Dr. Susanne Wasum-Rainer im Porträt
"Es lief nicht immer alles reibungslos. Aber wir haben es zusammen gemeistert."
Dr. Susanne Wasum-Rainer, Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland in Israel, über ihren Arbeitsalltag als Diplomatin und Führungskraft, den vielfältigen Weg dorthin und wie ihre Familie sie stets gestärkt hat.
Frau Dr. Wasum-Rainer, Sie sind zurzeit die deutsche Botschafterin in Tel Aviv, Israel. Gibt es bei Ihnen so etwas wie einen Arbeitsalltag, den Sie beschreiben können?
Ja, mein Arbeitsalltag ist außerordentlich vielseitig, jeden Tag steht ein neues Programm an und ich treffe viele verschiedene Menschen. Zu den verschiedenen Aufgaben gehören: das Führen vieler Gespräch mit Menschen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft etc., Öffentlichkeits- und Pressearbeit, aktive Teilnahme an Diskussionen und Konferenzen mit Vorträgen und Interventionen, Begleitung von hochrangigen Delegationen aus Deutschland oder die Teilnahme an ganz unterschiedlichen kulturellen Veranstaltungen. Darüber hinaus führe ich ja so etwas wie ein kleines Unternehmen, da die Botschaft 100 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zählt. Wichtig sind Personalführung und -förderung oder Streitschlichtung. Es ist ein sehr vielschichtiger Beruf, der aber in seiner Vielschichtigkeit Alltag ist – und den ich sehr gerne ausübe!
Was ist es an Ihrer Arbeit, das Sie erfüllt? Welcher Teil macht Ihnen weniger Spaß?
Ich empfinde meinen Beruf als großes Privileg. Es ist mir wichtig, internationale Beziehungen zu pflegen. Die Arbeit ist sehr intensiv. Was ich nicht mag, sind Leute, die keine echten Probleme, aber zu viel Zeit haben.
Sie haben nach Ihrem Jurastudium zuerst bei der renommierten Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) gearbeitet. Wie sah Ihre Arbeit dort aus und was hat Sie schließlich wieder von der Stiftung weggeführt?
Dort lief ein thematisch zu meiner eigenen Doktorarbeit passendes Forschungsprojekt im Gebiet des damals neuen internationalen Seerechts. Ich habe an diesem Forschungsprojekt drei Jahre mitgearbeitet, habe dann aber nach Arbeitsgebieten Ausschau gehalten, bei denen ich selbst auch aktiv mithandeln konnte.
Nachdem Sie die 14-monatige Attachéausbildung und die Laufbahnprüfung in Bonn durchlaufen haben, sind Sie 1986 in den höheren auswärtigen Dienst eingetreten. Wie haben Sie die Vorbereitungs- und die Anfangszeit danach in Erinnerung?
Sehr positiv, nach der theoretisch geprägten Zeit bei der Stiftung Wissenschaft und Politik habe ich es genossen, noch einmal eine sehr interessante Lern- und Ausbildungszeit wahrzunehmen, die auch noch bezahlt wurde.
Sie haben zwischen 2009 und 2012 die Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes geleitet und die Bundesregierung in Völkerrechtsfragen beraten. Weshalb wurden Sie damals als geeignetste Kandidatin für das Amt ausgewählt? Können Sie sich noch an die herausforderndste Aufgabe erinnern?
Bevor ich Leiterin der Rechtsabteilung wurde, hatte ich bereits einen mehrjährigen Einsatz als Völkerrechtsexpertin in der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amts hinter mir. Ich war bereits mehrere Jahre lang Leiterin des Grundsatzreferats für Völkerrecht gewesen. Ich hatte auch einen Einsatz als Beauftragte des AA für Völkerrecht erfolgreich durchlaufen. Deshalb war es eigentlich kein Zufall, dass ich danach zur Abteilungsleiterin befördert worden bin. Aber es war für das AA ein besonderer Schritt, denn mit mir war dieser wichtige Posten erstmals mit einer Frau besetzt worden.
Es gab viele herausfordernde Rechtsfragen, für die es noch keine etablierten Regeln im internationalen Recht gab. Es ging z.B. um den Kampf gegen den internationalen Terrorismus in der Folge der Anschläge in den USA auf die "Twin Towers" und den Pentagon oder den Umgang mit dem Gefangenenlager in Guantanamo. Es gab auch sehr schwierige rechtspolitische Fragen an unsere Mitwirkung bei internationalen Operationen, z.B. zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan.
Frau Dr. Wasum-Rainer, es ist sehr beeindruckend: Sie haben als allererste Frau in Frankreich, Italien und nun auch in Israel die Leitung der dortigen deutschen Botschaften übernommen. Wie steinig war damals der Weg zu diesem ehrwürdigen Amt?
Die interessanten Posten, die ich im AA wahrnehmen durfte, sind begehrt. Dass das AA, mich für sie ausgewählt hat, hat mich natürlich sehr dankbar gemacht.
Mir selbst war es natürlich nicht ständig bewusst, dass ich nun die "erste Frau" auf dem jeweiligen Posten war. Ich fühlte mich einfach nur als Mitglied des AA und habe den Anspruch an mich selbst, Aufgaben gut zu erledigen. Jungen Frauen würde ich empfehlen, keine Selbstzweifel zu haben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass der Satz stimmt: "Wer wagt, gewinnt".
In meinem Fall hat es vielleicht auch geholfen, dass ich mir viel fachliche Expertise in den jeweiligen Einsatzgebieten erarbeitet habe und dass ich jemand bin, der gerne arbeitet.
Das diplomatische Umfeld ist nicht nur kompetitiv, sondern auch immer noch stark männerdominiert. Bei Ihrem Einstieg 1986 gab es fast keine Frauen in Leitungspositionen im Auswärtigen Dienst. Wurde Ihnen während Ihrer verschiedenen Stationen mit Neid oder Misstrauen begegnet und wie sind Sie damit umgegangen?
In jedem beruflichen Umfeld gibt es das Phänomen des Neids gegen diejenigen, die weiter kommen. Im Auswärtigen Amt hat sich der Anteil der Frauen in den letzten Jahren wesentlich erhöht. Frauen sind in allen Bereichen des AA eingesetzt, auch an sehr großen und auch an "sehr gefährlichen" Einsatzorten. Richtig ist jedoch, dass es wünschenswert bleibt, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen noch weiter erhöht wird.
In Ländern, in denen die Emanzipation der Frau noch nicht weit vorangeschritten ist, wird Ihre Person sicher als etwas sehr Besonderes empfunden. Können Sie eine Anekdote zum Besten geben?
Es gibt immer wieder kleine Gespräche, die mich schmunzeln lassen. Zum Beispiel, wenn ich mich in der französischen weiblichen Form als "Ambassadrice" vorstelle und ein Gesprächspartner antwortet: "Wie interessant! Und für welches Land arbeitet Ihr Mann, Monsieur l'Ambassadeur?" (weil früher eben l'Ambassadrice lediglich die Ehefrau des Botschafters war).
Was macht Sie zu einer guten Diplomatin?
Verlässlichkeit, einen geraden Weg zu gehen; sich schwierige Aufgaben zuzutrauen; Neugierde auf andere Kulturen und Menschen. Interesse an Außenpolitik und Geschichte. Und vor allem natürlich die Freude daran, mit Menschen zu sprechen. Für mich ist dieser Beruf faszinierend und ich übe ihn gerne aus. Das ist eine gute Voraussetzung.
Was am höheren Auswärtigen Dienst schreckt Frauen ab? Wird das Auswärtige Amt dagegen aktiv?
Ein wichtiger Faktor ist nach meinem Empfinden die Frage der Vereinbarkeit des Berufs mit der Familie. Das Auswärtige Amt tut viel, um dies zu erleichtern. Das betrifft die Partnerin oder den Partner, die Kinderbetreuung, aufenthaltsrechtliche Fragen oder den Zeitpunkt der Versetzung (z.B. wird auf die Schulzeiten geachtet)..
Sie haben eine Tochter, die Sie beeindruckenderweise größtenteils allein großgezogen haben. Wie gelang der reibungslose Wiedereinstieg in den höheren Dienst?
Die Familie bedeutet ein großes Glück für mein berufliches Leben und mein Beruf bedeutet ein großes Glück für das Familienleben. Ich bin schnell nach der Geburt wiedereingestiegen. Wir hatten immer eine Nanny, die wir bezahlt haben. Morgens hatten wir eine gemeinsame „Power Hour“, in der alle wichtigen Dinge erledigt und besprochen wurden. In schwierigen Situationen ist unsere Omi angereist. Zur Not ist meine Tochter mit ins Büro gekommen und hat auf dem Sofa geschlafen. Es war nicht immer alles "reibungslos". Aber wir haben zusammen immer alles geschafft.
Beamte im höheren Auswärtigen Dienst werden alle drei bis vier Jahre an einen neuen Dienstort versetzt und verbringen etwa die Hälfte des Berufslebens im Ausland. Laut eigener Webseite ist das Auswärtige Amt „darauf angewiesen, dass seine Beschäftigten und deren Familienangehörige ohne Vorbehalt den das gesamte Berufsleben bestimmenden Wechsel unterschiedlichster Posten akzeptieren“. Welche Möglichkeiten stehen jemandem offen, der sich gegen weitere Ortswechsel entscheidet?
Rotation gehört zum Berufsleben eines Diplomaten. Wenn man sich gegen Ortswechsel entscheidet, dann ist das AA nicht der beste Arbeitgeber.
Wie haben Sie es geschafft, als Familie trotz der vielen Umzüge den Halt nicht zu verlieren?
Wir haben eine wunderbare Familie in Deutschland und es ist uns gelungen, uns an allen beruflichen Standorten gut zu integrieren. Es bestand in unserer Situation daher nie das Risiko "den Halt zu verlieren".
Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?
Mich persönlich hat Simone Veil sehr beeindruckt. Sie war die erste Präsidentin des Europäischen Parlaments.
Vielen Dank für das spannende Gespräch und die Zeit, die Sie sich genommen haben!
Tel Aviv / Berlin, 29. Mai 2019. Das Interview führte Jantje Niggemann.
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