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Ulrike Demmer

Ulrike Demmer im Porträt

„Quoten ermöglichen Teilhabe und Gerechtigkeit.“

Ulrike Demmer, stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung und stellvertretende Leiterin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung über Netzwerke, Quotenregelungen und warum man sich in der Karriere ausprobieren sollte.

Frau Demmer, Sie haben in Ihrem Berufsleben schon ganz unterschiedliche Tätigkeiten ausgeübt. Nach dem Abschluss des Ersten Staatsexamens haben Sie eine Karriere als Journalistin eingeschlagen. Was hat Sie dazu bewegt?

Ich hatte im Studium ein Praktikum im Justiziariat des Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg gemacht, heute der Rundfunk Berlin Brandenburg. Mir hatte es dort gut gefallen und dann bot sich nach dem Examen die Gelegenheit, beim Aufbau des damals neuen Senders radio eins mitzumachen. Das war sehr spannend. Es hat allerdings eine Weile gedauert, bis ich die nüchterne und umständliche juristische Fachsprache wieder abgelegt hatte und für das Radio taugliche Texte schreiben konnte. Deshalb habe ich mich dann auch um eine journalistische Ausbildung bemüht.

Was würden Sie Jurist*innen raten, die unzufrieden mit ihrer Berufswahl sind?

Ich würde überhaupt jeder und jedem raten, sich zu verändern, wenn die aktuelle Position unglücklich macht – egal ob Jurist*in oder Journalist*in. Ich habe viel ausprobiert. Nicht immer waren die Jobs so, wie ich sie mir vorher vorgestellt hatte. Aber ich bereue keine meiner Entscheidungen. Ich habe immer etwas dabei gelernt. Und als Juristin muss man ja nicht gleich die Profession wechseln. Es gibt doch so unwahrscheinlich viele Möglichkeiten als Juristin zu arbeiten. Deshalb habe ich es ja studiert.

Sie haben zunächst beim Radio und einigen Fernsehsendern gearbeitet, bevor Sie für den Spiegel als Redakteurin und Korrespondentin tätig waren. Wie sind Sie in diese Positionen gekommen?

Da hat mich tatsächlich ein Frauennetzwerk hinbefördert. Kein formelles Netzwerk, aber es hat so funktioniert, wie es heute unter Frauen schon häufiger funktioniert, aber immer noch nicht oft genug: Eine Freundin, die beim Spiegel arbeitete, hatte gehört, dass die Leiterin des Ressorts Deutschland II beim Spiegel Frauen suche. Ich war damals Redakteurin beim ZDF, Anfang 30 und ehrgeizig, aber es ging dort nicht so recht weiter. Die Freundin hat mich dann der Ressortleiterin empfohlen. Plötzlich war ich beim Spiegel, obwohl ich immer zum Fernsehen wollte...

Ich hatte also nie DEN Karriereplan. Neue Herausforderungen habe ich immer angenommen nach dem Motto: "Man bereut immer eher das, was man nicht getan hat als das, was man getan hat."

Wie wichtig sind Förderer*innen und Netzwerke für die Karriere? Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen damit?

Bei einem Führungskräftetraining für Frauen hat mir mal ein Coach gesagt, ohne Mentor bringen Sie es nicht weit. Ich glaube nicht, dass das stimmt. Natürlich ist es im Berufsleben schön, im Unternehmen selbst einen Förderer oder eine Mentorin zu haben. Aber mit einem guten Netzwerk lässt sich die Unterstützung auch von außen organisieren. Mein Wechsel zum Spiegel ist ein Beispiel dafür.

Haben Sie konkrete Tipps, wie man sich als Berufseinsteiger*in ein Netzwerk aufbauen kann?

 

Man kann das sicherlich systematisch machen. Ich versuche einfach zu den Menschen, die ich mag, die mir sympathisch sind, den Kontakt zu halten. Was mir allerdings im Laufe der Jahre aufgefallen ist: Frauen sagen Abendveranstaltungen sehr häufig ab, weil sie noch arbeiten oder sich um die Familie kümmern wollen oder müssen. Dabei verpassen sie vielleicht nicht immer, aber doch hin und wieder gute Gelegenheiten für interessante Kontakte. Ich erinnere mich zum Beispiel an ein Alumni-Treffen einer Runde von interessanten Frauen in Führungspositionen aus unterschiedlichen Branchen und Konzernen. Eine der Frauen hatte uns zum Abendessen mit dem Vorstandsvorsitzenden des DAX-Konzerns eingeladen, für den sie arbeitete. Die Frauen selbst waren schon ein guter Grund, sich auf den Abend zu freuen. Trotzdem hat nicht einmal die Hälfte der Runde von 20 Frauen zugesagt. Männer hätten an einem solchen Abend vermutlich andere Prioritäten gesetzt und teilgenommen. Mit zwei hungrigen Kindern zu Hause und einem Stapel Akten auf dem Schreibtisch ist die Entscheidung bestimmt nicht immer einfach. Andererseits: Leichter als bei solchen Terminen lassen sich Netzwerke kaum pflegen.

Inzwischen sind Sie seit 2016 stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung und stellvertretende Leiterin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung. In dieser Funktion informieren Sie über die Tätigkeit der Bundesregierung. Wie sieht Ihr typischer Arbeitsalltag aus?

Im Grunde habe ich drei Jobs: Ich bin Ansprechpartnerin für die Journalist*innen und stehe regelmäßig Rede und Antwort in der Regierungspressekonferenz. Ich bin stellvertretende Leiterin des Bundespresseamtes und damit verantwortlich für Personal und Projekte, die wir umsetzen. Und last but noch least: begleite ich die Bundeskanzlerin zu presseöffentlichen Terminen. Da ist selten ein Tag wie der andere.

Inwiefern ist das im Jurastudium Erlernte in Ihrer jetzigen Position hilfreich?

Meine juristische Ausbildung ist natürlich schon lange her. Ich könnte jetzt keine Frage des Schuldrechts mehr beantworten. Aber das Studium ist eine hervorragende Grundlage für meinen jetzigen Beruf, in dem ich aus nächster Nähe beobachten kann, wie Gesetze entstehen. Aber auch als Journalistin habe ich oft von meinem juristischen Wissen profitiert.

Wie gelingt es Ihnen, Ihr Privatleben mit Ihrem Job als Regierungssprecherin zu vereinbaren?

Tatsächlich ist man als stellvertretende Regierungssprecherin irgendwie immer im Dienst, aber der Job macht mir Spaß und ich finde schon noch Zeit für Freunde und Familie!

Im Januar hat das Bundeskabinett das Zweite Führungspositionen-Gesetz beschlossen. Es schreibt insb. einen Mindestanteil von Frauen für Vorstände mit mehr als drei Mitgliedern in großen deutschen Unternehmen vor. Unternehmen, die die Zielgröße unterschreiten, müssen dies begründen. Inwiefern kann ein solches Gesetz die aktuelle Unterrepräsentation von Frauen wirklich verbessern?

Frauen sind in deutschen Vorständen weitestgehend unterrepräsentiert. Bei den börsennotierten Vorständen lag der Anteil von Frauen Ende letzten Jahres bei 11 Prozent. Rund drei Viertel der Unternehmen, die zur Festlegung von Zielgrößen verpflichtet sind, haben sich auf Vorstandsebene keine oder Null als Zielgröße gesetzt. Dass eine verpflichtende Quote helfen kann, hat das erste Führungspositionengesetz (FüPoG I) gezeigt. In diesem Gesetz wurde die verpflichtende Quote für Aufsichtsräte geregelt. Und siehe da: Der Frauenanteil in Aufsichtsräten ist erheblich gestiegen.

Was bedeutet Frauenförderung für Sie?

Ich halte es da mit der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright: "There is a special place in hell for women who don't support other women.“ Wir Frauen müssen einfach besser darin werden, uns gegenseitig sichtbar zu machen.

Wie können wir die strukturellen Probleme angehen, die nach wie vor dazu beitragen, dass Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert werden?

Das FüPoG I und II sind zentrale Beschlüsse, die gesetzgeberisch diese strukturellen Probleme aufbrechen. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass künftig noch mehr Frauen in Führungspositionen arbeiten werden und setze mich persönlich bei jeder sich bietenden Gelegenheit für Frauen ein.

Wie stehen Sie persönlich zu Quotenregelungen?

Für mich sind Quoten etwas Allgegenwärtiges und Gutes. Quoten ermöglichen Teilhabe und Gerechtigkeit. Das höchste Gremium der Vereinten Nationen wird nach regionalen Quoten besetzt. Ich habe in den vergangenen Jahren sicher in vielen Talkshows gesessen und an zahlreichen Podiumsdiskussionen teilgenommen, weil ich eine Frau bin, aber immer auch, weil ich etwas zu sagen hatte. In der rbb-Talkshow 'Die Beobachter' von Jörg Thadeusz war ich drei Jahre lang Stammgast. Dort sitzen immer vier Gäste. Zwei Männer. Zwei Frauen. Wenn eine Frau nicht konnte, wurde sie von einer Frau vertreten. Wenn einer der Männer nicht konnte, wurde er durch einen Mann vertreten. Auch das ist bis heute so. Ist das nun eine Frauenquote? Oder eine Männerquote? In jedem Fall war und ist es immer eine muntere, von unterschiedlichen Perspektiven geprägte Diskussion.

Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Jutta Limbach war ein großartiges Vorbild. Ihre Interviews nachzulesen, ist bis heute ein Gewinn.

Herzlichen Dank für das Interview!

Augsburg / Berlin, 5. Mai 2021. Ulrike Demmer hat die Fragen schriftlich beantwortet. Die Fragen stellte Dr. Simone Ruf.

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