top of page
243BEC59-B184-4D91-988A-34D872E9E742.png

Paula Ciré im Porträt

Klimaschutz betrifft alle Jurist*innen, für diesen können und müssen wir uns mit unterschiedlichster Expertise einsetzen.

Paula Ciré, Juristin bei ClientEarth über die Arbeit der NGO, einen Berufseinstieg im Bereich des Umweltrechts und die juristischen Möglichkeiten im Kampf gegen den Klimawandel.

Liebe Paula, Du arbeitest als Juristin bei ClientEarth. Kannst Du uns die Arbeit der Organisation kurz beschreiben?

ClientEarth ist eine global tätige Nichtregierungsorganisation (NGO), die mit Mitteln des Rechts für den Schutz allen Lebens auf unserem Planeten kämpft. Das sind z.B. strategische Klagen oder politische Einflussnahme – also der Einsatz dafür, dass Umwelt- und Klimabelange in der Gesetzgebung ausreichend berücksichtigt werden. In Deutschland haben wir uns in den vergangenen Jahren z.B. sowohl durch Klagen als auch die Arbeit zum Kohleverstromungsbeendigungsgesetz für einen möglichst schnellen Kohleausstieg eingesetzt.

Eure Arbeit beinhaltet unter anderem strategische Prozessführung. Was genau beutetet dieser Begriff?

Strategische Prozessführung bedeutet bei ClientEarth, durch gezielte Klagen systemischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel zu erwirken, um das Leben auf der Erde besser zu schützen. Klagen können Rechte einfordern oder rechtswidriges Handeln anfechten. So kann strategische Prozessführung auch Missstände aufzeigen und Bewusstsein für diese in der Gesellschaft schaffen.

Was sind Deine konkreten Aufgaben?

Ich nehme meine Arbeit als sehr abwechslungsreich wahr. Sie beinhaltet klassische juristische Arbeiten, wie z.B. das Verfassen von juristischen Gutachten, geht aber weit darüber hinaus. Neben die rechtliche Analyse treten immer auch strategische Erwägungen: Welche Veränderung können wir mit einer Intervention erzielen? Wie setzen wir unsere Ressourcen am besten ein? Wie kommunizieren wir unsere Arbeit? Darüber hinaus ist die Abstimmung mit Umweltverbänden, Umweltexpert:innen und Anwält:innen ein essentieller Teil meiner Arbeit.

Wie profitierst Du in diesem Beruf von Deiner juristischen Ausbildung?

Umweltrecht kommt in der juristischen Ausbildung leider immer noch viel zu kurz. Dafür habe ich durch juristische Ausbildung gelernt, mit einem gewissen Selbstvertrauen auch an unbekannte Fragen heranzugehen, mich in neue Themen einzudenken und Gedanken zu strukturieren. Außerdem hilft mir, dass ich weiß, wie Gerichtsverfahren ablaufen. Auch habe ich das Gefühl, dass der Meinung einer Juristin – mal zu Recht und mal nicht – gesellschaftlich ein gewisses Gewicht beigemessen wird.

Was motiviert Dich bei einer Umweltorganisation zu arbeiten, insbesondere mit Hinblick auf die Gehaltsunterschiede im Vergleich zu einer Tätigkeit in einer (Wirtschafts-)Kanzlei?

Vor allem natürlich der Zweck meiner Arbeit: Ich bin froh, mit einer ideell motivierten Tätigkeit meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Schon nach dem Referendariat habe ich gewusst, dass ich gern im NGO- und/oder Umweltbereich arbeiten will. Nirgendwo sonst habe ich so viele fähige, motivierte und zugleich auf einen guten Umgang miteinander achtende Menschen getroffen. Zuletzt kann ich so an wichtigen, oft auch kontroversen gesellschaftlichen und politischen Themen arbeiten.

Du warst vorher Referentin im Umweltministerium. Wie unterscheiden sich diese beiden Positionen?

Beides sind nach meiner Wahrnehmung in Bezug auf flexible Arbeitsbedingungen und das Bemühen um Gleichstellung und Diversität sehr fortschrittliche Arbeitgeber mit fähigen und netten Kolleg:innen. Dennoch unterscheiden sich die Arbeitsumfelder einer zivilgesellschaftlichen Organisation und des öffentlichen Diensts natürlich sehr. Bei ClientEarth habe ich gefühlt größeren Einfluss darauf, was genau ich tue und kann die Projekte, an denen ich arbeite, mitentwickeln. Außerdem arbeite ich in einem internationalen Team und in enger Kooperation mit anderen Umweltorganisationen.

Viele junge Jurist:innen möchten an der Schnittstelle von Klimaschutz und Recht arbeiten. Was würdest Du ihnen für den Weg dorthin raten?

Auf jeden Fall Gelegenheiten zu nutzen, sich mit Umwelt- und Klimaschutzrecht zu befassen – sei es im universitären Schwerpunkt, durch ehrenamtliches Engagement oder im Referendariat. Wichtig ist meines Erachtens auch, auf Umweltthemen insgesamt Lust zu haben. Der ganze Bereich ist nämlich auch sehr naturwissenschaftlich geprägt, was manchen mehr und anderen weniger gefällt.

Mein Learning insgesamt war: Es gibt – insbesondere zum Berufseinstieg – nicht für jede:n zu jedem Zeitpunkt die perfekte Stelle. Da braucht es manchmal etwas Geduld und Lust, Dinge auszuprobieren.

Wie laufen die Bewerbungs- und Beförderungsverfahren bei Euch ab?

Alle Stellen werden über unser Jobportal intern oder extern ausgeschrieben. Im mehrstufigen Verfahren wird darauf geachtet, allen Bewerber:innen unabhängig von sexueller Identität, Orientierung oder Herkunft gleiche Chancen zu geben.

Intern gibt es keinen Aufstiegsautomatismus, aber viele Möglichkeiten. Zum Beispiel gibt es sog. senior lawyer und die Möglichkeit, kleinere oder größere Teams zu leiten. ClientEarth unterstützt zudem die Entwicklung aller Mitarbeitenden durch regelmäßige Feedback- und Entwicklungsgespräche, in denen u.a. sinnvolle Fortbildungs- und Trainingsangebote geplant werden.

Wie ist die „Work-Life-Balance“ in Deinem Beruf?

Es gibt immer die Gefahr, zu viel zu arbeiten, wenn Du Dich mit Deiner Arbeit identifizierst, es großen Handlungsbedarf gibt und Du mit engagierten Personen zusammenarbeitest. Ich selbst würde meine Work-Life-Balance dennoch als sehr gut beschreiben. Sowohl Arbeitszeit als auch Arbeitsort sind bei mir sehr flexibel. Wenn ich Überstunden mache, gleiche ich sie später aus – und das wird von niemandem hinterfragt. ClientEarth bemüht sich nach meinem Eindruck zudem um ein gesundes Arbeitsumfeld, z.B. gibt es regelmäßige – natürlich anonyme – Umfragen zur Stimmung der Mitarbeitenden und Angebote wie Yoga zur Stressreduktion.

Du engagierst Dich bei „Lawyers for Future e.V.“. Was schätzt Du an der Initiative?

 

Mir ist der Grundgedanke wichtig: Klimaschutz betrifft alle Jurist*innen, für diesen können und müssen wir uns mit unterschiedlichster Expertise einsetzen. Ich hoffe sehr, dass diese Erkenntnis – durch Organisationen wie Lawyers for Future – auch in Wirtschaftskanzleien immer mehr durchsickert.

Frauen sind in den meisten juristischen Berufen noch unterrepräsentiert. Wie ist die Geschlechterverteilung bei ClientEarth?

Vergleichsweise gut, würde ich sagen. Insgesamt arbeiten bei ClientEarth mit 70 % sogar deutlich mehr Frauen als Männer. Verbesserungsbedarf gibt es aber immer, und auch wir können bei der Verteilung von Führungspositionen und Gehältern noch dazulernen, um diese gerechter gestalten. Das gilt übrigens auch in Bezug auf Diversität insgesamt.

Hast Du selbst schon mal Diskriminierungserfahrungen im beruflichen Kontext gemacht?

Mir sind zum Glück keine bewusst. Das liegt sicher auch daran, dass auf mich keine weiteren Diskriminierungsmerkmale zutreffen. Ich habe das Gefühl, dass das Hinterfragen patriarchischer Systeme und Machtstrukturen bei NGOs – im Vergleich zum privaten oder öffentlichen Sektor – schon früher angefangen hat. Trotzdem: Wenn ich mir anschaue, wie es um die Diversität in Führungspositionen steht oder wie kompetente Jurist:innen, die ich kenne, sich manchmal unterschätzen oder unterschätzt werden, denke ich: Es ist gesellschaftlich und bei jeder bzw. jedem Arbeitgeber:in noch viel zu tun.

Welche Juristin hat Dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Als ich meine Wahlstation im Referendariat bei ClientEarth gemacht habe, dachte ich zum ersten Mal: Hier arbeiten gleich eine ganze Reihe von Jurist:innen, in denen ich mich wiederfinde und die ich als Vorbild sehen kann. Sowohl dadurch, was sie tun, als auch, wie sie es tun. Das waren vor allem Ida Westphal und Laura von Vittorelli, die mich hauptsächlich betreut haben.

Vielen Dank für das spannende Interview!

Berlin, 28. April 2023. Paula Ciré hat die Fragen schriftlich beantwortet. Die Fragen stellte Anna Isfort.

Spannende Porträts, die Dich ebenfalls interessieren könnten:

Dr. Stephanie Gamp, Richterin am Bundesverwaltungsgericht, über ihre Liebe zum Öffentlichen Recht, dessen Wichtigkeit für einen funktionierenden Rechtsstaat und über eine Karriere in der Justiz mit vier Kindern. Weiterlesen

Gisela von der Aue, Berliner Justizsenatorin a. D., über ihre Zeit als Juristin in der Verwaltung und als Justizsenatorin in BerlinWeiterlesen

bottom of page