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Dr. Magda Papēde, LL.M. im Porträt

 

"What brought you here, won‘t bring you further."

Dr. Magda Papēde, LL.M., Partnerin bei Schultz-Süchting, über Unterschiede zwischen ihrem Heimatland Lettland und Deutschland, wie sie die deutschen Staatsexamina mit Leichtigkeit absolvierte und über ihren Weg zur Partnerschaft in der IP-Boutique Schultz-Süchting.

Liebe Magda, Du bist gebürtige Lettin und erst nach Ende Deiner juristischen Ausbildung in Lettland nach Deutschland gekommen, um dort zu promovieren. Wie kam es dazu?

In Lettland ist man im Vergleich zu Deutschland schon recht früh mit dem Studium fertig, nämlich nach fünf Jahren, und dann ist man ohnehin jünger, weil schon die Schulzeit kürzer ist. Ich habe erst einen LL.M. in Freiburg gemacht und sollte dann mit knapp 25 Jahren anfangen zu arbeiten. Da merkte ich schnell, dass mir die Zeit der Ausbildung noch nicht ausreicht und dass ich mich noch intellektuell weiter herausfordern möchte. Mir kam eine Promotion in den Sinn. In Freiburg hatte ich damals bei meinen Urheberrechtsvorlesungen Herrn Prof. Bornkamm kennengelernt. Er hatte mich sehr beeindruckt. Als ich ihn fragte, ob ich bei ihm promovieren könne, hat er gleich zugesagt. Für das Promotionsstudium habe ich ein DAAD-Stipendium erhalten. Meine Wahl fiel wegen der guten Promotionsbedingungen auf Deutschland, außerdem sprachen auch private Gründe für Deutschland.


Was waren die größten Herausforderungen für Dich dabei, in einer Sprache, die nicht Deine Muttersprache ist, zu promovieren?

Die Sprache war insofern eine Herausforderung, weil ich sprachlich eine Perfektionistin bin und schon in meiner Muttersprache manchmal länger an einer perfekten Formulierung sitze. Aber das war wie so vieles auch ein bisschen „learning by doing“. Mein Doktorvater war jedenfalls sehr zufrieden. Man muss auch sagen, dass ich ja schon vor meiner Promotion viele Berührungspunkte mit der deutschen Sprache hatte, also bereits in der Schule und an der Uni (wir hatten deutsche Gastprofessoren, die vom DAAD bezahlt wurden), während meinem Erasmus-Aufenthalt in Norddeutschland und im Zuge meines Masters in Freiburg.

 

Durch meinen Master kannte ich mich auch schon gut aus, was das Bibliothekssystem angeht usw. In Lettland ist es gar nicht so verbreitet, nach dem Studium noch zu promovieren, wenn man nicht in der Wissenschaft bleiben will. Das fand ich in Deutschland recht auffällig, dass hier so viele Juristen promoviert sind. Während meiner Dissertationszeit war ich nicht an einem Institut angesiedelt, sodass ich mich gut in der Bibliothek einleben musste und auf meinen eigenen Antrieb angewiesen war.

Du hast in Deutschland nach Deiner erfolgreich abgeschlossenen Promotion das erste und zweite Staatsexamen gemacht. Wie unterscheidet sich die juristische Ausbildung in Deutschland von der lettischen?

 

Die juristischen Ausbildungen unterscheiden sich sehr stark. In Lettland war es zumindest damals so, dass man fünf Jahre studieren musste, um sog. Diplomjurist zu werden. Es war relativ verschult mit geregeltem Studienplan. Man hat nach jedem Semester in der jeweiligen Vorlesung eine Prüfung geschrieben. Im letzten Jahr hat man praktische Erfahrungen beim Gericht, in der Verwaltung und bei der Staatsanwaltschaft gesammelt, eine Diplomarbeit geschrieben und ein universitäres Examen in den Hauptfächern geschrieben. Im Unterschied zu Deutschland absolviert man in Lettland die anschließende berufliche Ausbildung gezielt entsprechend dem angestrebten Beruf. Wer Anwalt werden möchte, lernt beispielsweise nicht zusätzlich für den Richterberuf. Die Anwaltsausbildung dauert allerdings fünf Jahre. Auch die Bedeutung der Noten unterscheidet sich: Sie sind zwar auch wichtig, aber spielen bei Weitem nicht so eine große Rolle wie hier in Deutschland. Lettland ist ja auch viel kleiner, da kommt es auch viel mehr auf den persönlichen Kontakt an.

 

Du hast das erste Staatsexamen in Hamburg absolviert, während Du im achten Monat schwanger warst. Hut ab! Wie war das damals für Dich?

Das war eine schöne Zeit. (lacht) Ich konnte mich sehr diszipliniert auf das Lernen konzentrieren, nach den langen Jahren der Promotion war das etwas Schönes, Konkretes, Greifbares. Ich habe mir ehrlich gesagt keine Gedanken gemacht, ob das klappt oder nicht – im Nachgang etwas naiv vielleicht, denn das Kind hätte ja auch viel früher kommen können (lacht) – aber so ging ich da recht entspannt damit um. Diese relaxte Haltung hat mir mehr genutzt als geschadet. Ich hatte im Hinterkopf, dass ich schon einen Abschluss in der Tasche habe und das hat den Druck, den viele Juristen angesichts des Staatsexamens hierzulande verspüren, völlig rausgenommen.

Nach dem ersten Staatsexamen hast Du ein Jahr Pause gemacht und bist dann ins Referendariat gestartet. Wie hast Du das mit Kleinkind bewerkstelligt?

Im Nachhinein erscheint mir das Referendariat eine gute Zeit, um ein Kleinkind großzuziehen. Denn man muss zwar viel lernen und leisten, aber man hat trotzdem viel mehr Freiheiten, als wenn man schon voll arbeiten würde. Insofern ging das recht gut. Mein Mann startete in dieser Zeit auch schon sehr früh morgens mit der Arbeit, damit er nachmittags unsere Tochter früher aus der KiTa abholen konnte. Wir haben uns zeitlich gut abgewechselt. Wenn man ein Kind hat, diszipliniert das auch sehr, weil man weiß, dass man nicht alle Zeit zur Verfügung und gewisse zwangsweise Lernpausen hat. Das hat in der Tat insgesamt eher geholfen. Ich war sogar drei Monate in der Verwaltungsstation in Berlin ohne meine Tochter, während mein Mann die Betreuung allein übernommen hat.

Nach Deinem zweiten Staatsexamen im Jahr 2017 bist Du in Teilzeit bei der Hamburger IP-Boutique Schultz-Süchting gestartet. Im Jahr 2023 wurdest Du dort Partnerin. Wie kam es zu dieser steilen Karriere?

Ich hatte die Kanzlei schon in der Anwaltsstation kennengelernt und fand die Jungs bei Schultz-Süchting sehr sympathisch – und sie mich vermutlich auch. (lacht) Als das Referendariat sich dem Ende zuneigte, wollte ich da einmal nachfragen, ob sie mich nehmen würden, in Teilzeit. Ich habe mir keine großen Hoffnungen gemacht, weil in einer kleinen Kanzlei nicht ständig offene Stellen zu besetzen sind. Aber siehe da, wir wurden uns schnell einig! Und so habe ich mit dreißig Stunden pro Woche angefangen, was gehaltstechnisch als 60 % berechnet wurde.

 

Ich habe sehr eng mit Dr. Lars Kröner zusammengearbeitet, war also „seine Associate“. Wir haben uns von Anfang an sehr gut verstanden. Den Wunsch, Partnerin zu werden, habe ich schon gelegentlich geäußert, was rückblickend hilfreich war. Lars hat 2022 entschieden, dass er nicht mehr als IP-Anwalt arbeiten will und so konnte ich das Dezernat übernehmen. Ich war also in gewisser Weise zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Welche Eigenschaften sollte man als Partnerin in einer Boutique Deines Erachtens mitbringens?

Man muss, auch wenn es banal klingt, Verantwortung übernehmen und das auch wollen. Man braucht Flexibilität und den Drang nach vorne, ebenso wie Offenheit und natürlich auch rechtliche Expertise. Allerdings ist der Spruch „What brought you here, won’t bring you further“ auch wahr – guter Anwalt sein reicht auf der Partnerschaftsebene nicht aus. Man braucht den Mut, nach außen zu treten und man sollte Spaß daran haben, Risiken aufzunehmen und seine eigenen Meinungen zu vertreten. Schließlich muss man sich gut mit den anderen Partnern verstehen – das ist in einer Boutique in einem kleinen Kreis besonders wichtig.

Wie hat sich Dein Arbeitsalltag durch die Beförderung zur Partnerin geändert? Was sind Deine aktuellen Herausforderungen?

Von außen betrachtet hat sich der Arbeitsalltag vielleicht nur bedingt geändert. Der Verantwortungsdruck ist aber enorm; schließlich steht man jetzt für jede Entscheidung und jeden möglichen Fehler ein, selbst wenn dieser von anderen verursacht wird. Dazu ist aber die innere Freiheit getreten. Obwohl mein Chef auch früher nie besonders darauf geachtet hat, wann ich komme oder gehe, ist das Freiheitsgefühl, wenn man sein eigener Chef ist und die Mandatsbeziehung selbst aufbauen kann, noch viel intensiver. Es ist ein bisschen, wie wenn man die Ehe schließt (lacht), eine eher formale Änderung, die an der inneren Einstellung aber viel ändert.

 

Die aktive Mandatsakquise ist als neuer, sehr wichtiger und zeitintensiver Aufgabenbereich hinzugetreten, weil man als Partnerin nicht nur Juristin, sondern auch Unternehmerin ist und damit für den eigenen wirtschaftlichen Erfolg und den der Kanzlei verantwortlich. Am Anfang habe ich mich und andere Anwältinnen gefragt, wie man die Mandatsakquise macht, weil man es ja nie lernt. Eine gute strukturierte Antwort konnte mir aber keiner geben, sprich, man muss einfach ins kalte Wasser springen und ausprobieren, was einem selbst am besten liegt. Inzwischen habe ich meinen Weg gefunden und mache dabei die Sachen, die mir liegen.

Hierzulande bemühen sich immer mehr Kanzleien um Frauen- und Familienförderung. Wie ist die Situation in Deinem Heimatland? Ist das dort gleichermaßen Thema?

Ich habe nicht das Gefühl, dass dieses Thema dort so hoch aufgehängt ist. In meiner Kindheit und Jugend habe ich es nie so erlebt, dass Frauen besonders anders behandelt werden als Männer. Es herrscht ziemliche Gleichberechtigung in Lettland. Die Kehrseite ist, dass die Frauen nach dem Ende der Elternzeit auch wirklich alle in Vollzeit arbeiten. Man ist komplett auf Fremdbetreuung und Großeltern angewiesen.

 

Was Frauen in Führungspositionen angeht, ist Lettland eher fortschrittlich. Schon Ende der 90er Jahre hatten wir eine Frau als Präsidentin, wir haben auch einen hohen Frauenanteil als Ministerinnen und die Führungspositionen in Wirtschaftsunternehmen sind vergleichsweise viel von Frauen besetzt. Vielleicht liegt es an der sowjetischen Periode, weil einfach alle arbeiten mussten und das auch taten. Es gab und gibt zuverlässige Kindertagesstätten. Als ich nach Deutschland gekommen bin, war ich sehr überrascht, dass die meisten Frauen in Deutschland, nachdem sie Kinder bekommen haben, nur noch in Teilzeit arbeiten. Ich finde diese Möglichkeit und die Wahlfreiheit, die hierzulande herrscht, zwar begrüßenswert, aber in Lettland ist das nicht Usus.

Du bist mittlerweile Mutter zweier Kinder und Dein Mann ist ebenfalls voll berufstätig. Wie gestaltet Ihr Euren Alltag als Familie?

Ich habe mein zweites Kind kurz nach Beginn meiner Tätigkeit als Anwältin bekommen. Ich habe von der Schwangerschaft direkt nach dem Bewerbungsgespräch erfahren und das sofort offengelegt. Die Kanzlei wollte mich aber trotzdem einstellen. Ich war nach ca. sechs Monaten in Mutterschutz und Elternzeit. Als ich wieder anfing zu arbeiten, haben wir eine Kinderfrau eingestellt, die uns dreißig Stunden pro Woche unterstützt und uns so den Rücken freihält. Das ermöglicht uns viele Freiheiten und auch Entspannung und wir müssen auch bei Ausfall von Kindergarten oder wenn das Kind mal kränkelt, nicht unseren Arbeitsalltag über den Haufen werfen. Mein Mann arbeitet auch noch viel spät abends und nachts. Da unsere Eltern leider nicht in der Nähe leben, war die Einstellung einer Kinderfrau für uns eine gute Lösung, die wir bis heute sehr schätzen.

 

Du wirkst sehr ausgeglichen und zufrieden, geradezu tiefenentspannt. Was ist Dein bzw. Euer Geheimnis?

(lacht) Das höre ich tatsächlich oft und es freut mich natürlich sehr. Ich habe kein Patentrezept, aber ich bin einfach sehr dankbar für mein Leben, ich habe einen super Partner, großartige Kinder und einen Job, der mich erfüllt. Seit ich Kinder habe, habe ich gelernt, dass es sehr wichtig ist, auf seine eigenen Bedürfnisse zu achten – und dabei auch kein schlechtes Gewissen zu haben. Damit fahre ich inzwischen sehr gut. Ich jogge z.B. regelmäßig nach einem Trainingsplan, den mir eine Trainerin erstellt hat, für den körperlichen Ausgleich. Seit einiger Zeit haben wir auch einen Rückzugsort in Lettland, an dem wir immer mit der Familie im Sommer sind. Gelegentlich fahre ich aber auch allein hin, um von dort aus zu arbeiten und Zeit für mich zu haben. Das sind Momente, in denen ich wieder neue Energie schöpfe.

Welche Juristin hat Dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Inese Lībiņa-Egnere, die lettische Justizministerin. Ich habe sie durch mein Studium in Freiburg kennengelernt, weil wir das gleiche Studienstipendium hatten. Als ich meinen LL.M dort gemacht habe, hat sie in Lettland promoviert. Sie war die Inspiration und der Grund für mich, noch zu promovieren. Sie ist eine wirklich sehr kluge, gleichzeitig aber auch feminine Frau, die gefühlt alles sehr gut schafft. Außerdem ist da noch Dana Beldiman, Professorin an der Bucerius Law School und Leiterin des dortigen IP-Centers. Ich finde sie sehr inspirierend, schon weil sie Professorin ist, aber auch weil sie beruflich in mehreren Ländern unterwegs ist und das auch mit einer gewissen Leichtigkeit angeht.

Herzlichen Dank für das spannende Interview!

Hamburg, 6. November 2024. Das Interview führte Dr. Graziana Kastl-Riemann.

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