Veronika Keller-Engels im Porträt
„Es gibt wenig Vielseitigeres als den Öffentlichen Dienst.“
Veronika Keller-Engels, Präsidentin des Bundesamts für Justiz, über die Flexibilität des öffentlichen Dienstes und den Mut, aktiv Chancen zu ergreifen, wenn diese sich auftun..
Liebe Frau Keller-Engels, bis zu Ihrer jetzigen Position als Präsidentin des Bundesamts für Justiz in Bonn haben Sie karrieretechnisch einen weiten Weg mit ganz unterschiedlichen Stationen zurückgelegt. Lassen Sie uns aber zunächst einmal ganz am Anfang beginnen. Wieso haben Sie sich damals für ein Jurastudium entschieden?
Wie so viele andere auch, habe ich mich nach dem Abitur konkreter mit der Berufswahl befasst. Recht fand ich schon immer ganz spannend. Ich hatte bereits einen kleinen Einblick durch meinen Vater, der als Familienrichter tätig war, erlangt. Das fand ich sehr vielseitig und „aus dem Leben“. Damals hatte ich tatsächlich auch klassische Berufsbilder wie Richterin oder Staatsanwältin vor Augen und habe mich dann entschlossen, Jura in Regensburg zu studieren. Ich habe es nie bereut. Auch wenn es teilweise ein sehr forderndes und auch anstrengendes Studium ist, habe ich es dennoch sehr gerne gemacht.
Sie haben dann ja auch, wie ursprünglich angedacht, erstmal als Staatsanwältin in Ingolstadt begonnen. Wieso haben Sie sich für den Staatsdienst entschieden oder kam auch mal eine Karriere als Anwältin oder ähnliches in Betracht?
Also eigentlich war das ein ganz offener Prozess und ich muss auch sagen, dass mein Vater mich immer dazu aufgefordert hat, mich nicht speziell auf den Staatsdienst zu konzentrieren, sondern breit zu schauen, wo ich mich sehe. Ich habe dann auch in der Wahlstation die theoretische Ausbildung zur Fachanwältin für Familienrecht absolviert. Auch die Tätigkeit als Anwältin wäre also durchaus eine Option für mich gewesen.
Im Laufe des Studiums habe ich dann auch gemerkt, dass mir Strafrecht sehr viel Freude bereitet und sehr interessant ist. Strafrecht ist ein Rechtsgebiet, in das viele Elemente einfließen: Zunächst findet man dort Geschichten, die das Leben schreibt. Weiter gibt es viele psychologische Elemente, die eine Rolle spielen und schließlich beschäftigt man sich auch mit grundsätzlichen ethischen Fragen der Gesellschaft. Deshalb fand ich Strafrecht schon im Studium interessant. Das hat sich dann im Referendariat fortgesetzt. Da war ich dann in der Staatsanwaltschaft tätig und dort entwickelte sich auch mein Interesse daran.
Als ich später die Chance bekommen habe, in den Staatsdienst einzutreten, konkret bei der Staatsanwaltschaft Ingolstadt, habe ich das gerne gemacht. Es hat mir viel Freude gemacht, weil der Beruf eines Staatsanwalts oder einer Staatsanwältin ein sehr dynamisches Arbeitsfeld bietet. Dabei arbeitet man auch sehr eng mit der Polizei zusammen. Diese Mischung fand ich damals sehr, sehr spannend und interessant.
Sie haben gerade erzählt, dass Sie in Ihrer Wahlstation im Referendariat die Ausbildung zur Fachanwältin für Familienrecht begonnen haben. Wie kam das?
Es gibt dafür einen Grundkurs, den man absolvieren muss und danach muss man praktische Fälle vorweisen, um eine Zulassung als Fachanwältin oder Fachanwalt zu bekommen. Ich fand die Materie interessant; damals hat Prof. Schwab Familienrecht an der Universität Regensburg gelehrt. Das ist ein sehr bekannter Familienrechtler, in dessen Vorlesung ich war und bei dem ich auch Seminare besucht habe. Ich fand, dass das Familienrecht ein sehr vielseitiges Rechtsgebiet ist und ich hätte mir vorstellen können, später während meiner Laufbahn im Staatsdienst ins Familienrecht zu wechseln. Das hat sich dann aber nicht mehr ergeben.
Warum ich den Theoriekurs zur Fachanwältin absolviert habe? Damals war die Arbeitsmarktsituation noch ganz anders als heute. In meiner jetzigen Position sehe ich, wie groß heute der Fachkräftemangel ist. Wir buhlen alle um junge Juristinnen und Juristen und der Arbeitsmarkt ist für Examensabsolventinnen und -absolventen eigentlich sehr, sehr gut. Zu meiner Zeit war die Wahrscheinlichkeit aber noch nicht so hoch, dass man in die Sparte oder auch in den Staatsdienst gehen kann, wie man es sich gewünscht hat. Vor diesem Hintergrund habe ich damals sozusagen in zwei Ebenen gedacht. Die praktischen Fälle für meine Ausbildung als Fachanwältin hätte ich dann noch nachweisen müssen nach dem zweiten Examen, wenn ich eine Zulassung als Anwältin gehabt hätte.
Das Strafrecht zieht sich durch Ihren Lebenslauf. Haben Sie das zu Beginn Ihrer Karriere bewusst gelenkt, indem Sie beispielsweise klar kommuniziert haben, dass Sie zur Staatsanwaltschaft gehen wollen, oder war das zunächst eher Zufall?
Bewusst lenken konnte man das damals nicht. Ich habe einen Anruf aus dem Ministerium erhalten, dass ich mich vorstellen und in den Staatsdienst eintreten könne. Mir wurde dann eine Stelle bei der Staatsanwaltschaft Ingolstadt angeboten. Das Schöne am bayerischen System ist, dass ohnehin ein Wechsel vorgesehen ist; so wie in manchen anderen Bundesländern auch. Also selbst wenn man als Staatsanwältin beginnt, kann oder soll man zu einem späteren Zeitpunkt in den Richterdienst wechseln. Dieser systemimmanente Perspektivwechsel hat mir damals schon gefallen. Ich wusste, ich werde nicht mein gesamtes Berufsleben lang Staatsanwältin sein, sondern ich kann wechseln. Erst zu einem viel späteren Zeitpunkt, wenn man genügend Erfahrungen gesammelt hat, kann und muss man sich entscheiden, was man dauerhaft machen möchte. Insofern war die Staatsanwaltschaft ein guter Einstieg für mich, weil alles andere eben auch noch offen war.
Was würden Sie entgegenhalten, wenn jemand sagt, der öffentliche Dienst sei langweilig? Das ist ja durchaus ein Vorurteil, welches sich teilweise noch wacker hält, gerade auch bei Referendarinnen und Referendaren.
Das ist interessant. Das habe ich noch nie gehört, aber dem könnte ich entgegnen, dass es wenig Vielseitigeres gibt als den öffentlichen Dienst. Das liegt maßgeblich an der bereits geschilderten Wechselmöglichkeit. Das sieht man anschaulich an meinem Werdegang. Auf der Staatsanwaltschaftsschiene bestand damals und besteht auch heute noch die Möglichkeit einer Abordnung zur Bundesanwaltschaft. Man kann aber selbstverständlich von dort auch ins Zivilrecht wechseln oder zu einer Behörde oder in ein Ministerium gehen und dort verwaltungsjuristisch arbeiten. Daneben kann man sich auch an interessante Stellen im Ausland abordnen lassen. Ich selbst hatte beispielsweise auch mal eine Station bei Eurojust (Anm. Red.: Die Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen). Es gibt unfassbar viele Möglichkeiten und das Schöne im öffentlichen Dienst ist, dass man immer wieder auch zurückkehren kann. Dieser Weg bleibt einem immer offen. Ich könnte mir vorstellen, dass man in der freien Wirtschaft viel festgelegter ist, wenn man sich erstmal in seiner Sparte spezialisiert hat. Der öffentliche Dienst bietet also ein hohes Maß an Flexibilität. Ich glaube, es hängt sehr von der eigenen Initiative und auch vom eigenen Wunsch ab, ob man sich das berufliche Leben interessant gestaltet oder nicht.
Daran anknüpfend: Sie haben sich selbst oft abordnen lassen. Beispielweise waren Sie wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Generalbundesanwalt und auch beim Bundesverfassungsgericht. Außerdem waren Sie nationale Sachverständige für das deutsche nationale Mitglied bei Eurojust, um nur einige Ihrer Abordnungen zu nennen. Wie kam es zu diesen Möglichkeiten; haben Sie diese proaktiv eingeleitet oder wurden Sie angesprochen und wenn ja, von wem?
Geplant war es nicht und ich glaube, man kann so einen Weg bzw. sein Berufsleben auch gar nicht durchplanen. Ich habe die Chancen wahrgenommen, die sich aufgetan haben. Was ich aber gemacht habe, wenn sich eine Möglichkeit aufgetan hat, die mich neugierig gemacht und mir gefallen hat, dann habe ich mich darum bemüht. Beispielsweise bezüglich der Abordnung zum Generalbundesanwalt: Diese Möglichkeit wurde uns Staatsanwältinnen und Richtern in einem Einführungskurs der bayerischen Justiz vorgeschlagen und näher erläutert. Am Ende des Kurses konnte man sich auf eine Liste setzen lassen, wenn man an einer solchen Abordnung interessiert war. Das habe ich damals gemacht.
Die Abordnung zum Bundesverfassungsgericht kam dagegen auf eine ganz andere Art und Weise zustande. Mich hatte damals eine sehr gut bekannte Kollegin angesprochen, ob ich dort eine Elternzeitvertretung wahrnehmen wolle. Nachdem ich es mir überlegt hatte, habe ich mich beim Bundesverfassungsgericht vorgestellt.
Aber es ist auch so, dass nicht automatisch immer alles funktioniert. Zum Beispiel kam die Abordnung als nationale Sachverständige für Eurojust so zustande, dass ich mich mehrfach auf ein Austauschprogramm des EJN, also des Europäischen justiziellen Netzes, beworben hatte. Das sind Austauschprogramme über kürzere Zeiträume zwischen den EU-Mitgliedsstaaten. Dort hatte ich mich mehrfach beworben, bin aber – aus welchen Gründen auch immer – einfach nicht zum Zug gekommen. Daraufhin wurde ich angesprochen, ob ich denn generell an einer internationalen Tätigkeit interessiert wäre.
Es ist manchmal so, dass sich aus Türen, die sich schließen oder die sich erst gar nicht öffnen, andere Chancen ergeben. Das ist generell ein Rat, den ich geben kann: Man muss wachsam und aufmerksam sein. Man kann Dinge im Berufsleben nicht erzwingen, aber man kann sich bemühen und die Chancen ergreifen, die sich auftun. Es ist ja häufig so, dass sich die Chancen zu Zeitpunkten auftun, die man als nicht besonders günstig empfindet.
Bei mir war das beispielsweise so bei der Abordnung an die ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union in Brüssel. Damals war ich gerade zurück beim Generalbundesanwalt von meiner Station bei Eurojust. Da wurde ich gefragt, ob ich Interesse hätte, nach Brüssel zu kommen. Dort gab es einen krankheitsbedingten Ausfall. Die Verweildauer, die ich damals in Karlsruhe hatte, war sehr, sehr kurz. Ich habe damals auch mit meinen Vorgesetzten gesprochen, die mich unterstützt haben. Wenn man mich damals aber gefragt hätte, hätte ich die Brüssel-Station gerne zeitlich nach hinten verschoben. Es ist aber einfach so, dass sich bestimmte Chancen vielleicht nur einmal oder nur zu bestimmten Zeitpunkten auftun. Dann muss man eben überlegen, ob man dieses Wagnis eingeht. Ich habe mich damals letztlich dafür entschieden, weil ich eine Tätigkeit im internationalen Bereich mit Vertreterinnen und Vertretern anderer EU-Mitgliedsstaaten sehr spannend fand.
Pläne, die nicht geklappt haben, werden oft nicht öffentlich geteilt. Scheitern taucht am Ende nicht mehr auf in der Vita und man nimmt daher nur sehr selektiv wahr, wie sich ein beruflicher Werdegang vollzogen hat. Wie sehen Sie das?
Das stimmt. Es erfolgt letztlich immer eine retrograde Betrachtung. Von meinem jetzigen Standpunkt bekomme ich das schon auch ab und zu gespiegelt. Da sprechen mich gerade auch jüngere Juristinnen darauf an, wie viele verschiedene Stationen ich bereits absolviert habe und wie ich das geplant habe. Ich versuche ihnen dann Mut zu machen. Auch mein Werdegang war aus der damaligen prognostischen Perspektive nicht linear.
Ich kann noch ergänzen, dass ich glücklicherweise immer sehr verständnisvolle Vorgesetzte hatte, die mich unterstützt haben und mir nie Steine in den Weg gelegt haben. Dennoch muss ich sagen, dass meine „vielen Wechsel“ auf unterschiedliche Reaktionen gestoßen sind. Bei vielen Wechseln setzt man sich auch schnell dem Vorurteil aus, man sei unstet. Oder der Frage „Warum wechselt die denn so oft? Ist die etwa nicht kompatibel im Kollegium?“ Man sollte sich immer deutlich den Unterschied zwischen einer prognostischen und einer retrograden Betrachtungsweise vor Augen führen.
Deshalb würde ich Jüngeren auch mitgeben, dass man das, was man macht oder machen möchte, unabhängig von einer Strategie tun sollte, sondern vielmehr, weil sich eine Chance auftut und man persönlich daran interessiert ist. Das Berufsleben ist sehr lang und daher sollte man seinen eigenen Interessen folgen.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch eine passende Situation aus meinem Werdegang schildern: Nach meiner Station in Brüssel bin ich zunächst ins Bundesministerium der Justiz (BMJ) gewechselt, fachlich passend, als Referentin im europäischen Strafrecht. Als dann Staatssekretär Billen für den Verbraucherschutz ins BMJ kam, wurde ich gebeten, mich bei ihm vorzustellen. Zuvor hatte ich keinerlei Berührungspunkte mit dem Verbraucherschutz. Nach dem Gespräch bot er mir die Stelle als seine persönliche Referentin an. Das war damals für mich ein kompletter Wechsel, auch fachlich. Zuvor war mein gesamter Werdegang strafrechtlich geprägt und plötzlich war ich persönliche Referentin für den Staatssekretär für Verbraucherschutz, was – wenn überhaupt – wenige Überschneidungspunkte mit dem Strafrecht hatte. Ich wurde häufig angesprochen, weshalb ich die Stelle angenommen habe. Ich habe mir damals durchaus auch selbst die Frage gestellt, ob das nicht ein zu großer Bruch ist, insbesondere, wenn ich irgendwann zurück ins Strafrecht möchte. Der ausschlaggebende Grund für meine Zusage war für mich damals aber, dass ich die Chance, als persönliche Referentin hinter die Kulissen eines Ministeriums zu blicken, nur einmal bekomme. In so einer Situation muss man für sich überlegen und sich – vielleicht auch mit der eigenen Familie – entscheiden, ob man den Weg geht oder nicht; auch wenn andere das vielleicht kritisch sehen.
Sie haben sich im Laufe Ihrer Karriere mehrfach in neue Umfelder eingefügt. Haben Sie im Laufe der Zeit eine Art Strategie für sich entwickelt, wie Sie in einer neuen Stelle Fuß fassen können?
Man muss sich natürlich immer wieder einarbeiten und Geduld mit sich selbst haben. Allerdings entsteht durch viele Wechsel auch ein starkes Grundvertrauen in einen selbst, so dass man denkt, „Okay, das schaffst Du schon irgendwie!“ Denn natürlich gibt es im Rahmen von Einarbeitungen immer Rückschläge und Tiefpunkte; auch solche verlaufen nicht linear. Man fängt nicht bei zehn Prozent oder so an und ab dann geht es nur noch aufwärts, sondern es ist letztendlich ein steter Lernprozess. Ich glaube aber, dass das Sprichwort „Man wächst mit seinen Aufgaben“ stimmt. Man muss einerseits Zutrauen in sich haben, andererseits aber auch anderen zuhören und sich auch Rat einholen. Und manchmal muss man auch Fehler erkennen und Dinge revidieren. In einer neuen Funktion gibt es immer viel zu lernen, ein Leben lang.
Das ist auch in meiner jetzigen Position als Präsidentin des Bundesamts für Justiz nicht anders. Viele Gebiete, wie etwa haushalterische Fragen, Organisation und Personal, waren für mich neu. In vielen Situationen lerne ich immer noch dazu. Das gehört dazu, davon sollte man sich nicht verunsichern lassen, sondern sich in einer gesunden Art und Weise selbst hinterfragen und aus Fehlern lernen. Es bedarf nicht nur in einer Organisation, sondern auch für einen selbst einer Fehlerkultur. Wenn man so an eine neue Stelle herangeht, sich auch Tipps, Ratschläge und Unterstützung holt, kann man dies sogar produktiv weitergeben. Man kennt dann die Situation, wie es ist, wenn man neu ist. Wenn man darauf angewiesen ist, dass versierte Kolleginnen und Kollegen einem helfen. Wie es ist, wenn man sich einarbeiten muss. All das führt sicherlich auch manchmal zu mehr Nachsicht mit anderen. Das finde ich grundsätzlich nicht verkehrt.
Sie sind jetzt Präsidentin des Bundesamts für Justiz in Bonn. Was macht das Bundesamt für Justiz eigentlich?
Wir gehören zum Geschäftsbereich des BMJ und nehmen Aufgaben wahr, die dieses an uns delegiert. Das Bundesamt für Justiz ist eine große Behörde mit rund 1.400 Beschäftigten. Wir nehmen vor allem Aufgaben im Servicebereich wahr; unser bekanntestes Produkt ist sicherlich das Führungszeugnis. Das brauchen alle mal, wenn sie eine neue Stelle antreten oder in einem Verein besondere Aufgaben wahrnehmen. Bei uns werden – im Kernbereich – das Bundeszentralregister und das Gewerbezentralregister geführt. Daraus erhalten Bürgerinnen und Bürger Auszüge zur Vorlage bei bestimmten Stellen.
Auch die internationale Rechtshilfe ist einer unserer großen Schwerpunkte – und zwar sowohl im Strafrecht als auch im Zivilrecht, beispielsweise bei internationalen Adoptionen und in Bezug auf Auslandsunterhalt.
Eine weitere wichtige Aufgabe bildet die Verkündung von Gesetzen und die Normendokumentation, d.h. alle Gesetze, die verkündet werden, gehen über die Schreibtische des Bundesamts für Justiz. Wichtig ist hierbei auch die Zurverfügungstellung im Internet und die E-Verkündung von Gesetzen.
Außerdem spielt sich ein großer Teil unserer Tätigkeit im Verbraucherschutz ab; wir führen nämlich zum Beispiel die Register, damals für Musterfeststellungsklagen und jetzt auch für die Verbandsklagen sowie die Schlichtungsstelle Luftverkehr.
Wir sind aber auch zuständig für die Ahndung von Verstößen gegen Offenlegungspflichten von haftungsbeschränkten Kapitalgesellschaften. Denn diese müssen – sozusagen als Gegenstück zur Haftungsbeschränkung – bestimmte Informationen, also die Bilanz, offenlegen. Wenn sie das nicht tun, erhalten wir eine Meldung und verfolgen diese Verstöße. Auch die IT-Fachverfahren, die unserer Aufgabenwahrnehmung zugrunde liegen, sind in der Regel selbst oder zusammen mit einem Dienstleister speziell entwickelt.
Um abschließend noch eine Aufgabe zu nennen, durch die wir jüngst in die Medien kamen: Bei uns ist die externe Meldestelle angesiedelt, welche die Whistleblower-Richtlinie umsetzt. Allgemein resultieren viele unserer Aufgabenfelder aus der Umsetzung von EU-Richtlinien oder EU-Verordnungen. Das Bundesamt für Justiz deckt also ein sehr breites Aufgabenfeld ab.
Insofern ist es eine sehr vielseitige Behörde, deren Charme gerade in dieser Vielseitigkeit besteht. Das ist aber zugleich auch die große Herausforderung, weil in jeder Abteilung, meist sogar in jedem Referat, unterschiedliche Aufgaben wahrgenommen werden.
Wie kann man sich denn bei Ihnen einen typischen Arbeitstag vorstellen, oder gibt es den nicht?
Eigentlich ist kein Tag wie der andere, aber es gibt natürlich schon gewisse Tätigkeitsschwerpunkte.
Der eine Teil ist alles, was nach innen geht, also die klassische Behördenleitung. Das sind einerseits Besprechungen, andererseits schlichte Entscheidungen zu Fachfragen, zu organisatorischen Fragen, aktuell viel zu Haushaltsfragen oder auch Personalfragen. Man kann dies als klassisches Verwaltungsmanagement umschreiben.
Ein weiterer großer Teil ist die Repräsentation in den verschiedensten Bereichen sowie der Austausch mit unserer Rechts- und Fachaufsicht, dem Justizministerium.
Ein weiterer Teil, den ich sehr gerne mag, ist die strategische Weiterentwicklung des Hauses. Denn man verwaltet ein Amt ja nicht nur dergestalt, dass die Funktionsfähigkeit gewährleistet wird und alles glatt läuft, sondern man entwickelt auch Pläne, wo sich ein Amt hin entwickeln soll. Derzeit betrifft dies besonders Digitalisierungsfragen: Wie stellt man ein Amt zukunftsfähig auf, gerade in Fragen des Bürgerservices? Wo wollen wir in einigen Jahren stehen und in welchen Bereichen weiterentwickeln?
Bei einem derart bewegten Berufsleben, wie schaffen Sie es, für sich persönlich einen Ausgleich zu finden?
Das versuche ich eigentlich immer. Ich muss zugeben, unter der Woche ist es häufig nicht so einfach. Ich versuche dennoch viel Bewegung in meinen Arbeitstag zu integrieren, indem ich häufig morgens und abends den halbstündigen, sehr schönen Weg von meiner Wohnung zum Amt zu Fuß gehe. Das hilft mir sehr, den Tag zu beginnen oder um nach der Arbeit runterzukommen.
Ansonsten verlagert sich Vieles aufs Wochenende. Ich gehe sehr, sehr gerne in Kunstaustellungen, das finde ich immer sehr erholsam. So bekomme ich den Kopf frei, indem ich mich mit etwas komplett anderem befasse. Zudem gehe ich sehr gerne wandern oder unternehme etwas in der Natur mit meinem Mann. Ein wichtiger Punkt für mich ist auch der Kontakt und Austausch mit Freunden. Das hilft mir häufig, auch manchmal, wenn ich vor schwierigen Entscheidungen stehe, um Abstand zu bekommen oder mich auch mal darüber auszutauschen. Mein Freundeskreis setzt sich neben Juristinnen und Juristen aus vielen Personen zusammen, die mit der Juristerei keinerlei Berührungspunkte haben. Das hilft mir immer sehr, um auch mal eine andere Perspektive aufgezeigt zu bekommen.
Ich finde zwar, dass der Begriff „Work-Life-Balance“ teils sehr strapaziert ist, gleichwohl glaube ich, dass es sehr wichtig ist, einen Gegenpol zum rein Beruflichen zu haben.
Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?
Das ist keine einfache Frage, weil es sehr, sehr viele Menschen auf meinem Lebensweg gibt, die mich beeinflusst haben oder von denen ich mir etwas abgeschaut habe. Wobei es häufig weniger die Personen an sich als vielmehr beeindruckende Eigenschaften dieser sind, wie etwa eine gewisse Souveränität oder Gelassenheit oder auch eine Ruhe, die ausgestrahlt wird. Deshalb ist es für mich schwierig eine einzelne Person zu benennen. Aus meiner heutigen Sicht wäre es für mich sehr spannend, sich mit den Müttern des Grundgesetzes zu unterhalten; leider kann man die Zeit nicht zurückdrehen. Denn wenn man sieht, wie viel Frauen in puncto Gleichberechtigung, gleichberechtigter Teilhabe bereits erreicht haben, fände ich es spannend, sich dies aus prognostischer Sicht anzuschauen.
Vielen Dank für das spannende Interview!
München, 22. März 2024. Das Interview führte Dr. Christine Straub zusammen mit Marc Ohrendorf von „Irgendwas mit Recht“. Mehr von Veronika Keller-Engels gibt es im Podcast „Irgendwas mit Recht“ zu erfahren, hört rein!
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