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Lea Detambel

Sommerreihe

 

 

Lea Detambel im Porträt

 

Den Fokus im Referendariat von Anfang an auf die Examensklausuren legen!

 

 

 

 

Lea Detambel, Associate bei Sullivan & Cromwell LLP, im Rahmen der Sommerreihe über ihre Erfahrungen im Referendariat, den Einfluss des Referendariats auf ihre Berufswahl und einige Tipps für die Examensvorbereitung.

Lea, Du hast Dein Referendariat in Hessen absolviert und arbeitest seit drei Monaten als Rechtsanwältin. Was ist Dir aus den zwei Jahren des Referendariats besonders in Erinnerung geblieben?

Mir sind besonders zwei Dinge in Erinnerung geblieben. Vor allem meine Station bei der Staatsanwaltschaft und meine Station am Verwaltungsgericht. Beide Stationen waren sehr spannend und ich konnte einiges lernen und mitnehmen! Außerdem erinnere ich mich leider auch an die Frustration während des Referendariats aufgrund der Ausbildungsqualität, der Organisation und die an uns gestellten, gefühlt sehr hohen Erwartungen.

Du hast Deine Anwalts- und Wahlstation in der Strafrechtskanzlei kempf schilling + partner (bzw. HammPartner Rechtsanwälte) absolviert und hast nun als Associate bei Sullivan & Cromwell LLP in Frankfurt angefangen. Inwiefern hat Dich das Referendariat im Hinblick auf den Berufseinstieg beeinflusst?

Das Referendariat hatte einen großen Einfluss auf meine Berufswahl. Das lag auch daran, dass ich es gezielt dazu genutzt habe, um noch einmal über den mir schon bekannten juristischen Tellerrand hinauszublicken. Daher habe ich die Wahl- und Anwaltsstation explizit auf Gebiete gelegt, die ich vorher noch nicht gut kannte, die mich aber interessierten. Dadurch konnte ich anschließend eine reflektierte Berufswahl treffen. Während des Referendariats habe ich mir daher auch Rechtsbereiche wie das Wirtschaftsstrafrecht angesehen und konnte während der Straf-, Zivil- und Verwaltungsstation auch die Arbeit als Richterin bzw. Staatsanwältin kennenlernen. Das waren alles spannende und interessante Stationen. Dennoch entschied ich mich zum Berufseinstieg für meine jetzige Kanzlei, in der ich bereits als wissenschaftliche Mitarbeiterin gearbeitet habe. Nach den Erfahrungen im Referendariat wusste ich, dass mir die Arbeit als Wirtschaftsanwältin am meisten Spaß machen wird.

 

Letztlich hat mir das Referendariat dabei geholfen, mich für ein Berufsfeld zu entscheiden. Ich empfehle aber auch jeder bzw. jedem, schon vor dem Referendariat, potentielle Arbeitgeber beispielsweise als wissenschaftliche:r Mitarbeiter:in kennenzulernen. So kann um aus einem noch größeren Pool an Erfahrung schöpfen, um für einen selbst den passendsten Beruf zu finden.

Mit dem Referendariat beginnt auch die Stationsarbeit. Neben Einführungslehrgängen, der Arbeitsgemeinschaft und der Einzelausbildung bleibt oft nicht viel Zeit zum Lernen übrig. Wie hast Du Dich organisiert, um Stationsarbeit, die Examensvorbereitung und Deine Freizeit unter einen Hut zu bekommen?

Das erforderte anfangs einiges an Organisationsgeschick. Ich habe mich daher schon sehr früh im Referendariat recht streng organisiert. Vor allem auch deshalb, weil ich nicht erst die „Tauchphase“, also die Lernzeit, zum Ende der Anwaltsstation, zur Verfügung haben wollte, um den Examensstoff das erste Mal richtig zu lernen.

 

Konkret habe ich zu Beginn der jeweiligen Ref-Woche einen Lern- und Zeitplan erstellt. In den Plan habe ich alle Pflichttermine wie zum Beispiel in der Strafstation die Regel-AG, den Sitzungsdienst und meine Termine mit meinem Einzelausbilder eingetragen. Um die Termine herum habe ich dann meine Lernzeiten gelegt. Durch die Pläne hatte ich auch einen guten Überblick darüber, was ich bereits wiederholt habe und welchen Stoff ich erst noch lernen musste. Außerdem habe ich auch von Beginn an ein Repetitorium besucht. Die Qualität der Arbeitsgemeinschaft ist leider sehr von dem bzw. der jeweiligen AG-Leiter:in abhängig. Die Repetitoriums-Unterlagen gaben mir daher vor allem auch einen strukturierten Überblick über die für das Examen wichtigen Themenbereiche. Die Unterlagen habe ich dann während der jeweiligen Ref-Stationen nachgearbeitet und konnte so die Tauchphase vor allem zur Wiederholung und Vertiefung nutzen. Natürlich sieht die ideale Vorbereitung für jede:n anders aus! Mir hat die strikte Organisation und Planung allerdings sehr bei der Vorbereitung auf die Examensklausuren geholfen.

Worin liegen aus Deiner Sicht die allgemeinen Unterschiede in der Vorbereitung auf das Erste und Zweite Staatsexamen?

Aus meiner Sicht war das Zweite Examen deutlich vorhersehbarer. Für das Erste Examen habe ich viel grundlegender und breiter, also deutlich mehr „auf Verständnis“ gelernt als für das Zweite Examen. Zwar dauert es etwas, bis man in die neuen Klausurtypen und den neuen Lernstoff wirklich reinkommt. Irgendwann kannte man aber die verschiedenen Klausurtypen, wie beispielsweise die Zivilurteilsklausur oder Zwangsvollstreckungsklausur im Zivilrecht oder die Revisionsklausur im Strafrecht recht gut und konnte sich gezielt darauf vorbereiten.

 

Außerdem hatte ich den Eindruck, dass sich insgesamt mehr Standardprobleme – wie beispielsweise das Feststellungsinteresse bei der Feststellungsklage – wiederholt haben. Auf die gängigen Prozessrechtsprobleme konnte man sich durch Probeklausuren gut vorbereiten. Im Gegensatz zum Ersten Examen hatte ich im Zweiten Examen das Gefühl, dass viele Punkte insofern auf der Straße lagen, als dass man die gängigen Probleme in der Examensklausur gut erkennen und die jeweiligen Punkte mitnehmen konnte. Statt der grundsätzlichen Frage „Wie löse ich den Fall?“ stand im Zweiten Examen für mich eher die Frage „Wie löse ich den Fall in der Zeit?“ und damit vor allem Zeitmanagement im Vordergrund. Daher habe ich während der Vorbereitung bestimmte Formalia oder Textblöcke zum Teil auch einfach auswendig gelernt, um sie in der Klausur schnell abrufen und herunterschreiben zu können.

Besonders häufig wird zur Vorbereitung auf das Zweite Staatsexamen empfohlen möglichst viele Probeklausuren zu schreiben. Sind Probeklausuren zur Vorbereitung auf das Zweite Staatsexamen aus Deiner Sicht noch einmal wichtiger als für das Erste Examen?

Klausuren schreiben empfand ich nicht unbedingt als wichtiger, schließlich sind Probeklausuren auch für das Erste Examen unerlässlich. Trotzdem habe ich in der Summe mehr Probeklausuren geschrieben als für das Ersten Examen. Ich denke das hing damit zusammen, dass gerade die „Standardprobleme“ im Zweiten Examen in Fleisch und Blut übergehen sollten, damit sie in den Examensklausuren keine Zeit kosten. Zeitmanagement im Zweiten Examen ist, wie eben bereits angedeutet, sehr wichtig und das sollte unbedingt geübt werden. Es ist vielleicht keine „rocket science“, den Tatbestand in der Zivilurteilsklausur zu schreiben, trotzdem kostet es aber wertvolle Zeit in der Klausur, wenn man das vorher nicht oft genug geübt hat.

Wie sah Deine Freizeit bzw. Dein Ausgleich während des Referendariats aus?

Ich habe viel Zeit mit Freund:innen verbracht, gelesen und Sport gemacht. Aus diesen Zeiten habe ich immer Kraft geschöpft und sie sind auch zu 100 % wichtig! Das Examen und die Vorbereitung darauf kosten viel Kraft. Spätestens ab dem Gefühl, dass man „Jura nicht mehr sehen“ kann, sollte man dringend eine Pause einlegen. Ich habe immer ausreichend Pausen gemacht und bin auch für mehrere Wochen in den Urlaub gefahren. Die größte Herausforderung im Zweiten Examen besteht meiner Erfahrung nach darin, die Nerven zu behalten. Das ist auch meiner Sicht vor allem mit einem gesunden Ausgleich machbar.

Neben dem Prozessrecht bildet das materielle Recht auch im Zweiten Staatsexamen einen Schwerpunkt. Wie hast Du materielles Recht während des Referendariats wiederholt?

Oberflächlich! Anfangs habe ich das materielle Recht vor allem über die Themen der jeweiligen Probeklausuren wiederholt. Meine Materialien zum Ersten Examen habe ich erst einmal nicht genutzt, da sie viel zu ausführlich waren. Die Wiederholung durch die Übungsklausuren war auch deshalb hilfreich, da ich schnell gemerkt habe, welche Themen aus dem materiellen Recht immer wieder drankommen. Die sollten also auch im Zweiten Examen sitzen, wie beispielsweise die Abgrenzung zwischen Raub und räuberischer Erpressung im Strafrecht. Etwas anders habe ich es nur im Öffentlichen Recht gemacht. Da ich das Bundesland gewechselt habe, musste ich mir das Hessische Landesrecht quasi erst einmal beibringen. Das habe ich dann gezielt mit einem Skript gemacht und auch nicht mit einem ausführlichen Lehrbuch.

 

So richtig ins materielle Recht bin ich dann erst wieder in der Tauchphase eingestiegen. Dort habe ich dann mit den Unterlagen aus dem Ersten Examen „neue“ Unterlagen in Form von Kurzskripten zu den jeweiligen Rechtsgebieten erstellt, mein Skript zum Strafrecht hatte dann beispielsweise ungefähr 20 Seiten.

Wann würdest Du empfehlen, mit der gezielten Examensvorbereitung zu beginnen?

Tatsächlich schon ab Tag eins des Referendariats. Dadurch kann man aus meiner Sicht den Stress zum Ende des Referendariats deutlich reduzieren. Nicht alles bis zur Tauchphase aufzuschieben, nimmt viel Druck aus den letzten Monaten vor dem Examen. Daher konnte ich einigermaßen entspannt in die letzten Monate vor dem Examen starten und den bereits gelernten Stoff vertiefen und wiederholen. Ich wusste bereits, wo die wesentlichen Schwerpunkte liegen und hatte einen guten Überblick über den Prüfungsstoff.

Angenommen, Du stündest noch einmal am Anfang des Referendariats: Gibt es etwas, das Du während des Referendariats oder bei der Examensvorbereitung anders machen würdest?

Ganz klar würde ich den Fokus im Referendariat von Anfang an auf die Examensklausuren legen! Ich habe anfangs noch viel Zeit mit der Stationsarbeit und dem vermeintlich „perfekten Urteil“ verbracht. Diese Zeit hat mir dann teilweise an anderen Ecken zum effektiven Lernen gefehlt. Natürlich ist es ein schönes Gefühl, gute Stationszeugnisse in den Händen zu halten. Im Ergebnis wäre ich mit weniger Fokus auf die Einzelausbildung allerdings auch gut ausgekommen. Außerdem besteht bei einem zu großen Fokus auf die Stationsarbeit auch die Gefahr, am Ende zwar großartige Stationszeugnisse, aber ein unterdurchschnittliches Examenszeugnis in der Hand zu halten, wenn viel zu viel Zeit in die Stationsarbeit geflossen ist.

 

 

Zurzeit wird vielfach über Reformen der Jura-Ausbildung gesprochen. Welche konkreten Verbesserungsvorschläge gäbe es aus Deiner Sicht für das Referendariat in Hessen?

(lacht) Wo fange ich da an… Ich halte es vor allem für sinnvoll, die Arbeitsgemeinschaften und deren Inhalte zu vereinheitlichen. Die AG-Leiter:innen sind ja oft schon jahrzehntelang im Beruf und damit auf ihrem Gebiet hochkompetent. Allerdings ist nicht jede:r AG-Leiter:in auch gut darin, dieses komplexe Wissen an uns Anfänger:innen weiterzugeben. Gepaart mit der Anwesenheitspflicht während der AG führte das bei mir und meinen Ref-Kolleg:innen oft zu großer Frustration, da man die AG-Termine schlicht effektiver zum Lernen hätte nutzen können.

 

Außerdem variiert die Qualität der Lernunterlagen deutlich. Je nachdem, in welcher AG man landet, erhält man entweder gar keine, lieblose oder top aufbereitete Lernunterlagen. Das war bei mir auch der Grund, weshalb ich mich letztlich für ein Repetitorium angemeldet habe. Natürlich gehört selbständiges (Er-)Arbeiten auch zu unserem juristischen Handwerkszeug. Ohne Unterlagen oder sinnvolle AG-Termine fühlt man sich aber auch im Hinblick auf die Bedeutung des Zweiten Staatsexamens nicht richtig ernstgenommen.

 

Außerdem würde ich bei den im Referendariat angebotenen Klausuren ansetzen. Wir haben oft keine oder nur skizzierte Lösungsvorschläge bekommen, deren Umfang auch von AG-Leiter:in zu AG-Leiter:in variierte. Das finde ich im Hinblick auf die Examensklausuren problematisch. Viele Referendar:innen buchen daher auch einen privaten und teuren Klausurenkurs. Die Problematik wird dadurch verschärft, dass es – anders als für das Erste Examen – nur wenige Fallbücher zum eigenständigen Erarbeiten von Klausuren gibt.

 

Zudem freue ich mir für alle künftigen Referendar:innen, wenn auch in Hessen endlich das E-Examen als Examensalternative angeboten wird. Es ist für mich völlig unverständlich, weshalb das Examen zusätzlich zu dem bestehenden psychischen Druck auch noch körperlich anstrengend sein muss. Manche Referendar:innen haben seit dem Ersten Staatsexamen mit wiederkehrenden Sehnenscheidentzündungen zu kämpfen. Das muss und sollte nicht sein.

 

 

Vielen Dank für das spannende Interview!

Frankfurt, 12. Juli 2023. Das Interview führte Helene Maskow. 

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