Dr. Katharina Schlücke im Porträt
"Es ist an der Zeit, Frauen im Steuerrecht sichtbarer zu machen!"
Dr. Katharina Schlücke, Senior Associate bei SMP, über die selbstinitiierte Behauptung von Frauen in männerdominierten (Rechts-)Bereichen, die besondere Bedeutung von Authentizität für den beruflichen und persönlichen Werdegang und den Mut auch in unbequemen Situationen offen zu kommunizieren.
Frau Dr. Schlücke, Sie sind bereits in jungen Jahren erfolgreiche Senior Associate bei Schnittker Möllmann Partners (SMP). Haben Sie sich Ihren Karriereweg so vorgestellt?
Mein Weg war zunächst alles andere als vorhersehbar: Bevor ich mit dem Studium begonnen hatte, galt es die Wahl zwischen Jura und Malerei zu treffen – zwei gegensätzliche Disziplinen, die mich jeweils auf ihre Weise in den Bann zogen. Als es dann Jura wurde, war bereits nach kurzer Zeit mein Ehrgeiz geweckt, denn die Inhalte faszinierten mich und das juristische Denken machte mir Spaß. Ich erkannte, wie wichtig es mir war (und noch immer ist), dass ich abends mit dem Gedanken nach Hause komme, dass ich um einige Erkenntnisse reicher bin und mehr weiß als am Morgen. Mit dieser Begeisterung bin ich dann entschlossen, aber immer mit dem Gefühl, das Richtige zu tun, meinen Weg gegangen.
Welche Fähigkeit hat Sie Ihrer Meinung nach entscheidend nach vorne gebracht und wie haben Sie diese gefördert?
Eine meiner Stärken ist Authentizität. Es ist für mich ausschlaggebend, mit mir und meinen Werten im Einklang zu sein und danach zu handeln. Ich stehe immer voll und ganz hinter jedem Schritt, den ich mache – (m)eine Voraussetzung, um langfristig zu überzeugen. Dabei kann es durchaus auch zu gewissen Reibungen und Meinungsverschiedenheiten mit anderen kommen – ein mitunter ungemütlicher Prozess. Ich habe aber für mich gelernt, dass es auf diesen Einklang ankommt und man ehrlich mit sich selbst sein muss, wenn man seinen ganz eigenen Weg gehen will – unabhängig von fremdgesetzten Parametern. Das erfordert natürlich auch eine Menge Mut und vor allem Fingerspitzengefühl für die jeweilige Situation. Und man darf niemals vergessen, dass jede Entscheidung auch ihren Preis einfordert! Deshalb sollte man sich bereits im Vorfeld Gedanken darüber machen, ob man bereit ist, diesen Preis zu zahlen.
Welche Faktoren motivieren Sie Ihren Weg so entschlossen (weiter) zu gehen?
Das, was ich beruflich und privat mache, soll mich erfüllen. Erfüllung bedeutet für mich gleichermaßen fordernde und bereichernde Aufgaben zu bewältigen: mein Anspruch ist es, jeden Tag ein Stückchen mehr zu wachsen, nicht stehen zu bleiben. Selbstverständlich kann das nicht ausnahmslos gewährleistet sein. Dieser Grundpfeiler ist für mich gleichwohl essentiell, um erfolgreich zu sein und mich jeden Morgen aufs Neue daran zu erfreuen, was ich mache. Wenn das irgendwann nicht mehr der Fall ist, muss sich etwas verändern.
Etwas, was Sie erfüllt hat, war wohl die überaus erfolgreiche Organisation der ersten IFA Network (WIN) Tax Conference. Dafür sind Sie in diesem Jahr mit dem Chambers Diversity & Inclusion Future Leader Gender Diversity Award ausgezeichnet worden. Eine besondere Leistung! Wie kam es dazu?
Die Chancengleichheit von Frauen ist eine Herzensangelegenheit von mir. Ich engagiere mich nebenberuflich u.a. sehr im WIN-Netzwerk; das ist das Frauennetzwerk der International Fiscal Association (IFA), einer globalen Vereinigung für Steuerrechtler. Das WIN-Netzwerk agiert sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene. In Deutschland haben wir vor zwei Jahren beschlossen, dass es an der Zeit wäre, Frauen im Steuerrecht sichtbarer zu machen. Die Fachkonferenzen sind auf den Podien leider immer noch ziemlich männerdominiert. Darauf angesprochen hört man von den Veranstaltern meistens, dass es einfach keine Frauen gäbe, die man als Panellisten benennen könnte. Das Anliegen von WIN ist dies zu ändern, indem Frauen im Steuerrecht sichtbarer gemacht werden. Aus dieser Motivation ist vor zwei Jahren die Idee entstanden, dass das Netzwerk eine eigene Fachkonferenz organisiert, auf der die Panels überwiegend mit weiblichen Sprecherinnen besetzt sind. Die WIN Tax Conference war geboren und gleich die erste Veranstaltung war mit fast 300 Teilnehmern ein riesiger Erfolg! Es war u.a. dieses Engagement, dass die Jury überzeugt hat, mir den Award in dieser Kategorie zu verleihen.
Wie funktioniert erfolgreiches Netzwerken für und zwischen Frauen?
Frauen netzwerken anders als Männer: Frau ist über alle Hierarchiegrenzen hinweg schneller beim Du und tauscht sich offener über Themen – darunter auch nebenberufliche – aus. Es geht etwas unbefangener zu. Diesen Umgang empfinde ich als sehr angenehm – auch, weil er bereits vor dem zweiten Bier an der Bar gepflegt wird. Trotzdem müssen Frauen (gerade auch die jungen Kolleginnen) grundsätzlich noch mehr lernen ihre Netzwerke weiter aufzubauen und auch zu nutzen: An der ein oder anderen Stelle gilt es Scheu abzubauen und die neu kennengelernte Kollegin einfach anzurufen, wenn ihre Expertise gefragt ist und Hilfe verspricht. Nur so kann die gegenseitige Unterstützung Früchte tragen.
Wenn wir schon über gegenseitige Unterstützung sprechen: Wie können und sollten junge KollegInnen diese für sich in Anspruch nehmen?
Für mich war es eine beruhigende Erkenntnis, durch Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen herauszufinden, dass alle im selben Boot sitzen: Jeder kämpft beim Berufseinstieg damit, die richtige Balance zwischen beruflicher Auslastung und Freizeit zu finden, hat Schwierigkeiten sich in die gewachsenen Strukturen der Kanzlei einzuordnen und weiß in manchen Situationen nicht, wie er oder sie sich strategisch klug verhält. Sich über diese Erfahrungen auszutauschen und gegenseitig Tipps zu geben, schafft Sicherheit und trägt auch zu angenehmer Zugehörigkeit im anfänglich empfundenen Haifischbecken bei. So erspart man sich das ein oder andere Zweifelskarrussell.
Kann das umgekehrt nicht auch einschüchtern?
Natürlich – aber wenn man sich bewusst ist, dass alle eigentlich „nur mit Wasser“ kochen, wird einiges leichter. Außerdem kann es helfen, wenn man in Erfahrung bringt, wie das Gefüge der jeweiligen Kanzlei gestrickt ist. Mit wem sollte man sich mal zum Lunch verabreden, welche Eigenheiten weist der Partner, für den man arbeitet, auf und bei wem sollte man sich eher zurücknehmen...
Das klingt nach Strategie... wie steht es um Strategie vs. Fleiß?
...die Mischung macht’s. Fleiß sollte immer gezielt eingesetzt werden und ist unerlässlich, um einen gewissen Vorsprung an Expertise aufzubauen. Primär geht es darum seinen eigenen Weg zu finden und für sich selbst herauszufinden, welcher Instrumente man sich dafür bedient. Dabei sollte man sich aber unbedingt immer selbst treu bleiben! Eine Rolle zu spielen, die nicht zur eigenen Persönlichkeit passt, ist in jedem Fall hinderlich.
... wofür Ihren Worten nach die persönliche Erfüllung auch eine Voraussetzung ist. Wie hängt das mit der strategischen Etablierung einer eigenen Marke als Anwältin zusammen?
Wenn jemand authentisch und geradlinig ist, hat man in der Regel eine „rundere“ Ausstrahlung und ein schärferes Profil innerhalb und außerhalb der Kanzlei. Es ist bekannt, für was man steht. Diese Wirkung sollte jede Anwältin für ihre Marke geschickt nutzen und mit vorhandener Expertise paaren. Damit erhöht sich die Sichtbarkeit und die Wahrscheinlichkeit, sich für bestimmte Positionen oder Mandate zu qualifizieren. Die Bedeutung einer eigenständigen Marke sollte auch im mitunter konservativ geprägten juristischen Markt nicht unterschätzt werden.
Welche Fehler sind Ihnen auf Ihrem Weg unterlaufen und was haben Sie aus Ihnen gelernt?
Klare Kommunikation ist – sowohl im beruflichen als auch im privaten Kontext – unerlässlich, denn das Gegenüber kann einfach nicht in den eigenen Kopf hineinschauen. Nur durch eine klare Kommunikation der eigenen Wünsche, Erwartungen und Ziele lassen sich die entsprechenden Weichen für die eigene Karriere stellen. Wenn man hingegen darauf wartet, dass der andere die eigenen Wünsche und Bedürfnisse erkennt, erzeugt das nur unnötigen Frust. Zudem muss man sich stets klarmachen, dass man bei einer offenen Kommunikation nichts zu verlieren hat, sondern immer nur gewinnen kann, weil man auf jeden Fall ein Feedback seines Gegenübers bekommt. Das musste ich in meiner eigenen Karriere leider auch erst (schmerzlich) lernen. Seitdem weiß ich, worauf es ankommt, z.B. einfach die Hand heben, wenn man etwas veröffentlichen will, Fortbildungswünsche fundiert darlegen und Feedback konkret einfordern.
Ist es das, was Sie sich von oder für die „Juristinnen der nächsten Generation“ wünschen? Mehr für sich einzustehen?
Zuallererst sollten sie aufhören zu schweigen und mutig sein, auch die Dinge aus- und anzusprechen, die häufig nicht thematisiert werden: (Erfolgreiche) Anwältin für eine Kanzlei zu sein ist immer ein Deal: Man leistet gute Arbeit gegen Bezahlung bei (idealerweise) fairen Bedingungen. Dabei spricht man sich als Berufsanfängerin häufig die Berechtigung ab, bestimmte Tätigkeitsgestaltungen einzufordern, selbst wenn es der Qualität der Arbeit zuträgt. Wenn die Mehrheit sich so verhält und schweigt, verändert sich nichts. Deshalb ist es wichtig, diese Bedürfnisse zu betiteln und so seine „Dealbedingungen“ eigenverantwortlich vorzubringen anstatt sich unterbuttern zu lassen.
Man erlebt Sie als sehr ehrliche Gesprächspartnerin. Welchen Fußabdruck wollen Sie hinterlassen?
Ich möchte, dass ich als authentische Persönlichkeit wahrgenommen werde: Ich kenne mich selbst inzwischen so gut, dass ich weiß, wie ich meine Fähigkeiten, Interessen und Talente gezielt und gewinnbringend einbringen kann. Die Erkenntnisse dieses Prozesses weiterzugeben, ist mir wichtig. Nur so kann man viele Kolleginnen mit auf die Reise nehmen! Wir sollen uns gegenseitig Mut machen, unseren individuellen Weg zu finden und zu gehen – ohne sich zu verstellen. Dazu zählt auch, Dinge ins Verhältnis zueinander zu setzen, augenscheinliche Selbstverständlichkeiten wertzuschätzen und sich von überkommenen Statusvorstellungen zu lösen. Wichtig ist mir, Dinge aktiv selbst anzugehen, Veränderungsprozesse anzustoßen und kontinuierlich weiterzuverfolgen; auch wenn dieser Prozess durchaus frustrierend sein kann.
Möchten Sie zum Abschluss noch etwas teilen, was Sie besonders bewegt hat?
Interessante Frage! Es gibt tatsächlich etwas: Alles, was passiert, hat eine bestimmte Bewandtnis und führt zu etwas Neuem. Deshalb lohnt es sich, stets genau hinzusehen und Konsequenzen aus scheinbar zufälligen Ereignissen zu ziehen. Manches erklärt sich allerdings auch erst in der Retrospektive.
Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?
Meine Doktormutter Prof. Dr. Johanna Hey, alternativ Prof. Dr. Juliane Kokott (Generalanwältin am EuGH).
Vielen Dank für das Gespräch und die Zeit, die Sie Sich dafür genommen haben!
Hamburg, den 3. Dezember 2019. Das Interview führte Anna Sophie Eckers.
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