Dr. Vera Volckens im Porträt
"Ein so anspruchsvoller Job und Familie - das findet man in der freien Wirtschaft nicht ohne Weiteres."
Dr. Vera Volckens, Richterin am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, im Interview über eine abwechslungsreiche Karriere im bayerischen Innenressort und Mitarbeiterverantwortung.
Liebe Vera, Du bist Richterin am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und dort im Bausenat. Warum hast Du dich für das Verwaltungsrecht entschieden?
Das Verwaltungsrecht hat mir schon im Studium großen Spaß bereitet. Zudem hatte ich inspirierende Ausbilder im Referendariat. Zum Beispiel ist mein damaliger AG-Leiter im Verwaltungsrecht heute der Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs! Initiativzündung für den Berufseinstieg war aber letztlich einer meiner Prüfer im 2. Staatsexamen, der mich am Tag der mündlichen Prüfung fragte, ob ich Richterin am Verwaltungsgericht München werden wolle.
Dein Lebenslauf zeigt, dass eine Karriere in der Justiz in Bayern alles andere als langweilig verlaufen kann: Du hast als Richterin am VG München angefangen, anschließend viele Jahre im bayerischen Innenministerium gearbeitet unterbrochen von der Außendienstzeit am Landratsamt und bist dann als Richterin an den BayVGH zurückgekehrt. Rätst Du zu dem Staat als Arbeitgeber?
Die Entscheidung, in den Staatsdienst einzutreten, war zu jedem Zeitpunkt meiner beruflichen Laufbahn richtig. Ich habe sie nie bereut: Meine Tätigkeit zeichnen anspruchsvolle juristische Fragen, eine große Aufgabenvielfalt und ständig zunehmende Verantwortung aus! Die Wechsel zwischen Gericht, Landratsamt und Innenministerium haben mir die Möglichkeit gegeben, den Umgang mit praktischem Verwaltungsrecht aus unterschiedlichen Perspektiven kennenzulernen. Der Staat ist zudem als Arbeitgeber flexibel, wenn es um den Wechsel von Vollzeit in Teilzeit oder den Wiedereintritt nach der Babypause geht. Die Vereinbarkeit von einem anspruchsvollen Job mit Familie findet man in der freien Wirtschaft nicht ohne Weiteres!
Du hast in Deiner bisherigen Laufbahn immer wieder auch Führungsverantwortung für Mitarbeiter übernehmen dürfen. Was macht Deiner Meinung nach eine gute Führung von Mitarbeitern aus?
Ich denke, dass transparente Kommunikation ein motivierender Faktor ist. Das beinhaltet vor allem, Authentizität auszustrahlen ebenso wie mit der erforderlichen Empathie auf Kollegen und Mitarbeiter zuzugehen. Letztlich ist es wichtig, dass jeder seinen eigenen, auf seine Persönlichkeit zugeschnittenen Führungsstil entwickelt!
Im Ministerium warst Du in allen möglichen Gebieten unterwegs: Vom Verwaltungsprozess- und Verwaltungsverfahrensrecht über Staatsangehörigkeitsrecht, Glücksspielrecht und zuletzt innere Sicherheit. Gibt es Grund dazu, Angst vor fachlichen Wechseln zu haben?
Nein, schon die juristische Ausbildung im Studium und Referendariat ist so gut und breit angelegt, dass es keinen Grund für Angst vor thematischen Wechseln in der beruflichen Laufbahn gibt. Im Gegenteil, ich halte es sogar für wichtig, sich immer wieder in neue Rechtsgebiete einzuarbeiten, um durch breites Wissen die Qualität der eigenen juristischen Arbeit zu verbessern. Vor allem aber gilt: Je häufiger Du die fachliche Perspektive wechselst, umso weniger Berührungsängste hast Du bei neuen Herausforderungen.
Du arbeitest seit vielen Jahren familienbedingt in Teilzeit. Vor welche Herausforderungen stellt Dich das?
Bei einer Teilzeittätigkeit gibt es immer mehr Herausforderungen in der Koordination des Arbeitsalltages als bei der Arbeit in Vollzeit. Gerade in Führungspositionen der Verwaltung ist es eine Herausforderung, beruflichen Aufgaben gerecht zu werden und auch zu bleiben! Um beispielsweise zeitkritische Anfragen aus dem Landtag, von anderen Behörden oder aus dem eigenen Hause mit der erforderlichen Tiefe beantworten zu können, habe ich letztlich häufig auch am Abend und Wochenende zu Hause am Schreibtisch gesessen.
Obwohl Du in den letzten Jahren im Innenministerium als Referatsleiterin in Teilzeit tätig warst, bist Du letztendlich doch ans Gericht zurückgekehrt. Warum Richterin?
Tatsächlich habe ich das Jurastudium damals schon mit der Vorstellung aufgenommen, Richterin zu werden. Nach vielen abwechslungsreichen, spannenden und ausfüllenden Jahren in der Verwaltung, vor allem im Innenministerium, reizte mich dann der erneute Perspektivwechsel.
Was motiviert Dich in Deiner beruflichen Laufbahn?
Mich motiviert das geistig Spannende und die damit verbundene Herausforderung! Auch ist es mir wichtig, neben der Familie eine eigene berufliche Karriere zu führen und darüber eine gewisse Unabhängigkeit zu behalten. Ich möchte dabei meinen drei Töchtern Vorbild sein und ihnen auch für ihr eigenes späteres Leben zeigen, dass die Verbindung von Familie und Beruf gut gelingen kann.
Du hast Deine Dissertation berufsbegleitend während einer Vollzeitrichterstelle geschrieben. Zu Deinem Thema hat Dich die berufliche Praxis inspiriert. Kannst Du es empfehlen, neben dem Beruf zu promovieren und eine Dissertation praxisbezogen zu schreiben?
Natürlich ist das nicht immer einfach! Es erfordert schon ein gewisses Durchhaltevermögen, parallel zum Beruf zu promovieren. Aus meiner Erfahrung endet vielfach das Vorhaben wegen der Doppelbelastung damit, dass die Promotion nicht abgeschlossen wird. Ein Vorteil ist aber, wenn einen das Thema so sehr interessiert wie mich, dass es einen immer wieder aufs Neue motiviert. Mir hat die Praxisbezogenheit des Themas außerdem geholfen, den thematischen Faden nicht zu verlieren.
Du hast neben dieser beeindruckenden Laufbahn deine drei Töchter bekommen. Wann sind die Kinder geboren worden? Wie lange hast Du nach den Geburten jeweils pausiert und bist Du danach in Teil- oder Vollzeit wieder eingestiegen?
Ich habe mein erstes Kind am Ende meiner Außendienstzeit am Landratsamt, meine Zwillinge während der Zeit im Ministerium bekommen. Nach beiden Geburten habe ich jeweils ein Jahr pausiert und bin danach in Teilzeit wieder eingestiegen.
Das ist sicher nicht leicht: Jura am Hochreck mit entsprechender Arbeitsbelastung am Gericht bzw. Ministerium und drei Kinder. Was macht die Vereinbarkeit von beidem möglich?
Der Spagat ist sicherlich manchmal groß. Aber ich liebe es, Mutter zu sein und für mich war immer klar, dass ich für meine Kinder auch präsent sein möchte. Wenn der Ehemann – wie bei mir - ebenfalls stark in den Beruf eingebunden ist, ist Teilzeit das eindeutig richtige Modell! Dennoch muss immer alles sehr gut organisiert sein. Dabei hilft, wenn Wohnsitz und Arbeitsplatz nicht zu weit auseinander liegen. Manchmal, z.B. bei Krankheit der Kinder, muss man improvisieren. Dann ist es gut, wenn man eine qualifizierte Kinderbetreuung findet oder die Großeltern in der Nähe leben und unterstützen können.
Auch wenn es nicht so aussieht: Gab es Momente, in denen Du Dich beruflich oder privat überfordert gefühlt hast? Wie bist Du damit umgegangen?
Diese Momente gibt es immer wieder und jeder muss lernen, damit auf seine ganz eigene Art umzugehen und die Überforderung zu überwinden. Mir hilft dabei eine Erfahrung aus einer früheren Teambuilding-Maßnahme: Während meiner Zeit im Innenministerium habe ich an einem Seminar teilgenommen, bei dem man in Teamarbeit Baumstämme hochlaufen und sich anschließend – natürlich gut gesichert - fallen lassen musste. Ich habe persönlich große Angst vor dem freien Fall, habe aber dort gelernt, mich zu überwinden. Die positive Erfahrung, sich ohne Schaden auch einmal „fallen lassen“ zu können, hilft mir bis heute im Umgang mit großen Herausforderungen.
Welche Juristin hat Dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?
In meinem beruflichen Leben sind mir immer wieder beeindruckende weibliche Persönlichkeiten begegnet, die mir sowohl Vorbild als auch Motivation waren. Die von mir angesprochenen Vorbilder üben sich aber in der persönlichen Zurückhaltung und möchten nicht als solche in Erscheinung treten.
Vielen Dank für das tolle Gespräch!
München / Berlin, 15. Mai 2018. Das Interview führte Clara zu Löwenstein.
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