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Susanne Fabry im Porträt

„Habt keine Angst vor der Verantwortung!“

Susanne Fabry, Mitglied des Vorstandes und Arbeitsdirektorin bei der RheinEnergie AG in Köln, darüber, was sich seit ihrem letzten Interview mit breaking.through aus dem Jahr 2019 bei ihr verändert hat, was ihre größten Learnings der vergangenen Jahre waren und was sie rückblickend anders bzw. wieder genauso machen würde.

Susanne, was hat sich seit Deinem letzten Interview mit breaking.through bei Dir verändert?

Inzwischen bin ich im Vorstand der RheinEnergie AG. Zum Zeitpunkt meines ersten Interviews im Jahr 2019 war ich schon etwa ein Jahr bei E.ON in der Netzsteuerung tätig. Nach dem Interview hat sich, auch als ich noch bei E.ON gearbeitet habe, viel verändert, weil ich dort in eine andere Position gekommen bin. Es gab das große Projekt der Integration von Innogy, die wir von RWE erworben hatten. Ich habe das Thema Netzintegration operativ aus der Zentrale heraus betreut. Meine ursprüngliche Position gab es nach der Umstrukturierung nicht mehr und ich bin deshalb eine halbe Ebene „heruntergerutscht“, weil die Stelle, auf die ich mich gern beworben hätte, quasi automatisch von einem Mann eingenommen wurde. Dadurch hatte sich der Umfang meines Aufgabengebietes zwar reduziert, ich war dafür aber für die Betreuung von mehr Gesellschaften zuständig.

 

Nun bin ich schon seit über drei Jahren bei der RheinEnergie AG im Vorstand. Dort bin ich zuständig für Netze, Strom, Gas, Wasser, Fernwärme und die Wasserproduktion. Daneben bin ich Arbeitsdirektorin. Ich habe also zwei riesige Aufgaben. Das hat sich alles so ergeben. Als meine Kollegin und ich zur RheinEnergie AG kamen, wurde der Vorstand gerade von fünf auf vier Mitglieder verkleinert. Die drei Ressorts der vorherigen Kollegen wurden einfach auf uns zwei Frauen aufgeteilt. Da habe ich unter anderem das Personalressort übernommen und bin Arbeitsdirektorin geworden.

 

Das ist sehr spannend. Die Aufgabe der Betreuung von Netzen „konnte“ ich auch schon bevor ich in den Vorstand der RheinEnergie AG kam, obwohl das Netz zu übernehmen, durchaus eine Herausforderung war. Aber für das ganze Personal zuständig zu sein, ist viel Verantwortung. Die Rolle der Arbeitsdirektorin ist eine gesetzliche Rolle, die Rechte und Pflichten mit sich bringt und die ausgefüllt werden will. Es fühlt sich schon anders an, wenn man plötzlich für knapp 3.000 Menschen zuständig ist. Das muss ich schon ehrlich sagen. Ich war zwar schon einmal Geschäftsführerin bei der Avacon Netz Gesellschaft, wo wir knapp 1.000 Mitarbeiter*innen hatten. Auch war ich in der Zentrale von E.ON tätig. Dort hatte ich jedoch ein eher kleines Team von 20 Mitarbeiter*innen und habe dort die Innogy Integration mitbegleitet. Zwar nicht das Projekt selbst, sondern ich war diejenige, die aus der Zentrale die ganzen operativen Themen koordiniert hat. Als ich dann zur RheinEnergie AG gekommen bin, habe ich als Vorstand den Netzbereich und den Aufsichtsratsvorsitz in der Netzgesellschaft übernommen. Inzwischen gehört auch die Netzabrechnung dazu, sodass ich allein in dem Bereich knapp 1.200 Mitarbeiter*innen habe.

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Was waren Deine größten Learnings der vergangenen Jahre, insbesondere auch im Zusammenhang mit den beruflichen Veränderungen?​

Natürlich bringt jeder Positionswechsel Veränderungen mit sich. Die grundsätzliche Herangehensweise hat sich jedoch nicht geändert. Man darf keine Angst vor der Verantwortung haben. Wenn ich einen neuen Job übernehme, mache ich das immer so, dass ich schaue, was ich vorfinde, und überlege dann, wie ich es gerne zukünftig strukturieren würde.

 

Ich nehme gerne eine neue Position ein, weil ich Lust auf eine neue Tätigkeit habe, die mich interessiert. So bin ich aus der Zentrale von E.ON in den Vorstand der RheinEnergie AG gewechselt. Die RheinEnergie AG ist ein großer regionaler Versorger in Deutschland. Wir sind ein kommunales Gegengewicht zu anderen großen Konzernen. In der Rolle des Vorstandsmitglieds ist man für viele Aufgaben verantwortlich und es ist wichtig, dass man darauf achtet, wie die Dinge ankommen, die man so von sich gibt. Es wird schon sehr viel Wert auf das eigene Wort gelegt. Darüber muss man sich im Klaren sein. Ich freue mich immer, wenn Kolleg*innen bei mir anrufen und fragen: „War das wirklich so gemeint?“. Dann kann ich klarstellen, wie Dinge, die ich gesagt habe, gemeint waren. Oft wird in mein Wort sehr viel hinein interpretiert, weil ich im Vorstand bin. Dabei trotzdem seine eigene Art und eine gewisse Lockerheit zu bewahren, das sehe ich am Ende als eine wirkliche Kunst.

Was würdest Du mit Blick auf die juristische Ausbildung und / oder Deinen Berufseinstieg heute anders machen, und was auf jeden Fall genauso? Wieso?

Ich würde alles genauso wieder machen. Ich hatte vor dem Jurastudium eine Verwaltungsausbildung gemacht. Dort hatte ich gesehen, dass Männer aufgestiegen sind und Frauen „nur gearbeitet“ haben. Es gab zwar auch ein paar Frauen, die aufgestiegen sind, aber das war Ende der 90er Jahre unheimlich schwierig. Ich kannte damals keine wirklichen Erfolgsgeschichten von Frauen. Das hat sich heute in der Verwaltung komplett geändert. Ich hatte mich für den anstrengenden Weg des Jurastudiums entschieden mit dem Ziel danach wieder in die Verwaltung einzusteigen. Danach hatte ich auch meine Stationen im Referendariat ausgerichtet und unter anderem beim Städtetag sowie bei einem hauptamtlichen Bürgermeister gearbeitet.

 

Dass ich heute in der Energiebranche bin, hat sich ungeplant so ergeben. Ich habe in den Semesterferien bei einem Energieversorger vor Ort gearbeitet. Das würde ich heute genauso wiedermachen, weil Energie einfach eine superspannende Materie ist. Ich habe in diesem Bereich als Juristin angefangen. Wir waren ein kleiner Energieversorger und daher sehr wendig. Ich habe erst Telekommunikations- und dann Energierecht gemacht. Die Tätigkeit im Energierecht war einer meiner Erfolgsfaktoren, weil wir so wenige Jurist*innen in diesem Bereich waren. Mein Kollege und späterer Chef hatte damals die „klassischeren Bereiche“, wie Arbeits-, Gesellschafts-, Handels- und Steuerrecht, bearbeitet. Das Energierecht war damals eher ein „schmutziges Nebengeschäft“ und das habe ich übernommen.

 

Es gab in der Zeit noch fast keine Regelungen im Energierecht. Ich habe mit den Ingenieuren viele Sachen während der Liberalisierung des Energiemarktes entwickelt. Ich habe Durchleitungsverträge geschrieben und diese mit RWE verhandelt, wir haben Netznutzungs- und Netzanschlussbedingungen entwickelt, viel auch im Kraftwerksbereich betreut und Regelenergieausschreibungen. Es ging um richtig harte Themen, die gerade erst dabei waren, sich zu entwickeln. Die Ingenieure brauchten immer mein Häkchen als Juristin. Und das war wohl mein Erfolgsfaktor, dass ich stets intensiv miteingebunden werden musste. Wenn ich eine junge Ingenieurin gewesen wäre, hätten sie mich wohl nicht so sehr eingebunden. Dadurch, dass sie mich brauchten, hatten wir sofort eine ganz andere Art der Zusammenarbeit und Kommunikation. Ich rate dazu, wenn man sich später im operativen Bereich in einer Linienfunktion weiterentwickeln will, wirklich etwas zu machen, wo man den Leuten, mit denen man zusammenarbeitet, einen gewissen (neuen) Zusatzbeitrag bietet.

 

Das hat rückblickend auch mein Diversity Verständnis befördert. Ich war oft die junge Frau inmitten vieler männlicher, mittelalter Ingenieure, die zu vielen Themen ganz andere Ideen hatten als ich. Wir haben ganz viele Diskussionen geführt, weil ich als Juristin immer gefragt habe: „Was wäre denn wenn?“. Die Ingenieure haben zwar nahezu immer zu mir gesagt, dass das ja nicht passieren würde. Ich habe allerdings auf meinen Nachfragen beharrt und die Kollegen damit wahrscheinlich genervt und dabei erklärt, dass wenn wir fertig sind und mit dem Vertragspartner verhandelt haben, wir den Vertrag im besten Fall nie wieder in die Hand nehmen wollen, weshalb die Vorbereitung so wichtig ist. So haben die Ingenieure über mich einen ganz anderen Blickwinkel auf viele Sachverhalte bekommen, die dann aus meiner Sicht die Projekte wesentlich vorangebracht haben.

 

Andere Meinungen wertzuschätzen und sie überhaupt einzuholen, um dann gemeinsam zu einem Ergebnis zu kommen, das man vielleicht auch vorher nicht erwartet hat, ist sehr wichtig. Das war mir immer ein Anliegen, wenn ich Rechtsabteilungen geleitet habe. Mir war es wichtig, dass alle Mitarbeiter*innen uns in der Rechtsabteilung als Berater*innen empfinden und uns schon möglichst früh in die Prozesse miteinbeziehen. So ist sichergestellt, dass nicht schon eigenständig Lösungen für die Probleme erarbeitet werden, die wir als Rechtsabteilung dann nicht mitgehen können. Vielmehr kann man so gemeinsam überlegen, was eine gute und umsetzbare Lösung sein kann.

Was möchtest Du uns sonst noch mitteilen?

Ich würde den meisten Aspekten, die ich in meinem vorherigen Interview ausgeführt habe, auch heute noch zustimmen. Besonders wichtig finde ich nach wie vor meine Aussage, dass man nicht der bessere Mann sein muss. Ich finde, Diversität entsteht erst dann, wenn man sich als Person einbringt. Auch bin ich nach wie vor weiter bunt unterwegs und dafür bekannt.

 

Ich werde in der Firma immer mal wieder von Frauen auf das Porträt mit Euch angesprochen. Sie sagen mir dann, dass sie sich, seitdem ich da bin, vielmehr zutrauen, insbesondere sich trauen, sich bunter anzuziehen. Aber auch männliche Kollegen sind auf mich zugekommen und haben mir berichtet, dass sich ihre Mitarbeiterinnen viel mehr zutrauen und sie das sehr gut finden. Das freut mich natürlich sehr, weil es ja genau das ist, was ich mitgeben möchte. Mir sagte jemand vor kurzem, dass ich ein tolles Vorbild sei. Ich glaube, ich bin heute das, was ich mir früher selbst gewünscht hätte. Nämlich eine Frau in einer Führungsposition, die über Emotionen spricht. Ich bin in den 90ern und 2000ern sozialisiert worden und mir wurde beigebracht, über Emotionen nicht offen zu sprechen und diese aus dem Berufsalltag fernzuhalten. Dass sich daran bei mir etwas ändert, hat eigentlich erst eine Fortbildung bei E.ON im Jahr 2017 ausgelöst. Die hat mich, was mein eigenes Führungsverhalten angeht, aufgerüttelt. Das heißt für mich, man kann sein ganzes Leben lang noch etwas dazulernen und bei sich selbst viel verändern, in der Art und Weise wie man Sachen angeht. Das ist eine wichtige Botschaft.

 

Ich finde das Interview mit Euch sehr gut, weil es mir die Möglichkeit bietet, andere Menschen darauf hinzuweisen und zu sagen, lies doch noch einmal nach, was ich damals in dem Interview dazu gesagt habe. Dafür finde ich Eure Porträts generell, nicht nur meins, sehr gut. Häufig verweise ich Menschen auf Eure Initiative. Die Vielfalt dessen, was man mit einem Jurastudium alles machen kann, kann man bei Euch in der Porträtgalerie sehr gut sehen. Gerade durch dieses neue Format des Follow-Up Interviews wird es den Leser*innen jetzt sogar ermöglicht nachzuvollziehen, ob die Juristinnen gewisse Dinge inzwischen anders sehen oder wieder genauso machen würden. Auch bei mir sieht man: Es kann anders kommen, als man denkt. Ich wollte wirklich nie Rechtsanwältin werden. Das war nie mein Ziel. In den Mentoringprogrammen, in denen ich mich engagiere, merke ich immer wieder, dass Frauen vor dem Thema Macht zurückschrecken. Das ist schade und nimmt Möglichkeiten. Macht bedeutet für mich in erster Linie, dass ich über mehr Gestaltungsmöglichkeiten verfüge. Diese im Positiven zu nutzen und mit meinem Team zu vervielfältigen, ermöglicht es, Themen viel mehr in der Breite zu treiben. Ich rate allen, diese Chance zu ergreifen.

Vielen Dank für das spannende Interview!

 

Köln / Hamburg, 17. Februar 2024. Das Interview führte Lina Runge.

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