top of page
Dr. Wajma Mangal.jpg

Dr. Wajma Mangal im Porträt

„Ich wollte in meine Vision einer zukunftsfähigen und modernen Kanzlei investieren.“

Dr. Wajma Mangal, Rechtsanwältin, Schiedsrichterin und zertifizierte Mediatorin, über die Gründung einer Boutique-Kanzlei und die Situation von Juristinnen in Afghanistan.

Sie haben afghanische Wurzeln. Wie hat sich Ihr multikultureller Hintergrund auf Ihren Werdegang ausgewirkt?

Ich wurde in Afghanistan geboren und bin Anfang der 90er Jahre mit meiner Familie als politisch verfolgte Person nach Deutschland gekommen. Diese Erfahrung im Kindesalter hat meinen Charakter geformt und mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Insbesondere dadurch habe ich die Fähigkeit erlangt, mich schnell an neue Situationen anzupassen. Eine sehr gute Freundin von mir hat diese Fähigkeit einmal als „eine Gabe beschrieben, wie ein Wanderer zwischen den Welten zu agieren und stets Brücken zu bauen“.

​​

Wie hat sich Ihr Hintergrund auf Ihr Studium ausgewirkt und welche Angebote hätten Sie sich diesbezüglich während des Studiums gewünscht?​

Mir ist bereits während des Studiums aufgefallen, dass viele Studierende gerade am Anfang des Studiums Schwierigkeiten hatten ihr Potenzial und ihre Chancen im Jura-Studium zu erkennen. Es fehlte damals insgesamt auch an Angeboten und womöglich auch an der Bereitschaft, die von mir erwähnten Brücken zwischen verschiedenen Perspektiven zu schlagen und auf etwaige kulturelle Unterschiede einzugehen. Ich hätte mir gewünscht, dass diesen Studierenden insgesamt eine positivere und klarere Perspektive auf ihre Möglichkeiten vermittelt worden wäre.

Nach dem Studium haben Sie promoviert und sich mit den Besonderheiten des UN-Kaufrechts befasst. Was hat Sie zu einer Promotion bewogen, insbesondere auch im Vergleich zu einem LL.M.?

Die Entscheidung für die Promotion habe ich bereits während des Studiums getroffen. Ich habe im Vorfeld meines Wahlschwerpunkts im Bereich des Internationalen Privatrechts (IPR) mehrere Seminararbeiten unter der Betreuung meines Doktorvaters Prof. Dr. Mankowski verfasst. Diese Seminare haben mir außerordentlich viel Freude bereitet, sodass mir mein Doktorvater noch vor dem ersten Staatsexamen das Angebot machte, bei ihm promovieren zu dürfen. Mir erschien die Promotion als denklogischer Schritt nach dem ersten Examen. Für mich kam zu diesem Zeitpunkt ein LL.M. nicht wirklich in Betracht und hätte auch nicht zu meiner Lebenssituation gepasst.

Nach dem zweiten Examen haben Sie erst in einer großen Kanzlei angefangen zu arbeiten und sich dann selbstständig gemacht. Wieso haben Sie sich für diesen Schritt entschieden?

Ich bin bereits während meines Referendariats Mutter geworden und habe somit meine Karriere nach dem Referendariat mit einem Kleinkind erst in einer mittelständischen Kanzlei und sodann in der Großkanzlei gestartet. 

 

Das funktionierte viele Jahre sehr gut. Ich habe eine großartige Ausbildung genossen, habe viel gelernt und ausreichend Erfahrung als Anwältin gesammelt. Ich durfte mit tollen Kollegen:innen an spannenden Fällen und Projekten arbeiten. Nach knapp fünf Jahren und der Geburt meines zweiten Kindes wurde mir allerdings klar, dass die Perspektive in einer Großkanzlei mit zwei Kindern nicht das war, was ich mir für meine Lebensplanung vorstellte. Ich wollte insbesondere meine Ziele selbst definieren und dabei langfristig in meine Ideen investieren. Als der Wunsch, unabhängig zu sein, immer stärker wurde, habe ich einen neuen beruflichen Weg mit neuen Freiräumen eingeschlagen.

Welche Herausforderungen haben sich Ihnen zu Beginn der Selbstständigkeit gestellt?

Die Suche nach qualifiziertem Fachpersonal gestaltete sich schwieriger als erwartet. Obwohl mir in der Theorie bewusst war, dass gutes Personal schwer zu finden sein wird, habe ich diese Herausforderung vorher nie in diesem Ausmaß wahrgenommen.

Welche Tipps haben Sie für Anwält:innen, die ebenfalls überlegen, sich selbstständig zu machen?

Meiner Ansicht nach erfordert die Selbstständigkeit als Anwält:in eine frühzeitige Etablierung beruflicher Netzwerke sowie den Entschluss und auch den Mut, die eigene professionelle Identität erfolgreich zu vermarkten. Auch die Unterstützung durch erfahrene Mentor:innen und der fachliche Austausch mit Kolleg:innen sind entscheidend und von essenzieller Bedeutung. Klare Überlegungen zur gewünschten Nische oder spezifischen Rechtsgebieten, die das Angebot bilden sowie das Vertrauen in die eigenen juristischen Fähigkeiten sind ebenfalls Schlüsselkomponenten. Es ist zudem wichtig, sich und das Angebot zu hinterfragen und das einst entwickelte Konzept zwischenzeitlich neu zu durchdenken. Denn ich bin mir sicher, nur durch eine kontinuierliche Selbstprüfung und die kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Angebot kann Akzeptanz auf dem Markt sichergestellt werden. 

Sie sind als Rechtsanwältin in internationalen Schiedsverfahren tätig und selbst Schiedsrichterin. Was reizt Sie an Ihrer Tätigkeit?​ 

Mich reizt an der Tätigkeit als Rechtsanwältin in internationalen Schiedsverfahren und als Schiedsrichterin die Vielseitigkeit und der stetige Perspektivwechsel. Ich kann an einem Tag in einer Sache als Counsel die Rolle der Interessenvertreterin aktiv einnehmen und an einem anderen Tag die neutrale Rolle als Schiedsrichterin. Zudem ist die Internationalität meiner Arbeit ein weiterer reizvoller Aspekt, da sie die Zusammenarbeit und den Austausch mit Menschen aus verschiedenen Nationen und Rechtskreisen ermöglicht. Diese Vielfalt eröffnet nicht nur die Gelegenheit zum gemeinsamen Lernen, sondern gewährt auch faszinierende Einblicke in unterschiedliche Herangehensweisen an den Fall. Dies bereichert meine berufliche Praxis nachhaltig.

Sie engagieren sich in der Initiative junger Schiedsrechtler:innen (DIS40). Können Sie uns von diesem Programm erzählen?​ 

Die DIS40, eine Initiative für junge Schiedsrechtler:innen, wurde im Sommer 2002 von der DIS (Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V.) ins Leben gerufen. Diese Plattform dient dem praxisorientierten Erfahrungsaustausch und bietet ein Forum für junge Jurist:innen mit Interesse an der Schiedsgerichtsbarkeit.


Die Initiative organisiert regelmäßig Veranstaltungen zu aktuellen Themen auf regionaler, bundesweiter und internationaler Ebene, wobei die Teilnahme überwiegend kostenfrei ist. Neben den Veranstaltungen ermöglicht die Mitgliedschaft in der DIS40 auch die Teilnahme am DIS/DIS40-Mentoringprogramm.

Sie setzen sich darüber hinaus für Menschen in Afghanistan ein und haben zuletzt neben Ihrer beruflichen Tätigkeit ein Food-Startup gegründet. Wie kam es zu diesem Schritt?

 

Die Gründung des Food-Startups BOWLANI war – um ehrlich zu sein – eine Reaktion auf die Machtübernahme der Taliban im August 2021, die mich und meine Familie zutiefst bestürzt hat. Denn seit der Machtübernahme der radikalislamistischen Taliban hat sich die humanitäre Lage in Afghanistan weiter massiv verschärft. Berichten der Vereinten Nationen zufolge benötigen zwei Drittel der Gesamtbevölkerung humanitäre Hilfe und leiden aktuell Hunger. Wir konnten nicht hinnehmen, dass diese Menschen vergessen und sich selbst überlassen werden und gründeten BOWLANI.


Ich habe gemeinsam mit meinem Co-Founder eine Cooking-App entwickelt, in der wir Originalrezepte aus Afghanistan vorstellen und die dazugehörigen Gewürze anbieten. Ich freue mich sehr, dass dies Anklang findet und ich als Starterin 2024 für die Region Hamburg nominiert bin.


Bei dem Food-Startup BOWLANI liegt uns nicht nur die Bekanntmachung der leckeren afghanischen Küche am Herzen, sondern auch die Verbesserung der Lebenssituation von Kindern in Afghanistan. Aus diesem Grund unterstützen wir aktuell Ernährungsprogramme von Save the Children e.V. in Afghanistan mit einem Teil unserer Einnahmen. Denn wir glauben fest daran, es sind nicht immer die großen Gesten, die zählen. Oft sind es die kleinen, unscheinbaren Schritte, die in ihrer Gesamtheit Großes bewirken können. Jede noch so kleine Unterstützung zählt, um eine langfristige Veränderung bewirken zu können.

Wie nehmen Sie die Situation aktuell für Frauen in Afghanistan wahr?

Die letzten zwanzig Jahre in Afghanistan waren geprägt von kleinen Errungenschaften in Sachen Bildung und Chancengleichheit für Frauen. Doch seit der Machtübernahme der radikalislamistischen Taliban ist dieses mühsam aufgebaute Fundament zusammengebrochen. Frauen, einst aufstrebend in ganz vielen Sektoren, sei es Bildung, Wirtschaft, Politik oder Kultur, sehen sich nun drastischen Einschränkungen gegenüber. Die Taliban verweigern Mädchen ab dem Sekundarschulalter den Zugang zu Bildung, d.h. Frauen und Mädchen dürfen keine Schulen und Universitäten besuchen. Ob und wie sie das Haus verlassen dürfen, wird kontrolliert und stark eingeschränkt. Aus einem Bericht von Amnesty International geht hervor, dass sie in fast allen Lebensbereichen diskriminiert werden und ihr Protest gewaltsam unterdrückt wird. Die Zahl der Kinderehen, Früh- und Zwangsverheiratungen ist stark angestiegen. Gleichzeitig wurden Schutz- und Hilfsmechanismen für Überlebende häuslicher Gewalt massiv verringert. Diese Entwicklungen werfen einen dunklen Schatten auf die Zukunft einer ganzen Generation von Frauen in Afghanistan, die sich jedes dieser Rechte in der Vergangenheit so hart erkämpft hatte.

Können Sie noch etwas zu Juristinnen im Speziellen sagen?

Natürlich hat sich auch die Situation für Juristinnen drastisch seit dem Sommer 2021 verändert. Viele aufstrebende afghanische Juristinnen, die in den vergangenen Jahren an dem Aufbau eines Rechtsstaates gearbeitet haben, sehen sich nun nicht nur mit Arbeitsverboten durch die Taliban konfrontiert, sondern werden von ihnen auch explizit für ihre Arbeit in der Vergangenheit bedroht.

Was wünschen Sie sich für Afghanistan?

Ich wünsche mir für die Menschen, insbesondere den Kindern in Afghanistan, dass sie in Frieden unter würdevollen und gerechten Lebensbedingungen aufwachsen und leben können. Ich wünsche mir, dass die internationale Gemeinschaft Afghanistan nicht im Stich lässt, sondern Druck auf die Taliban ausübt, endlich Maßnahmen zum Schutz der Rechte von Frauen und Mädchen umzusetzen.

 

Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

In meiner beruflichen Laufbahn haben mich viele Juristinnen als Mentorinnen begleitet und inspiriert. Ich hatte das Glück, stets kluge Menschen an meiner Seite zu wissen, die mir immer mit Rat und Tat unterstützt haben. Dafür schätze ich mich sehr glücklich. Als beeindruckende Juristin, die ich zuletzt vor einigen Wochen im Rahmen meiner Zertifizierung als Mediatorin kennen gelernt habe, würde ich gerne Imke Wulfmeyer nominieren.

Vielen Dank für das spannende Interview!

 

Berlin / Hamburg, 21. März 2024. Dr. Wajma Mangal hat die Fragen schriftlich beantwortet. Die Fragen stellte Anna Isfort.

Spannende Porträts, die Dich ebenfalls interessieren könnten:

 

Katharina Weimer, LL.M., Partnerin im Datenschutzrecht bei Fieldfisher, über Prioritäten im Alltag, den Gender Joke Gap und wie es sich anfühlt, den VinFast IRONMAN World Championship auf Hawaii zu meistern. Weiterlesen

Dr. Katrin Silja Kurz, Verwaltungsrichterin in Stuttgart, über ihre außergewöhnliche Laufbahn von der selbstständigen Opernsängerin über die Anwaltschaft zur Justiz und die gesellschaftliche Relevanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Weiterlesen

bottom of page