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Ulrike Schmitt

Ulrike Schmitt im Porträt

„Präsent sein, egal was man tut, hilft.“

Ulrike Schmitt, Partnerin und Notarin bei Büsing, Müffelmann & Theye, im Interview über Kindererziehung als gemeinsame Aufgabe und das Selbstverständnis als Notarin.

Ike, Du bist Rechtsanwältin und Notarin und Partnerin. Wie sieht Dein Berufsalltag aus?

Als Notarin macht man ganz unterschiedliche Sachen: das reicht vom englischen Gesellschaftsvertrag über Kaufverträge bis hin zur Anerkennung einer Vaterschaft. Es geht um spannende Sachverhalte. Ich entwerfe oder ändere individuelle Verträge im beurkundungspflichtigen Kerngeschäft. Es geht als Notarin viel darum, den Mandant*innen den Vorgang und die rechtlichen Möglichkeiten zu erklären.

Die Tätigkeit ist ziemlich selbstbestimmt, weil sie sehr wenig von externen (Gerichts-)Terminen abhängt. Natürlich richtet man sich auch nach Mandant*inneninteressen. Als Notarin hat man aber in der Regel ein sehr gutes Standing gegenüber den Mandant*innen. Die Mandant*innen sind einem im Großen und Ganzen positiv eingestellt, weil man sie bei individuell bewegenden Ereignissen juristisch unterstützt und als neutrale Instanz wahrgenommen wird. Bei anwaltlichen Tätigkeiten habe ich das durchaus schon anders erlebt.

Wie empfindest Du den Sprung von der Angestelltenstellung zur Selbstständigkeit?

Als Selbstständige habe ich ein anderes Freiheitsgefühl, weil ich nicht mehr weisungsgebunden bin. Ich kann mehr mein eigenes Ding machen, aber zum Beispiel auch den Alltag im Team mitgestalten. Es ist natürlich schon auch Druck da, dass man seinen Beitrag leistet. Aber den hat man ja ebenso als Angestellte. Allerdings muss man sich auch um viel mehr kümmern. Schon alleine den Komfort, Gehaltsabrechnungen zu bekommen und sich um keinerlei Beiträge zur Krankenversicherung etc. kümmern zu müssen, habe ich jetzt als Selbstständige nicht mehr.

Du arbeitest in Teilzeit. Wie hast Du es geschafft, Deine Karriere zu planen und zu verfolgen?

Geplant habe ich das nicht. Ich dachte, ich starte mal als Anwältin ins Berufsleben und dann hat sich eins nach dem anderen ergeben. Es war purer Zufall, dass ich meine Anwaltsstation im Referendariat in der Kanzlei meines Kollegen Fabian Ramser gemacht habe. Wir verstanden uns fachlich und persönlich gut und er stellte mich nach dem Examen als Anwältin ein. Er war es auch, der mich auf die Idee brachte, ihn im Notariat zu verstärken und die Notarprüfung anzugehen. Und jetzt bin ich Partnerin und Notarin und wir arbeiten immer noch zusammen.

In Teilzeit arbeite ich seit der Geburt der Kinder. Wirtschaftlich ist man schon erstmal weniger erfolgreich, denn es wirkt sich aus, dass man nicht volle Energie auf die Karriere richten kann. Der anwaltliche Beruf, ebenso wie das Notariat lebt von Akquise und in Teilzeit ist Akquise nicht so einfach. Zeit und Muße für Strategiemeetings und Abendveranstaltungen ist jedenfalls bei mir nicht immer da.

 

Wolltest Du schon immer Anwältin werden?

Ich habe gar nicht geplant, wo die Reise hingeht, als ich angefangen habe zu arbeiten. Ich hätte mir immer mehrere Wege vorstellen können. Das ist glaube ich gar nicht schlecht. Dann wird man nicht so verbissen oder enttäuscht, wenn etwas nicht klappt und bleibt den sich bietenden Möglichkeiten gegenüber offen. Mich haben mehrere Optionen gereizt und interessiert. Der Vorteil bei Jura ist ja, dass man so viel machen kann.

Wie sieht Frauenförderung in Kanzleien für Dich aus?

Ich glaube, dass externe Coachings super sind, da sie dem individuellen Standpunkt der Nachwuchsjuristin offener gegenüberstehen als ggf. die Partner in der Kanzlei. Leute, die sich mit juristischen Karrieren auskennen, die einem Möglichkeiten und Anforderungsprofile aufzeigen und persönliche Karriereentwicklungsoptionen anbieten. Mentalcoachings sind auch total gut. Mit solchen Angeboten kann man gezielt auf uns Frauen in den Kanzleien eingehen, da wir in dieser immer noch sehr männlich geprägten Domäne sicherlich Aufholbedarf haben und die Kanzleien auch von starken Frauen profitieren.

Du hast Dein erstes Kind im Alter von 28 Jahren bekommen, als Du bereits mehr als ein Jahr als Anwältin tätig warst. Hast Du Dir Gedanken über den richtigen Zeitpunkt gemacht?

 

Ja, das war eine bewusste Entscheidung. Zwar habe ich meinem Arbeitgeber offen gesagt, dass ich früh Kinder haben möchte, wollte mich aber dennoch loyal ihm gegenüber verhalten und erst einmal eine Weile arbeiten. Für mich war es auch wichtig, erstmal richtig im Beruf anzukommen. Ich glaube, nach einem Jahr, also relativ früh in der Karriere, ist es auch ganz gut vereinbar. Für den*die Arbeitgeber*in ist es weniger gravierend, weil man noch nicht selbstständig eine große Zahl Mandate bearbeitet, die plötzlich wieder übernommen werden müssen. Das ist später dann anders. Deshalb ist es meines Erachtens auch nicht unbedingt besser, wenn man länger wartet.

Du hast zwei Kinder und arbeitest als Rechtsanwältin und Notarin. Wie lässt sich beides bei Dir vereinbaren?

Sehr gut (lacht). Ich arbeite ca. 75%. An zwei Tagen in der Woche arbeite ich länger, an zwei kürzer und einen Tag habe ich frei. Ich arbeite etwas weniger als mein Mann, aber wir sind sehr nah dran, uns alles paritätisch zu teilen. Kindererziehung ist eine gemeinsame Aufgabe für uns. So kommt bei jedem von uns mal was zu kurz, aber im Großen und Ganzen können wir unseren Alltag genießen und fühlen uns nicht zu gestresst. Es entlastet uns beide, dass wir wissen, der andere kann den Laden zuhause auch mal alleine schmeißen.

Als Du Dein zweites Kind bekommen hast, hast Du dich auf die Notarprüfung vorbereitet. Wie hat das bei Dir geklappt?

Es ging mir zum Glück gut in der Schwangerschaft und ich konnte die Vorbereitungskurse für die Notarprüfung noch kurz vor der Entbindung beenden. Ich war nach der Geburt ein halbes Jahr zu Hause in Elternzeit und habe dann drei Monate in der Kanzlei ausschließlich gelernt und mich auf die Prüfung vorbereitet. Der Vorteil am Lernen in der Kanzlei war, Ansprechpartner vor Ort und weniger Ablenkung von der Familie zu haben. In der Zeit habe ich in der Kanzlei nur Sachen gemacht, die mir in Vorbereitung auf meine Prüfung geholfen haben. Es war schon eine sehr anstrengende Zeit, da wir zuhause erst einen neuen Rhythmus mit zwei Kindern finden mussten und es natürlich auch stresst, vor so einer großen Prüfung zu stehen. Aber viele andere Mit-Prüflinge waren deutlich älter als ich, so dass ihnen das Lernen und Klausuren schreiben schwerer viel und sie hatten weiterhin ihre laufenden Kanzleien zu führen. Diesen Stress hatte ich nicht, weil ich drei Monate einfach nur Zeit hatte zum Lernen. In der Zeit hat sich mein Mann hauptsächlich um unseren Sohn gekümmert.

Was muss sich Deiner Meinung nach ändern, dass Männer und Frauen paritätisch für die Kindererziehung verantwortlich sind?

Ich denke, ein Knackpunkt liegt bei den gut ausgebildeten Männern, die noch in überraschend großer Anzahl ein sehr traditionelles Weltbild haben. Viele Akademikermänner haben Frauen, die keinen akademischen Hintergrund haben und dann aus monetären Erwägungen eher für die Familie kürzertreten.  Anders herum kenne ich ein solches Modell gar nicht. Dass Akademikerinnen sich Männer aussuchen, die nicht Akademiker sind, ist mir bis jetzt noch nicht begegnet. Erfolgreiche Frauen (egal aus welcher Branche) suchen sich zumeist erfolgreiche Männer aus, die dementsprechend selten damit zufrieden sind, Hausmann zu sein. Und das fällt ihnen dann ungerechterweise auf die Füße. Ich glaube, Frauen suchen da etwas Ebenbürtiges, einen Mann, der mindestens genauso ambitioniert ist, wie sie selbst.

Wenn dann die Kinder kommen, heißt es aber nur bei den Frauen „Family first“, dieses Umdenken müsste bei den Männern auch stattfinden.

Ich würde auch noch eine Auflage für die Elternzeit vorschlagen: Elternzeit des Mannes darf nicht gemeinsame Elternzeit sein, die dann vielfach für eine lange Reise o.ä. genutzt wird. Der Mann sollte auch sehen, was ein Alltag mit Kind bedeutet und sich seiner Verantwortung, aber auch der Chance stellen, eine wesentliche Rolle im Familienleben einzunehmen.

Welche Erfahrungen und Tipps hast du für sinnvolles Netzwerken?

Netzwerken im beruflichen Kontext ist auf jeden Fall sinnvoll. Was vielen vielleicht nicht bewusst ist: man netzwerkt natürlich auch im eigenen Freundes- und Bekanntenkreis. Vielleicht sitzen die eigenen Freunde mal im Vorstand eines Unternehmens und entscheiden, wer in die Rechtsabteilung kommt oder wer der Notar des Unternehmens wird. Präsent sein, egal was man tut, hilft. Auch Engagement kann eine Art des Netzwerkens sein.

Wenn Du auf Deinen Berufsstart zurückblickst, was würdest Du anders machen?

Ich glaube, ich habe im Studium und Referendariat die Chancen für Berufseinblicke nicht voll ausgenutzt und hätte gerne mehr gesehen, was man neben den klassischen Juristenberufen noch alles machen könnte. Ich bin glücklich mit meiner Entscheidung als Anwältin und Notarin zu arbeiten. Aber ich denke, diese Entscheidung hätte ich fundierter treffen können, mit mehr Hintergrundwissen und -erfahrung.

Hattest Du früher ein Vorbild, das Dich inspiriert hat?

In familiärer Hinsicht sind auf jeden Fall meine Eltern Vorbild. Sie führen eine sehr partnerschaftliche Ehe und haben vier Kinder gemeinsam großgezogen und sich trotzdem beruflich ausgelebt. Meine Mutter ist viele Jahre in eine andere Stadt gependelt, so dass mein Vater deutlich mehr zu Hause war. Sie haben sich gegenseitig in ihren beruflichen Ambitionen immer unterstützt und meine Mutter sitzt jetzt als Rentnerin im Aufsichtsrat eines regionalen Energieversorgers. Wir hatten früher einige Au-Pairs, und auszubildende Kinderpflegerinnen, die uns betreut haben. Meine Mutter hat mir erzählt, dass das am Anfang ihr gesamtes Gehalt gekostet hat. Es war ihr aber wichtig, auch auf der Karriereleiter voranzukommen und so hat sie ihr Bedürfnis nach beruflicher Entfaltung nicht zurückstellen müssen.

Welche Juristin hat Dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte und wieso?

Ruth Bader Ginsburg, aber die ist ja leider gerade gestorben. Ich finde sie eine wahnsinnig inspirierende Juristin.

 

Vielen Dank für das Gespräch und die Zeit, die Du Dir dafür genommen hast!

 

Frankfurt am Main, 28. August 2020. Das Interview führte Jennifer Seyderhelm.

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