top of page
Luisa Rödemer.jpg

Dr. Luisa Rödemer im Porträt

„Die juristische Ausbildung und die Staatsexamina machen eine*n nicht aus.”

Dr. Luisa Rödemer, Senior Associate bei vangard I Littler, über ihren Weg zum Arbeitsrecht, die unterschiedliche Herangehensweise in der Vorbereitung auf das Erste und das Zweite Staatsexamen und ihre Promotionszeit in Dubai neben ihrer Berufstätigkeit. 

Luisa, Du bist Senior Associate bei vangard I Littler mit den Schwerpunkten Internationales Arbeitsrecht, Individualarbeitsrecht und Entsendung von Arbeitnehmenden. Zuvor hast Du fast vier Jahre in Dubai gelebt und dort für eine andere Kanzlei gearbeitet. Wie bist Du zu Deiner arbeitsrechtlichen Fokussierung gekommen?

Im fünften Semester meines Studiums habe ich ein Praktikum in einer Großkanzlei gemacht. Dort wurde ich mehr oder weniger zufällig dem Arbeitsrechtsteam zugewiesen, obwohl ich bisher nur wenig bis keine Erfahrung im Arbeitsrecht gesammelt hatte. Der Fachbereich hat es mir dann sehr angetan. Ich konnte das Team viel unterstützen und wurde insgesamt sehr facettenreich in die Arbeit eingebunden. Mein Eindruck war auch, dass die Tätigkeit in anderen Fachbereichen vielleicht nicht ganz so vielfältig war. Das Positive am Arbeitsrecht war für mich zu dem Zeitpunkt, dass ich immer genau wusste, wofür ich die jeweilige Tätigkeit ausübe wie beispielweise bei der Vorbereitung einer einstweiligen Verfügung gegen eine Maßnahme des Betriebsrates. Es ging selten nur um eine Teilfrage, die in einem Memo an den Partner zu beantworten war. So habe ich einen Einblick in das Große und Ganze bekommen.

 

Die Mischung aus Dauerberatung, Litigation und eiligen Rechtssachen gefällt mir bis heute sehr gut. Der Berufsalltag wird nie langweilig, was auch daran liegt, dass das Arbeitsrecht sehr von aktuellen Entwicklungen beziehungsweise dem Zeitgeschehen geprägt ist. Ein prägnantes Beispiel ist die flächendeckende Einführung von mobilem Arbeiten aufgrund der Pandemie in den letzten zwei bis drei Jahren. Da stellen sich viele Fragen, wie das rechtlich und tatsächlich umgesetzt werden kann. Das Arbeitsrecht ist da sehr nah am Nabel der Zeit und muss immer wieder auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren. Ein weiteres Beispiel ist der Ukrainekrieg. Hier kollidieren Fragen aus dem VISA- / Aufenthalts- und dem Arbeitsrecht, die es zu beantworten gilt.

 

Wie gestaltet sich Dein Arbeitsalltag als Rechtsanwältin?

Meine Tage sehen durchaus sehr unterschiedlich aus, meistens verbringe ich viel Zeit am Schreibtisch. Allerdings ist auch mein Alltag stark durch das mobile Arbeiten geprägt, weil es egal ist, ob ich aus dem Büro, von zuhause oder etwa von meinem Elternhaus aus arbeite. Das nutze ich gerne.

 

Mein Arbeitsalltag zeichnet sich ansonsten durch Meetings bei und Schulungen für Mandant*innen, Gesprächen mit Betriebsrät*innen als auch der Bearbeitung von kurzfristigen Anfragen, die sowohl intern als auch extern anfallen können, aus. Hinzu kommt, dass ich mich oftmals mit unseren ausländischen Büros für internationale Projekte koordinieren muss und daneben ist natürlich auch das Erstellen von Memos und Schriftsätzen ein wesentlicher Teil meiner Arbeit. Schließlich nehme ich natürlich auch Gerichtstermine vor den Arbeitsgerichten in ganz Deutschland wahr.

 

Ich habe also keine klassische Struktur, wie das vielleicht andere Rechtsanwält*innen haben, in dem Sinne, dass ich morgens alle meine Meetings und Telefonate – egal ob intern oder extern – absolviere und den Nachmittag und Abend zum Abarbeiten nutze. Vielmehr ist es eine bunte Mischung! Das wäre anders aufgrund der vielen ausländischen Mandant*innen, die ich (mit-)betreue, auch nicht möglich.

Hast Du Dir die Tätigkeit auch so vorgestellt?

So wie ich das jetzt mache, ja! 

 

Während des Referendariats hatte ich Schwierigkeiten mir vorzustellen, wie ich meinen Platz in der juristischen Welt finden soll. Ich hatte das Gefühl, dass viele Jurist*innen, die in die Großkanzlei gehen nur in Teilen ihre eigene Persönlichkeit so richtig entfalten können, sondern dass da oftmals „Arbeitsoldat*innen“ gesucht werden. Im Idealfall ist jede*r Einzelne eine Kopie der Partner*innen und ordnet sich dem System bestmöglich unter. Aus meiner Sicht durfte man bloß nicht in irgendeine Richtung auffallen, also weder zu präsent oder zu laut sein. Auf der anderen Seite hatte ich den Eindruck, dass manchmal auch gewünscht ist, dass man „überpräsent“ ist – also eine Art Rolle spielt. Darin habe ich mich nicht wiedergefunden.

 

Bis ich erkennen durfte, dass das nicht überall gefordert ist, sondern die eigene Persönlichkeit sehr wohl im Vordergrund stehen darf und gefördert wird, hatte ich sowohl das Referendariat als auch den Berufseinstieg absolviert. Das ist nicht nur kanzlei-, sondern ganz sicher auch extrem teamabhängig. In meinem jetzigen Arbeitsumfeld und Team fühle ich mich sehr als Mensch und Persönlichkeit wahr- und angenommen. So wie ich bin, ist das genau richtig und genau so habe ich mir die Arbeit als Rechtsanwältin auch vorgestellt.

Du hast in Bayreuth und Regensburg studiert und promoviert und am Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg Dein Referendariat absolviert. Warum hast Du Dich für das Jurastudium entschieden?

Das ist eine sehr romantische Geschichte: Der beste Freund meiner Großeltern war Richter am Landgericht Bochum – ich glaube, sogar Vorsitzender der Großen Strafkammer. Wenn er früher bei meinen Großeltern zu Besuch war, hing ich immer an seinen Lippen, als er die Geschichten aus seinem (Arbeits-)Alltag erzählt hat. Die Mischung aus den spannenden Erlebnissen und seinem umfangreichen Wissen hat eine große Faszination auf mich ausgeübt.

 

An meinem Gymnasium gab es dann das Fach Recht und Wirtschaft, sodass ich dort schon ein wenig in den juristischen Bereich hineinschnuppern konnte. Der nächste Schritt war dann ein Praktikum bei Gericht. Im Anschluss konnte ich mir dann sowohl vorstellen, Jura als auch Journalismus zu studieren. Das waren die beiden Alternativen. In der Oberstufe bei einer Berufsberatungsveranstaltung wurde mir sehr deutlich aufgezeigt, welche Möglichkeiten ich mit dem einen und dem anderen Studium habe. Bei Jura war vor allem klar, dass einer*m ganz viele Möglichkeiten mit dem Abschluss offenstehen, während das Journalismus Studium mich in meiner Auswahlmöglichkeit eher beschränken würde. Ich dachte, dass ich einfach mal mit Jura anfange und gucke, wie das so läuft. Es lief dann ziemlich gut für mich, sodass ich dann Semester für Semester weiter gemacht habe. Nach dem vierten Semester war dann klar: Jetzt kann ich auch nicht mehr abbrechen. Und so bin ich dabei geblieben.

Spricht man mit Jurist*innen, lässt sich zusammenfassend sagen, dass eine grundsätzliche Unzufriedenheit mit der juristischen Ausbildung besteht. Sind Dir während Deiner juristischen Ausbildung solche Schwierigkeiten begegnet?

(Lacht) Das kann man wohl sagen. Ein Teil der Schwierigkeiten hängt unmittelbar mit der Ausbildung zusammen. Man ist während des Studiums schon einem großen Druck ausgesetzt: Schließlich studiert man im Durchschnitt fünf Jahre, nur damit dann alle bisher erbrachten Leistungen weg sind und man nochmal bestätigen soll, dass man diese Leistung erbringen kann. Dabei entscheiden zwischen fünf bis acht Klausuren über das gesamte Berufsleben. Die Note im Staatsexamen ist immer noch unfassbar wichtig, auch wenn das „Neun-Punkte-Denken“ sich in Teilen ein wenig gelockert hat. Die Note ist maßgeblich dafür, welche Türen sich für eine*n öffnen.

 

Zusätzlich dazu gibt es unter Jurastudierenden sehr viel Missgunst und Neid. Es wird sich gegenseitig unter Druck gesetzt, weil jede*r besser sein möchte als die Anderen. Ich habe selbst erlebt, dass dafür Seiten geschwärzt und ausgerissen, Bücher versteckt und Wikipedia-Einträge verändert wurden, um sich selbst einen Vorteil gegenüber den Anderen zu verschaffen.

Wie sollte die juristische Ausbildung Deiner Ansicht nach verändert werden?

Ich finde das super schwierig einzuschätzen – sowohl abstrakt als auch mit dem Aufhänger bezüglich der aktuellen Diskussion rund um die Einführung eines Bachelorabschlusses.

 

Meines Erachtens wäre es wichtig, dass die Leistungen aus dem Studium anerkannt werden und nicht einfach vor dem Examen ihre Gültigkeit verlieren. Denn der große Druck kommt vor allem durch diese große Abschlussleistung, die ganz zum Ende des Studiums zu erbringen ist, bei der die Vorleistungen ohne Relevanz sind. Zudem verstehe ich den Sinn und Zweck dieser krassen Abschlussleistung und dem damit verbundenen Druck nicht. Worauf bereitet das später vor!? Das ist für mich überhaupt nicht ersichtlich.

 

Außerdem wäre es sicherlich sinnvoll, das Schwerpunktstudium zu vereinheitlichen und den Universitätswechsel zu vereinfachen und Studierenden dort nicht noch zusätzliche Steine in den Weg zu legen. Mir erklärt sich beispielsweise auch nicht, warum man in manchen Bundesländern die Examensklausuren abschichten darf und in anderen nicht. Das sorgt ebenfalls für ein Ungleichgewicht.

Im Juli 2017 hast Du Deinen eigenen Blog „luisahatrecht“ gegründet und seitdem eine Vielzahl an Beiträgen hochgeladen, u.a. zu Deinem Leben in Dubai und zu Deinen Erfahrungen mit der juristischen Ausbildung. Was hat Dich zur Gründung des Blogs bewogen?

 

Ich wollte mir damit eine Möglichkeit schaffen, das zu machen, was mit einem journalistischen Weg möglich gewesen wäre. Für mich ist und war der Blog eine Art öffentliches Tagebuch, in dem ich meine Gedanken, Sorgen und Meinungen aufschreibe. Ich hatte während des Studiums einen anderen Instagram-Account gegründet und dort in den Bildunterschriften schon mit einer Art Blogeinträgen in diesem Stile begonnen. Aufgrund des Feedbacks zu diesen Beiträgen habe ich gemerkt, dass da ein Bedürfnis für besteht: Andere fühlten auch wie ich oder auch ganz anders, aber es kam ein sehr hilfreicher Austausch zustande. Auf dem Blog konnte ich dann noch längere Beiträge verfassen und mich damit noch umfassender äußern, da die Zeichenanzahl unter den Beiträgen auf Instagram begrenzt war / ist.

In einem Deiner Blogbeiträge „Zwischen Essstörung und Prädikatsexamen“ schreibst Du über Deine Situation während der Vorbereitung auf das Erste Staatsexamen. Die Sozialen Medien, in denen Du Dich zeigst, fördern den Perfektionsanspruch und ein schlankes Schönheitsideal. Was hat Dir geholfen in der Examensvorbereitung auf das Zweite Staatsexamen nicht in dieselben Verhaltensmuster zu fallen? 

Ich habe mir ständig und gebetsmühlenartig klar gemacht, dass ich so wie ich bin, gut bin und, dass die juristische Ausbildung mich nicht ausmacht.

 

Ganz spannend in diesem Zusammenhang fand ich eine spätere Erkenntnis: Im Rahmen einer Berufsveranstaltung sollten alles Teilnehmenden sich in fünf Sätzen beschreiben, ohne den Beruf oder den Ausbildungsweg zu nennen. Da merkt man, wie schwierig das ist und wie sehr die eigene Identität mit dem Beruf verknüpft wird.

 

Unabhängig davon war mir während des Referendariats klar, dass ich diesen extremen Weg, den ich bei der Vorbereitung auf das Erste Staatsexamen beschritten habe, nicht nochmal im Zweiten Staatsexamen gehen kann. Dieser Druck, den ich mir selbst gemacht habe und dem ich mich ausgesetzt habe, der hat so viel gekostet; von mir, meinem Glück und meiner Leichtigkeit. Das wollte ich nicht nochmal alles verlieren. Mein Mantra war deswegen, dass das, was als Note beim Zweiten Staatsexamen herauskommt, genügt. Hinzu kommt, dass mir eher klar war, dass eine perfekte Vorbereitung aufgrund der ganzen äußeren Umstände gar nicht möglich wäre. Zusätzlich habe ich mir eine kurze Frist für die Vorbereitung gesetzt, um die potentielle Leidenszeit von vorne herein so gering wie möglich zu halten. Davor habe ich vor allem versucht, möglichst viel vom Leben mitzunehmen. Das hat auch deswegen so gut geklappt, weil ich frisch in Hamburg war und die Stadt und das Leben hier auch erstmal kennenlernen wollte.

Mit Deinem Blog „luisahatrecht“ und Deinem Instagram-Account „@luisahatrecht“ erreichst Du über 10.000 Follower. In Deinen Beiträgen deckst Du teilweise sehr private Themen ab und bist dadurch in einer exponierten Position. Wie gehst Du damit um, wenn Menschen auf diesen Plattformen kritisch und unsachlich werden?  

Dazu muss ich vielleicht vorab sagen, dass unter Umständen bei den Follower*innen der Eindruck entsteht, dass sehr viel Privates von mir geteilt wird. Das ist aber gar nicht der Fall. Ich gebe einen ehrlichen und persönlichen Einblick in mein Leben als Juristin. Zugleich gibt es auch einen Einblick in meine Freizeitgestaltung, das beschränkt sich aber auf den Bereich Beachvolleyball. Persönlich ist dabei nicht dasselbe wie privat. Das ist eine große Änderung, die ich im Vergleich zu meinem ersten Instagram-Account vorgenommen habe. Das führt dazu, dass ich wesentlich weniger kritischen Ansätzen ausgesetzt bin, weil ich wesentlich mehr informative Dinge teile.

 

Die Änderung habe ich vorgenommen, weil sich bei meinem ersten Account irgendwann die Art der Kommunikation im Miteinander verändert hat. Es gab Foren außerhalb von Instagram, in denen allgemein über Instagram Influencer*innen gelästert wurde. Ich hatte damals etwa 25.000 Follower*innen. Diese Zahl war aus meinem ursprünglich privaten Account gewachsen, auf dem ich eben auch Privates geteilt hatte. In den Lästerforen wurde dann nicht nur über mich hergezogen, sondern auch über meine Familie und mein privates Umfeld. Meine ursprüngliche Intention ermutigend zu sein und meine Erfahrungen zu teilen, wurde mir weggenommen und jedes Wort im Munde umgedreht. Schlimm war für mich gar nicht so sehr, wenn die Beleidigungen auf mich bezogen waren, aber unerträglich fand ich es, dass mein Umfeld da so sehr miteinbezogen und beurteilt wurde.

Deine Wahlstation hast Du in Dubai, der größten Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) absolviert, obwohl das ursprünglich nicht geplant war. Wie kam es dazu? 

Ich wollte unbedingt ins Ausland, weil ich weder in der Schulzeit noch während des Studiums die Gelegenheit hatte. Ich hatte mich dann ursprünglich beim Auswärtigen Amt beworben. Dies hat dann allerdings nicht geklappt – was ich aber erst knapp ein halbes Jahr vor Beginn meiner Station erfahren hatte. Mit sechs Monaten vor Stationsbeginn war ich dann sehr spät dran, denn eigentlich sollte man sich wohl mit etwa einem Jahr Vorlauf um Auslandsstationen kümmern. Ich habe dann angefangen wie wild und wortwörtlich weltweit zu recherchieren und etwa zehn bis zwanzig Bewerbungen pro Woche zu verschicken, weil ich eben unbedingt ins Ausland wollte. Ich hatte eigentlich nur ein Kriterium: Es sollte ein Ort sein, an dem Englisch gesprochen wird, Englisch aber nicht die Muttersprache der Einheimischen ist. Dies lag insbesondere daran, dass meine Englischkenntnisse zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht „the yellow from the egg“ waren.

 

Nach vielen Absagen und ausbleibenden Rückmeldungen kam dann eine deutsche Kanzlei auf mich zurück, die in den VAE eine Niederlassung hatte und mir einen Platz anbieten konnte. Bisher hatte sich niemand für diese Stelle beworben, denn im Zeitraum von Juli bis September sind in Dubai 52 Grad. Mir war das egal und ich habe zugesagt.

Deine Promotion im Strafrecht hast Du berufsbegleitend im Ausland begonnen und abgeschlossen. Ich stelle mir das als besonders herausfordernd vor, einerseits wegen der Doppelbelastung und andererseits wegen der eingeschränkten juristischen Ressourcen (z.B. eine juristische Präsenzbibliothek). Wie hast Du Deine Promotionszeit wahrgenommen und Dich organisiert? 

Das war vor allem mit sehr viel Disziplin verbunden: Ich habe in Teilzeit vier Tage die Woche in der Kanzlei und zwei Tage pro Woche an meiner Promotion gearbeitet. Weniger als vier Arbeitstage die Woche waren leider nicht möglich, das wäre sicherlich angenehmer gewesen. Insgesamt habe ich das in zwei Jahren durchgezogen und zwar vor allem auch, weil ich die zwei Dissertations-Tage wie normale Arbeitstage behandelt habe.

 

Aus meiner Perspektive ist vor allem wichtig, dass man für sein Thema sehr brennt, damit man da dran bleibt. Bei meinem Thema war der Vorteil, dass es viele Bezüge zu aktuellen Themen hatte und primär im Einleitungsbereich – den ich nach dem Zweiten Examen noch in Deutschland zu schreiben begonnen habe – wissenschaftlich aufgezogen war. Im weiteren Verlauf der Arbeit konnte ich dann viel mit Onlineangeboten arbeiten. Außerdem hatte ich eine wissenschaftliche Mitarbeiterin in Deutschland, die mich unterstützt hat und mir beispielweise Artikel und Kopien aus Kommentaren aus Deutschland zukommen ließ, wenn ich da etwas brauchte.

 

Insgesamt war die Promotionszeit schon eine krasse Herausforderung, ich würde es aber jederzeit nochmal so machen.

Die VAE sind dafür bekannt, Frauenrechte stark zu beschränken. Wie hast Du den Arbeits- und Lebensalltag dort erlebt? 

Dubai ist eigentlich das absolute Gegenteil zu dem, was man sich unter einer muslimischen Stadt vorstellt, denn Dubai ist sehr westlich ausgerichtet. Das bedeutet, dass sich Frauen absolut frei bewegen können. Eine Besonderheit ist vielleicht, dass es eigene Schlangen und Metroabteile für Frauen gibt und auch viele Ladiestaxen. Da haben Frauen also eher noch Vorteile. Außerdem herrscht in Dubai keine Verschleierungspflicht für Frauen (außer bei dem Besuch einer Moschee) und insgesamt kommt es immer mehr zur Liberalisierung. 

 

Dass es natürlich trotzdem eine Frage des Respekts bleibt, wie ich mich in bestimmten Situationen kleide, bedarf sicherlich keiner weiteren Erläuterung. Dass ich mich in einer Behörde eher bedeckt anziehe, ist selbstverständlich. Gleichzeitig habe ich beim Feiern gehen noch nie so leicht bekleidete Menschen gesehen wie in Dubai. Das kann man auch sehr gut auf den Sozialen Medien beobachten. Ansonsten war mein Eindruck, dass man sich als Frau zu jeder Tages- und Nachtzeit überall frei bewegen kann und sich sicher fühlt und es nur einige wenige Stadtteile und Straßenzüge gibt, in denen dies nicht der Fall ist.

 

Im Arbeitsleben habe ich auch keine Auswirkungen bemerkt. In den Behörden wie auch im Gericht haben aus meiner Wahrnehmung überdurchschnittlich viele muslimische beziehungsweise arabische Frauen gearbeitet. Die typischen Probleme als (junge) Frau hatte ich interessanterweise eher mit männlichen Kollegen oder Mandanten, wenn beispielsweise der klassische Mitt-50er Vorstandschef lieber mit dem Chef sprechen wollte als mit dem „Fräulein“.

Welche Juristin hat Dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso? 

Julia Viohl. Sie ist zum neuen Geschäftsjahr Equity Partnerin bei uns in der Kanzlei geworden. Bis dato war sie als arbeitstätige Mutter in Teilzeit schon Salary Partnerin geworden, was mich wahnsinnig beeindruckt. Neben ihrer tollen Persönlichkeit und der großartigen Zusammenarbeit ist sie mir auch dahingehend ein Vorbild, wie sie sich bezüglich des Themas Female Empowerment engagiert.

 

Spannend finde ich auch, dass sie für das Thema „Sexuelle Übergriffe“ und #metoo im arbeitsrechtlichen Kontext zuständig ist. Sie betreut diese Komplexe federführend. Die Einzelfragen, die sich dabei ergeben, sind zugleich sehr spannend und schwierig, insbesondere weil viele Fragen zu sexuellen Übergriffen auch stark die eigenen (moralischen) Ansichten tangieren können und man sich da selbst teilweise regulieren muss.

Vielen Dank für das spannende Interview!

Hamburg, Dezember 2022. Das Interview führte Karen Kelat.

Spannende Porträts, die Dich ebenfalls interessieren könnten:

Dr. Beatrix Schobel, Präsidentin des Landgerichts München I, über den Reiz Neues auszuprobieren, die Vielseitigkeit der Justiz und den Mehrwert von TeamarbeitWeiterlesen

Lucy Chebout, Senior Associate bei Raue, über die kritische Auseinandersetzung mit dem Recht, den Mut, ungewisse Pfade einzuschlagen, und die Bedeutung von Leidenschaft und Gemeinschaft im Beruf. Weiterlesen 

 

bottom of page