Sommerreihe
Kathrin Sundermann im Porträt
„Ich wollte in einem internationalen Umfeld interessante Menschen kennenlernen.”
Kathrin Sundermann, LL.M.-Studentin am College of Europe in Brügge, im Rahmen unserer Sommerreihe zu ihrem LL.M.-Studium am College of Europe, über ihre Erfahrungen, in einem internationalen Umfeld zu studieren, sowie über die Vorteile eines LL.M.-Studiums im Vergleich zur Promotion.
Kathrin, Du bist ganz frisch wieder zurück aus Brügge, wo Du Deinen Master of European Law im letzten Jahr absolviert hast. Wie kam bei Dir der Wunsch auf, diesen LL.M. am College of Europe zu machen?
Ich habe bereits während meines Studiums ein Erasmusjahr in Toledo, Spanien, gemacht und war sehr begeistert davon, das spanische Recht besser kennenzulernen und mit so vielen anderen internationalen Studierenden in Kontakt zu treten. Bereits danach hat sich der Wunsch verfestigt, im späteren Verlauf meines Studiums nochmal ins Ausland gehen zu wollen. Ich habe mich allerdings erst nach dem Rechtsreferendariat entschieden, meinen LL.M. zu machen. Man benötigt sehr viel Vorlaufzeit zwischen Bewerbung und Antritt des LL.M. (insbesondere aufgrund der einzureichenden Bewerbungsunterlagen, z.B. Sprachzertifikate oder Gutachten von Professor*innen), was bei mir zeitlich mit dem Abschluss des ersten Staatsexamens nicht zusammengepasst hat. Ich habe mich entschieden, zunächst das Referendariat zu machen, auch wenn ich weiterhin den LL.M. im Ausland im Kopf hatte. Nach meinem zweiten Staatsexamen hatte ich das Gefühl, dass mir durch Corona zwei Jahre meiner Ausbildungszeit „genommen” worden sind und ich habe mich noch nicht bereit gefühlt, direkt ins Berufsleben einsteigen. Insofern bot sich an, meine „versäumte” Studienerfahrung im Ausland durch einen LL.M. nachzuholen.
Über meine Erfahrung während einer meiner Stationen im Referendariat beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der Europaabteilung hat sich mein Interesse am Europarecht verfestigt. Zudem habe ich mich insbesondere darauf gefreut, eine Art zweite Erasmus-Erfahrung machen zu können. Das College of Europe in Brügge hat eine sehr einzigartige Struktur, was den LL.M. im Europarecht angeht (zum Kursaufbau und zum studentischen Umfeld noch mehr im weiteren Verlauf dieses Interviews). Zudem wird man von hochqualifiziertem Lehrpersonal (auch aus der Praxis) in deren Spezialgebieten im Europarecht unterrichtet. Kurzum: Das College of Europe mit dem Master of European Law war für mich die erste Wahl!
Was sind die Inhalte des Masters of European Law?
Am College of Europe gibt es neben dem Master of European Law weitere Masterstudiengänge, wie z.B. den Master of Arts (MA) in European Political and Governance Studies, Master of Science (MSc) in European Economic Studies oder den MA in EU International Relations and Diplomacy Studies. Dies macht das Studienumfeld sehr divers und spannend, weil sich unterschiedliche Fachdisziplinen auf dem Campus in regem Austausch miteinander befinden.
Der Master of European Law beinhaltet im ersten Semester (in meinem Fall Mitte September bis Ende Dezember 2022) Grundlagenfächer im Europarecht wie die Grundfreiheiten, Rechtsbehelfe, das europäische Verfassungsrecht und das Wettbewerbsrecht, welche Pflichtkurse darstellen.
Im zweiten Semester (in meinem Fall Anfang Januar bis Mitte Juni 2023) hat man dann eine sehr breite Auswahl an Seminaren aus verschiedenen EU-Rechtsgebieten. Insgesamt belegt man im ersten Semester fünf und im zweiten Semester sechs Kurse. Bei der Wahl der Kurse ist die Vorgabe zu beachten, dass man etwa zur Hälfte englischsprachige und zur anderen Hälfte französischsprachige Kurse aussuchen muss. Die Masterarbeit kann man im Kurs seiner Wahl schreiben, muss diese allerdings auf der Sprache verfassen, die für den Kurs vorgegeben ist. Ich habe mich beispielsweise entschieden, meine Masterarbeit zur „Rechtmäßigkeit des EU-Exportgenehmigungsmechanismus für COVID-19-Impfstoffe” zu schreiben. Die Semesterzeiten und Klausurenphasen sind sehr eng getaktet – die Masterarbeit musste ich beispielsweise Anfang Mai schon abgeben.
Am College of Europe gibt es eine „flying faculty”, das heißt man wird von Professor*Innen unterrichtet, die selbst nicht in Brügge leben und daher für einzelne Kurse extra in die Stadt kommen. Dies führte dazu, dass man regelmäßig auch samstags Unterricht hatte und meist erst in der Woche vorher Bescheid bekommen hat, wie der Unterricht in der daraufkommenden Woche stattfindet.
Wie ist das Bewerbungsverfahren konkret abgelaufen?
Zunächst bewirbt man sich auf einem Online-Portal mit den klassischen Bewerbungsunterlagen, wie Motivationsschreiben, Lebenslauf, zwei Referenzschreiben, Sprachnachweisen sowie seinen Zeugnissen. Die Bewerbungsfrist ging bei mir bis Mitte Januar (für den Septemberbeginn). Ende März hatte ich dann ein mündliches Bewerbungsgespräch mit der deutschen Auswahlkommission. Hierzu muss man wissen, dass die einzelnen Staaten ihre eigenen LL.M.-Studierenden aussuchen und diese ans College of Europe schicken. Das Bewerbungsgespräch beinhaltete zum einen fachliche Fragen, zum anderen aber auch Fragen zur Person und zur Motivation. Man sollte darauf vorbereitet sein, in deutscher, englischer und französischer Sprache antworten zu können. Für alle vier Masterstudiengänge in Brügge (also nicht nur für den LL.M.) werden insgesamt ca. 30-40 Deutsche aufgenommen. Mitte bis Ende April habe ich dann Bescheid bekommen, dass ich für den LL.M. genommen wurde.
Wie hast Du Dir Dein LL.M.-Studium (samt Unterkunfts- und Verpflegungskosten) finanziert?
Die Studiengebühren inklusive Kosten für Unterkunft und Verpflegung betrugen 26.000 Euro. Glücklicherweise vergibt das Bundesministerium für Bildung und Forschung an die meisten deutschen Studierenden großzügig Teilstipendien. Für dieses Stipendium bedarf es keiner zusätzlichen Bewerbung, sondern man bewirbt sich automatisch mit der Master-Bewerbung darauf. Vereinzelt kann man sich auch auf spezielle Stipendien vom College of Europe bewerben. Ich habe dazu ein Stipendium des DAAD erhalten, wofür ich mich – noch bevor ich die Zusage für das College of Europe hatte – beworben hatte.
Man bekommt vom College of Europe ein Zimmer mit eigenem Bad gestellt, wohnt auf dem Campus in Studierendenwohnheimen und wird vor Ort verpflegt. Dies ist alles in den Studiengebühren mitinbegriffen. Das Zusammenleben ist intensiv, weil man mit seinen Mitstudierenden vom Studium bis zur Freizeit alles teilt. Aber genau dies macht auch den besonderen Charme der Hochschule aus. In meiner Residence haben 80 Leute gewohnt; insgesamt befanden sich 340 Studierende auf dem Campus.
Oftmals stehen junge Jurist*innen vor der Entscheidung entweder zu promovieren oder einen LL.M. zu machen. Was spricht aus Deiner Sicht für den LL.M?
Ich habe selbst ein halbes Jahr vor meinem LL.M. mit der Promotion angefangen. Mein Doktorvater ist ein großer Verfechter davon, den LL.M. in das Dissertationsvorhaben miteinzubauen, was sich beispielsweise bei rechtsvergleichenden Themen oder einem europarechtlich determinierten Thema durchaus anbietet. Mit dem Beginn der Dissertation habe ich aber schnell gemerkt, dass das intensive wissenschaftliche Arbeiten zwar spannend ist, ich aber Schwierigkeiten habe, mich über einen so langen Zeitraum hinweg selbst zu motivieren. Während des LL.M. hat sich weiter herauskristallisiert, dass ich mein Promotionsprojekt nach meiner Rückkehr nicht weiterverfolgen möchte.
Ein LL.M. bietet die Möglichkeit, sich in einem vorstrukturierten Rahmen mit spannenden Fragestellungen intensiv auseinanderzusetzen. Er dauert auch nur ein Jahr, während eine Doktorarbeit in der Regel viel mehr Zeit in Anspruch nimmt. Die inhaltlichen Möglichkeiten sind sehr vielfältig; man kann für sich selbst festlegen, welche fachlichen Schwerpunkte man setzen will. Zudem befindet man sich in einem ganz besonderen Umfeld, in dem Leute aus aller Welt zusammen studieren und zusammen leben und in dem man Teil einer sehr engen Gemeinschaft wird. Mit der Promotion wird man eine solche Erfahrung kaum erleben können. Sollte man also Lust auf eine intensive Auslandserfahrung haben (und sich mit der Selbstmotivation schwer tun), würde ich einen LL.M. im Vergleich zur Doktorarbeit wärmstens empfehlen.
Von der Entscheidung, was im Berufsleben „besser ankommt”, würde ich letztlich die Auswahl zwischen Doktorarbeit und LL.M. nicht abhängig machen. Verfolgt lieber das, was euch besser liegt und worauf ihr am meisten Lust habt. Und wenn man sich nicht entscheiden kann und genügend Kapazitäten hat, kann man auch beides machen.
Was würdest Du anderen LL.M.-Interessierten an Tipps für die Vorbereitung und für die Erfahrung vor Ort mitgeben?
In der Vorbereitung ist wichtig, dass man sich rechtzeitig um die Bewerbungsunterlagen kümmert. Dabei gilt zu beachten, dass man insbesondere für die Sprachnachweise eine gewisse Vorlaufzeit benötigt. Des Weiteren sollte man sich klarmachen, dass der LL.M. (je nach Land, Format und fachlicher Auswahl) kein Urlaubsjahr ist; der LL.M. wird einem nicht geschenkt, sondern man muss wirklich viel dafür tun. Dabei sollte man aber nicht vergessen, sich auszuprobieren und vor allem Spaß daran zu haben, sich mit anderen auszutauschen.
Vor Ort kann ich nur empfehlen, an vielen der angebotenen sozialen Aktivitäten teilzunehmen. Diese können von Podiumsdiskussionen zu aktuellen politischen Themen bis hin zu traditionellen Tanzkursen oder Musikveranstaltungen reichen. Das Besondere am College of Europe ist, dass letztlich auch fast das gesamte Freizeitleben auf dem Campus stattfindet. Dies gibt einem die Chance, in einem ungezwungenen Rahmen sehr unterschiedliche Leute kennenzulernen. Man hat sehr viele Veranstaltungen von der Uni und lebt in dieser Zeit auch in einer Art „Bubble”.
Ich habe mir bei all dem Trubel bewusst Zeit genommen, mich in kleineren Gruppen intensiver auszutauschen und die einzelnen Personen wirklich kennenzulernen. Des Weiteren ist es wichtig, sich auch ausreichend Zeit für sich selbst zu nehmen, da das Jahr andernfalls mit wenig Schlaf sehr hart werden kann.
Auch für die Klausurenphase war es für mich sehr hilfreich, mir vor Augen zu führen, was meine Hauptmotivation des LL.M. war: Ich wollte vor allem in einem internationalen Umfeld noch einmal sehr interessante und sympathische Menschen kennenlernen. Und genau das hat geholfen, selbst in den stressigen Phasen einen netten Ausgleich mit meinen neu gewonnen Freunden zu haben.
Würdest Du den LL.M. nochmal machen? Und falls ja, gäbe es etwas, was Du anders angehen würdest?
Ich war von meiner Zeit am College of Europe begeistert, würde den LL.M. genauso nochmals machen. Da ich mit einer klaren Erwartungshaltung in die Zeit meines LL.M. gestartet bin, habe ich nicht das Gefühl, etwas anders machen zu wollen.
Vielen Dank für das spannende Interview!
München / Mannheim, 1. Juli 2023. Das Interview führte Hülya Erbil.
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