Weg zu gehen, wenn ich mich auf die Weganweisung von anderen verlasse.
Finden Sie daher am besten heraus, welche Themen Sie interessieren und versuchen Sie die Motive dahinter zu erkennen. Die Welt ist voller Möglichkeiten und am Anfang ist oft unklar, wie die eigene Richtung sein wird. Genießen Sie diese Vielfalt und erforschen Sie Ihre eigene Welt!
Und Chancen erkennen und nutzen. Es hat keinen Sinn, sich so viel Sorgen zu machen, sondern wenn es soweit ist, dann sagt man sich, man schafft das und dann schafft man das auch. Als Juristin hat man zwei Staatsexamina, man ist in der Lage fast alles zu machen und muss keine Angst haben, nicht gut genug zu sein. Trau Dich: es ist Dein Leben!
Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte und wieso?
Prof. Dr. Juliane Kokott, ist Generalanwältin am EuGH. Ich kenne sie leider nicht persönlich, aber ihren Werdegang finde ich sehr faszinierend. Als Generalanwältin hat sie viele Entscheidungen des EuGH nachhaltig beeinflusst. Die hohe Wertschätzung für ihre Arbeit zeigt sich auch in ihrer ungewöhnlich langen Amtszeit: Wenn diese 2021 endet, hat sie dieses Amt 18 Jahre inne – länger als die meisten vor ihr. Sie hat sechs Kinder und hat mit dem dritten Kind eine Professur übernommen. Das hat mich nachhaltig beeindruckt.
Vielen Dank für das Gespräch und die Zeit, die Sie sich dafür genommen haben!
Frankfurt am Main, 10. Januar 2019. Das Interview führte Jennifer Seyderhelm.
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